PDA als Ersatz für eine Eins-zu-eins-Betreuung
Hebammen verfügen über vielfältige Erfahrungen zum Thema Schmerz und Schmerzmanagement während der Geburt. Daher können sie die Entscheidung von Gebärenden unter der Geburt beeinflussen, welchen Umgang diese mit Wehenschmerzen wählen. Unterschieden wird hierbei zwischen pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Methoden der Schmerzlinderung. Zu den pharmakologischen Methoden der Schmerzlinderung zählt die Periduralanästhesie (PDA), welche im Jahr 2018 in Norwegen bei 34 % aller Geburten eingesetzt wurde.
Kontroverse Auffassungen zur PDA
Der Einsatz einer PDA wird kontrovers diskutiert: Zum einen stellt die PDA eine effektive Methode der Schmerzlinderung dar, zum anderen geht sie im Vergleich zu anderen Methoden der Schmerzlinderung mit einer erhöhten Rate geburtshilflicher Interventionen einher. Diese geburtshilflichen Interventionen können dazu führen, dass sich anfänglich physiologische in pathologische Geburtsverläufe verändern. Aufgrund dieser bestehenden Vor- und Nachteile wird der Einsatz einer PDA zur Schmerzlinderung unter der Geburt auch unter Hebammen unterschiedlich bewertet.
Um die Unterschiedlichkeit der Erfahrungen und Einstellungen von Hebammen hinsichtlich einer PDA als Schmerzlinderungsmethode unter der Geburt besser zu verstehen, wurde in Norwegen eine qualitative Studie unter zehn Hebammen durchgeführt. Zehn Tiefeninterviews wurden durchgeführt und anschließend nach Malterud´s systematischer Textkondensation ausgewertet.
»Alles scheint gut zu sein...«
Die Ergebnisse zeigten, dass Hebammen unterschiedliche Erfahrungen mit dem Einsatz einer PDA als Schmerzlinderungsmethode haben und verschiedene Einstellungen daraus ableiten. Zwei Hauptthemen wurden aufgezeigt: »Das Ziel einer normalen Geburt« und »Herausforderungen an Praxis, Wissen, Philosophie und Erfahrungen der Hebamme«.
In Bezug auf die Einstellungen der Hebammen zum Thema PDA zeigte sich, dass unter Hebammen ganz verschiedene Aspekte hinsichtlich des übergeordneten Ziels einer normalen Geburt vorhanden waren. So teilte Hebamme Carina die Auffassung: »Es ist offensichtlich – wenn du sie (die Gebärende) nur gut genug informierst, kannst du sie dazu bringen, fast alles zu tun. So biete ich manchmal eine PDA an, um das Ziel (Schmerzlinderung/Geburt) zu erreichen«. Hebamme Ingrid differenzierte: »Die Beurteilung, was eine gute Geburt ausmacht, liegt nicht bei mir – eine PDA kann zu einer guten Geburt für viele Frauen beitragen«. Hebamme Elida teilt ihre Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen einer PDA auf den weiteren Geburtsverlauf: »Dies ist der Punkt, an dem wir falsch denken, wenn eine PDA verwendet wird: Alles scheint gut zu sein, die Gebärende ist relaxed in ihrem Bett und wir vergessen, dass wir zu arbeiten haben …«
Zum Thema der Herausforderungen an Praxis, Wissen, Philosophie und Erfahrungen der Hebamme meint Hebamme Melina, dass die Erfüllung der mütterlichen Bedürfnisse für sie Vorrang habe: »Wenn die Gebärende sagt, dass sie eine PDA möchte, dann setze ich alles daran, ihr diesen Wunsch zu erfüllen«. Dem setzen Hebamme Aase ihre professionelle Verpflichtung und Hebamme Shelly das Aufzeigen möglicher Alternativen gegenüber: »Ich habe eine berufliche Verpflichtung, nicht die einfachste Lösung zu wählen, ihr eine PDA zu ermöglichen, weil es einfacher für mich ist, sondern weil es ihr dient«, so Hebamme Aase. »Aber manchmal existieren Alternativen (zum Einsatz einer PDA) die besser sind und Du must alles daransetzen, diese der Gebärenden aufzuzeigen«, so Hebamme Shelly.
Die Ergebnisse
Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass der Einsatz einer PDA als Ersatz für eine Eins-zu-eins-Betreuung verwendet wird: »Wenn sie eine PDA hat, brauchst du als Hebamme nicht so intensiv mit der Gebärenden arbeiten«. Zudem kann das Management einer Mehrfachbelastung über den bewussten Einsatz einer PDA gesteuert werden: »Du kannst eine PDA früher anbieten, weil du nicht die Zeit hast, bei ihr zu sein. Wir wissen, dass wir uns beeilen müssen, um andere Frauen unterstützen zu können«, so Hebamme Ingrid.
Die Autor:innen zeigen auf, dass alle befragten Hebammen die PDA als effektive Methode zur Schmerzlinderung des Wehenschmerzes einstuften. Jedoch erfolgte die Einschätzung der Hebammen unterschiedlich, und wurde durch persönliche Überzeugungen und die geburtshilfliche Philosophie am Arbeitsplatz beeinflusst. Eine PDA wurde oft als Ersatz für eine Eins-zu-eins-Betreuung verwendet, wenn diese aufgrund eines hohen Arbeitsaufkommens für eine betreuende Hebamme nicht möglich war. Sie geben zu bedenken, dass die Entscheidungsfreiheit der Gebärenden respektiert werden und die Einschätzung der Hebamme sich nicht auf die Entscheidungen der Frauen auswirken sollte. Die Autor:innen schlussfolgern, dass Hebammen sich darüber bewusst sein sollten, dass die geburtshilfliche Philosophie am Arbeitsplatz einen Einfluss auf die Einstellung hinsichtlich des Einsatzes einer PDA unter der Geburt haben kann. Das Ziel der Hebammenarbeit sollte bei der Betreuung von Gebärenden mit und ohne PDA darauf liegen, »mit der Frau« zu arbeiten um physiologische Geburtsverläufe zu fördern.
Quelle: Aune I et al.: Epidurals during normal labour and birth – Midwives' attitudes and experiences. Women Birth 2021. 34, e384-e389. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.wombi.2020.08.001 ∙ DHZ