Staphylococcus aureus

In goldener Rüstung

Das Bakterium Staphylococcus aureus (SA) befindet sich nicht nur an vielen Stellen auf der Haut, sondern auch in der Muttermilch. Birgt dies gesundheitliche Probleme für den Säugling? Birgit Heimbach
  • Der Erreger Staphylococcus aureus (SA) besitzt einen hocheffektiven Schutzpanzer aus gelben Pigmenten, den Carotinoiden. Dadurch leuchtet er nahezu golden (lateinisch: aureus). Er siedelt bei vielen Menschen auf Haut und Schleimhaut. Inzwischen weiß man, dass er häufig auch bei gesunden Frauen die Milchgänge besiedelt und in der Muttermilch vorkommt. Verdrängt wird er beispielsweise vom nahezu weißen Staphylococcus epidermidis, der in der Muttermilch von allen Staphylokokken-Arten am häufigsten vorkommt, und von den stäbchenförmigen freundlichen Lactobacillen.

  • Lange galt es, die Brust in der Stillzeit vor dem Staphylokokkus aureus (SA) zu schützen, dem Haupterreger der Mastitis. Seit spätestens 2003 ist jedoch bekannt, dass der Keim häufig die Milchgänge gesunder Frauen besiedelt und damit auch in der Muttermilch zu finden ist (Kawada et al. 2003). Er gehört zum Mikrobiom der Milch bei 40 bis 50 % der Frauen in industrialisierten Ländern (Zhang 2014). Wie andere Bakterien gelangt er während der Schwangerschaft vom Darm der Frauen dorthin.

    Der SA ist als eine von vielen Staphylokokken-Arten allgegenwärtig. Er kommt bei etwa 30–50 % der gesunden Erwachsenen meist in der Nase, aber auch auf Haut und Schleimhaut und im Darm vor, teils nur vorübergehend. Wie kleine Beeren (kókkos) versammelt er sich gruppenförmig zu Trauben (staphylé). Die Bakterienart gilt als fakultativ pathogen. Von den Staphylokokken ist sie die gefährlichste und extrem widerstandsfähig. Die Sauerstoffmoleküle, mit denen die weißen Blutkörperchen die Bakterien bekämpfen, prallen an den antioxidantisch wirkenden Carotinoiden ab wie an einer Rüstung. Der SA kann auch Fibrinwälle um sich errichten und für rund zehn Minuten 150 Grad tolerieren.

    Das Risiko für eine Mastitis steigt durch eine Verletzung der Mamillen, dann kann der Erreger ins Gewebe eintreten. In den 1990er Jahren waren 20 bis 30 % der Stillenden in den meisten industrialisierten Ländern von einer Mastitis betroffen (Zhang 2014). Diese Zahlen bezogen sich in der Regel auf den Methicillin-sensiblen Staphylococcus aureus (MSSA). Besonders in den USA hat sich inzwischen auch der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) als Erreger von Mastitis ausgebreitet (Bundesgesundheitsblatt 2014). In Deutschland sei in den letzten zehn Jahren die MRSA-Rate in der Bevölkerung von 20 auf 10 % gesunken, erklärt Prof. Dr. Andreas Müller, Leiter der Pädiatrischen Infektiologie am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn, und zuständig für das Informationsportal MRSA-Kinder.net. In den Niederlanden dagegen komme er so gut wie gar nicht vor. »Search and destroy« heißt die holländische MRSA-Politik, die anscheinend funktioniert (www.mrsa-net.nl/de).

     

    Screening auf MRSA?

     

    2012 zeigte eine Studie, dass der Staphylococcus aureus beim Stillen bis in den kindlichen Darm gelangt (Martin 2012). Was sind die Folgen für Neugeborene, wenn es sich um einen MRSA handelt? Sollte eine Besiedelung der Mutter bekannt sein, um einer eventuellen Erkrankung des noch nicht immun kompetenten Säuglings vorbeugen zu können?

    Müller erläutert, dass es in Deutschland keine klaren Empfehlungen gibt. Ein generelles Screening auf MRSA würde er für übertrieben halten, die Gefahr der Stigmatisierung sei groß. Er sieht keinen Grund zur Besorgnis bezüglich einer gesundheitlichen Gefährdung. MRSA sei eher ein Kolonisierer auf Haut und Schleimhäuten, weniger ein Verursacher von Infektionen. Müller: »Wir empfehlen bei einer MRSA-Besiedelung der Mutter zu stillen, wie auch bei einer Mastitis. Nur bei einer elektiven Sectio sollte zum Schutz der Mutter vorsichtshalber zuvor auf MRSA getestet werden.« Dann könne man eine Dekolonisierung versuchen. Wenn allerdings der Darm des Neugeborenen durch Stillen besiedelt sei, lasse sich der Keim dort nur schwer beseitigen. Das Informationsportal MRSA-Kinder.net rät vom Aufbewahren von abgepumpter Muttermilch ab, da es dabei zur Keimvermehrung kommen könne (siehe Link).

    Des Weiteren wird im RKI-Ratgeber für Staphylokokken (derzeit in Überarbeitung) erwähnt, dass im Fall einer MRSA-Besiedlung der Brust beziehungsweise der Brustdrüsengänge der Mutter eines Neugeborenen die Entscheidung, ob ein Säugling gestillt werden kann, nach einer Risikoeinschätzung und unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten für das Kind durch den behandelnden Kinderarzt erfolgen sollte. Gegebenenfalls sei nach möglichen Alternativen zu suchen (siehe Link).

    Die Studienlage zur Frage des Stillens bei einer Kolonisierung der Mutter sei kontrovers, so die Humanmedizinerin Vanda Marujo, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim RKI. Einerseits hätten die besonderen Inhaltsstoffe der Muttermilch bekannte Vorteile, etwa eine verminderte Anfälligkeit des Kindes für Infektionen und eine langfristige Prägung des Immunsystems. Andererseits seien Folgen und Ausmaß einer eventuellen Darm-Besiedlung der Neugeborenen noch unklar im Hinblick auf Infektionen. Eine Arbeitsgruppe wird Genaueres im RKI-Ratgeber publizieren.

     

    Bakteriotherapeutische Agenten

     

    2003 untersuchten die Mikrobiologen Prof. Per Saris und Mikko Heikkilä vom Department of Applied Chemistry and Microbiology der Universität von Helsinki in 509 Isolaten von 40 Muttermilchproben die verdrängende Wirkung von anderen Bakterien auf den SA. Sie stuften diesen als eindeutig pathogen ein – im Gegensatz dazu zählen sie andere Staphylokokken zur normalen Bakterien-Flora der Haut und weisen sogar auf mögliche Zusammenhänge mit SIDS-Fällen hin.

    Unter den Staphylokokken stellte sich der Staphylococcus epidermidis (SE) als wirksam heraus. Er bildet eher kleine Kolonien vor allem auf der Haut und wurde früher wegen seiner hellen Farbe Staphylococcus alba genannt. Laut Studie wirkt er in nur 23 % der Fälle, aber er kam immerhin in 39 der 40 Proben vor – der SA mit einer Häufigkeit von 5 Proben dagegen eher selten. Problematisch: Kann der SE sich selbst ungehindert vermehren, kann er allerdings auch Mastitiden auslösen.

    Wirksam war auch eine Streptokokkenart und sehr wirksam einige Milchsäurebakterien, etwa Lactobacillus rhamnosus und Lactobacillus crispatus. Die Wissenschaftler schlugen vor, bakteriotherapeutische Agenten zu bestimmen und eine solche Therapie zu entwickeln. Eine gute Möglichkeit, gerade im Hinblick auf den MRSA Sicherheit zu schaffen. Tatsächlich gibt es inzwischen schon Produkte für die Mutter, um die Milchgangflora mit Lactobacillen zu unterstützen und Staphylokokken zu verdrängen. Sie gelangen dann auch in den Darm des Säuglings.

    Rubrik: Ausgabe 10/2019

    Erscheinungsdatum: 21.09.2019

    Literatur

    Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut: Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Bundesgesundheitsblatt 2014. 57:696–732. DOI 10.1007/s00103- 014 -1980-x

    Heikkilä MP, Saris PEJ: Inhibition of Staphylococcus aureus by the commensal Bacteria of human Milk. First published: 24 July 2003. https://doi.org/10.1046/j.1365-2672.2003.02002.x

    Kawada M, Okuzumi K, Hitomi S et al.: Transmission of Staphylococcus aureus between healthy, lactating Mothers and their Infants by breastfeeding. J Hum Lact 2003. 19:411-417

    Martin V et al.: Sharing of bacterial Strains between Breast Milk and Infant Feces. Research Article 2012. https://doi.org/10.1177/0890334411424729

    Zhang L: Variations in the chemical Composition of human Milk, in: Human Milk Biochemistry and Infant Formula manufacturing...

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