Qualitative Studie aus Irland

Vaginale Geburt oder erneuter Kaiserschnitt?

  • Die Frauen in einer Befragung aus Irland geben an, die Entscheidung zum Geburtsmodus beim nächsten Kind nicht während der nächsten Schwangerschaft, sondern bereits direkt im Anschluss an die Geburt des Kindes, das per Sectio geboren wurde, getroffen zu haben.

  • Die Sectiorate in Irland lag im Jahr 2020 in verschiedenen Kliniken zwischen 28 und 43 %. Die großen Unterschiede werden kritisch in Bezug auf eine Übermedikalisierung und den übermäßigen Einsatz geburtshilflicher Interventionen diskutiert. Eine Schwangere nach einem vorausgehenden Kaiserschnitt wird während ihrer Schwangerschaft mit der Frage konfrontiert, ob sie eine vaginale Geburt oder eine elective Resectio (ERCS) wünscht.

    Die vaginale Geburt nach einem vorausgehenden Kaiserschnitt (Vaginal Birth after caesarean Section/VBAC) wird als eine Möglichkeit erachtet, die Sectiorate zu senken. VBAC gilt als sicherer als eine ERCS für die Gebärende, weil das Risiko operationsbedingter Risiken geringer ist und für eine Uterusruptur weniger als 1 % beträgt. Der Anteil erfolgreicher VBAC beträgt 72–75 %. Jedoch zeigen verschiedene internationale Studien den Trend auf, dass zunehmend ERCS im Vergleich zur VBAC durch Gebärende bevorzugt wird.

    Dieser Trend wurde anhand einer qualitativen Studie im Nordwesten Irlands kritisch hinterfragt: Was beeinflusst die Entscheidungsfindung zur ERCS oder VBAC? Eingeschlossen wurden 44 Frauen nach der Geburt ihres Kindes, das nach einem vorausgehenden Kaiserschnitt zwischen August 2021 und März 2022 geboren wurde.

    Durchgeführt wurde die Studie an einem Krankenhaus im Nordwesten Irlands mit einer Sectiorate von 39,6 % bei 1.326 Geburten im Jahr 2020. Die Rate an ERCS betrug 61,4 %. Anhand von Tiefeninterviews wurden Einblicke in zugrundeliegende Entscheidungsprozesse für den jeweiligen Geburtsmodus gewonnen.

    Die Ergebnisse zeigten auf, dass die Entscheidungsfindung in Bezug auf eine ERCS oder eine VBAC komplex ist: Die Entscheidung wird unter anderem durch das Vertrauen der Frau in eine physiologische Geburt, frühere Geburtserfahrungen sowie auch die Einstellung von Freunden und der Familie beeinflusst. Diese Einflussfaktoren wurden anhand fünf verschiedener Level dargestellt: Individualität, Zwischenmenschlichkeit, Organisation, Gemeinschaft und lokal ausgesprochene Empfehlungen und Leitlinien.

    Interessant an den Ergebnissen war: Die befragten Frauen gaben an, die Entscheidung gar nicht während der Schwangerschaft zum Folgekind, sondern bereits direkt im Anschluss an die Geburt des Kindes, das per Sectio geboren wurde, getroffen zu haben.

    Die Autor:innen geben zu bedenken, dass frühere Erfahrungen den nächsten Geburtsmodus beeinflussen, jedoch nicht vorhersagen können. Bislang existiert keine einheitliche Empfehlung, die zur Unterstützung der Entscheidungsfindung hinsichtlich einer ERCS oder einer VBAC verwendet werden kann. Dies wäre jedoch wünschenswert, ebenso wie eine frühzeitige Thematisierung der VBAC.

    Empfohlen wird eine postpartale Besprechung der VBAC im Anschluss an den ersten Kaiserschnitt während der Postpartalzeit. VBAC sollte durch medizinische Fachkräfte und Hebammen unterstützt werden: Die Durchführung spezieller VBAC-Kurse und das Angebot spezieller Kliniken zur vaginalen Geburt nach Kaiserschnitt sollte weitergedacht werden.

    Quelle: Lennon, R. A., Kearns, K., O'Dowd, S., & Biesty, L. (2023). VBAC or elective CS? An exploration of decision-making process employed by women on their mode of birth following a previous lower segment caesarean section. Women and birth : journal of the Australian College of Midwives, 36(6), e623–e630. https://doi.org/10.1016/j.wombi.2023.05.011 ∙ Beate Ramsayer/DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 03.01.2024