Registerstudie aus Finnland

Lässt sich das Risiko für eine Schulterdystokie bewerten?

Die Schulterdystokie zählt zu den schweren Notfällen in der Geburtshilfe. In einer Studie aus Finnland wurden Risikofaktoren evaluiert, die in Zusammenhang zum Auftreten einer Schulterdystokie stehen und anschließend ein Instrument zur Risikobewertung entwickelt. Das Ziel lag somit in der Entwicklung eines Tools, um das Risiko des Auftretens einer Schulterdystokie zu bewerten und somit im besten Fall vermeiden zu können.

Eingeschlossen wurden alle Geburten, die in Finnland zwischen 2004 und 2017 stattgefunden haben (n=800.484). Die Häufigkeit der Diagnose einer Schulterdystokie wurde aus dem landesweiten finnischen Geburtenregister und den Krankenhausentlassungsregistern errechnet. Mütterliche Faktoren wie Body-Mass-Index (BMI), Diabetesstatus, Alter, Entbindungsmodus, Parität und Gestationsalter wurden zurückverfolgt.

Es zeigte sich, dass die Gesamtinzidenz einer Schulterdystokie bei 0,18 % lag. Es traten 1.467 Schulterdystokien unter 800.484 spontanen Geburten und vaginal-operativen Entbindungen auf. 589 Fälle waren es unter den 595.892 spontanen vaginalen Geburten.

Die genauere Betrachtung zeigte einen signifikanten Anstieg des Auftretens einer Schulterdystokie im Untersuchungszeitraum von 0,1 % auf 0,32 %. Der Anstieg wurde lediglich bei Frauen mit einem BMI unter 18,5 oder einem Alter unter 20 Jahren nicht beobachtet. Das höchste Risiko der Entwicklung einer Schulterdystokie hatten Gebärende mit vorliegendem Gestationsdiabetes, einer vaginal-operativen Geburt, einem BMI über 25, einem Alter über 40 Jahren und einem Gestationsalter über 41 Schwangerschaftswochen.

Das entwickelte Bewertungs-Tool zur Risikoeinschätzung berücksichtigt folgende Faktoren: Entbindungsmodus (spontan oder vaginal-operativ), mütterlicher Diabetesstatus (ja/nein), mütterliches Alter, Gestationsalter. Beim BMI wurde differenziert in drei Subgruppen (BMI < 30, BMI 30-34,9, BMI > 35). Pro Bewertungskriterium beziehungsweise der vorliegenden Kombination an Kriterien werden „Risikopunkte“ vergeben. Diese können anschließend in Bezug auf das vorliegende Schulterdystokie-Risiko geprüft werden. Das Assessment-Tool kann während der Schwangerschaft oder unter der Geburt angewendet werden. Die AutorInnen empfehlen hierbei eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung des jeweils individuellen Geburtsverlaufs.

Heinonen K, Saisto T, Gissler M, Kaijomaa M, Sarvillina N: Rising trends in the incidence of shoulder dystocia and development of a novel shoulder dystocia risk score tool: a nationwide population-based study of 800 484 Finnish deliveries. Acta Obstet Gynecol Scand 2020. DOI: 10.1111/aogs.14022 DHZ

Rubrik: Geburt

Erscheinungsdatum: 06.11.2020