Epigenetik

Langfristige Veränderung der Gene durch vorgeburtlichen Stress?

Hat eine Frau während der Schwangerschaft viel Stress, könnte das zu einer veränderten Reaktion der Gene in Nervenzellen auf Stress im späteren Leben des Kindes führen. Nun konnte ein hierfür möglicher verantwortlicher molekularer Mechanismus identifiziert werden. Stresshormone lösen eine Veränderung in einem wichtigen epigenetischen Prozess, der DNS-Methylierung, aus und führen so dazu, dass Gene auch über einen längeren Zeitraum anders abgelesen werden. Denn obwohl Stresshormone notwendig für die Gehirnentwicklung des Feten sind, hat sich eine zu große Menge davon als schädlich erwiesen.

Die WissenschaftlerInnen nutzten menschliche Gehirnzellen, um die Effekte von Stresshormonen während der fetalen Entwicklung zu beobachten. Sie stellten fest, dass chronischer Stress während der frühen Neubildung von Nervenzellen, der sogenannten Neurogenese, zu einer langfristigen Veränderung der Gene durch epigenetische Mechanismen führt. Zusätzlich konnten sie zeigen, dass bei erneutem Stress diese epigenetischen Veränderungen zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber nachfolgendem Stress führen.

Um diese Erkenntnisse vom Labor auf den Menschen zu übertragen, wurden zusätzlich Nabelschnurblutzellen von Neugeborenen untersucht, die während der Schwangerschaft hohem Stress, wie Depression und Angststörungen der Mutter oder eine Stresshormongabe ausgesetzt waren. Es konnte beobachtet werden, dass die epigenetischen Veränderungen in den Neuronen und die, die in den Genen der gestressten Neugeborenen gefunden wurden, miteinander übereinstimmten. Diese epigenetischen Markierungen können als „Erinnerungen der Zelle“ an vergangenen Stress gesehen werden, welche die Sensibilität des Individuums auf zukünftigen Stress beeinflussen könnten.

Quelle: Provençal N et al.: Glucocorticoid exposure during hippocampal neurogenesis primes future stress response by inducing changes in DNA methylation. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 2019. doi: https://doi.org/10.1073/pnas.1820842116 Max-Planck-Institut für Psychatrie, 21.8.2019 DHZ

Rubrik: Schwangerschaft

Erscheinungsdatum: 26.08.2019