Polen

»Verheerende« Bilanz des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen

Ein Jahr nach Inkrafttreten des fast vollständigen Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen in Polen haben Menschenrechtsorganisationen eine vernichtende Bilanz des Gesetzes gezogen.

Die Entscheidung habe »verheerende Auswirkungen auf das Leben von Frauen« gehabt, erklärten mehrere Organisationen gestern, darunter Amnesty International und Human Rights Watch. Die »extremen Hürden« für Schwangere seien erhöht worden, kritisierten die Organisationen. Dies habe »tragische Folgen« für viele Frauen und ihre Familien gehabt. Nach Angaben der Organisationen haben sich mehr als 1.000 Polinnen an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt, um das von der nationalkonservativen Regierung vorangetriebene Gesetz anzufechten.

Polens Oberstes Gericht hatte im Oktober 2020 Schwangerschaftsabbrüche schwer fehlgebildeter Feten für verfassungswidrig erklärt und damit das ohnehin schon sehr restriktive Abtreibungsrecht weiter verschärft. Tausende Pol:innen hatten in der Folge gegen die Regeln protestiert, insbesondere nach dem Tod einer jungen Frau, den Frauenrechtsgruppen auf die strengen gesetzlichen Vorschriften zurückführten.

Am 25. Januar wurde erneut eine schwangere Polin nach Angaben ihrer Familie Opfer des Gesetzes. Die Mutter von drei Kindern, die mit Zwillingen schwanger war, sei mit Schmerzen im Unterleib ins Krankenhaus eingeliefert worden, berichtete ihre Familie auf Facebook. Einer der Feten sei gestorben. »Die Entfernung des toten Fetus wurde nicht genehmigt, da dies nach polnischem Recht strengstens verboten ist«, berichtete die Familie. Die Ärzte hätten stattdessen acht Tage lang darauf gewartet, »dass sich die Vitalfunktionen des anderen Zwillings von selbst stabilisieren.« In der Folge sei die 37-Jährige an einer Sepsis gestorben. Ihr Tod löste bei der Opposition und bei Frauenrechtsaktivistinnen Empörung aus. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Die Abteilung für medizinische Kunstfehler ermittele gegen die drei Kliniken, in denen die 37-Jährige zuletzt behandelt worden war, teilte die Staatsanwaltschaft in Kattowitz Ende Januar mit.

Schon vor Inkrafttreten des Gesetzes hatte es im mehrheitlich katholischen Polen jährlich weniger als 2.000 legal vorgenommene Schwangerschaftsabbrüche gegeben. Frauenrechtsorganisationen schätzen jedoch, dass pro Jahr etwa 200.000 Polinnen illegal einen Abbruch vornehmen lassen oder dafür ins Ausland gehen.
 

Quelle: aerzteblatt.de, 27.1.2022 · DHZ

Rubrik: Recht

Erscheinungsdatum: 02.02.2022