Qualitative Studie aus Singapur

Wie erleben Erstgebärende einen Gestationsdiabetes?

  • Erstgebärende mit einem Gestationsdiabetes benötigen umfassende Informationen und eine intensive Begleitung. Diese umfasst sowohl praktische als auch emotionale Unterstützung.

  • Der Stoffwechsel einer Schwangeren verändert sich im Laufe einer Schwangerschaft. So wird beispielsweise Zucker nach Aufnahme einer Mahlzeit langsamer verstoffwechselt als im nichtschwangeren Zustand. Viele Schwangere haben daher erhöhte Blutzuckerwerte. Werden dabei jedoch Grenzwerte überschritten, zeigt dies einen Gestationsdiabetes (GDM) an: eine insulinbedingte Entgleisung des Stoffwechsels, die während der Schwangerschaft das erste Mal auftritt.

     

    Identifikation von vier Themenschwerpunkten

     

    In einer ambulanten Frauenklinik in Singapur wurde zum Themenkomplex des GDM eine qualitative Studie durchgeführt: Wie erleben Erstgebärende einen GDM? Befragt wurden hierzu zwischen Dezember 2019 und Mai 2021 zwölf schwangere Frauen, bei denen ein GDM diagnostiziert wurde. Eine thematische Datenanalyse nach Braun und Clarke wurden durchgeführt. 

    Vier Themen wurden identifiziert:

    • das Leben vor der Diagnose des GDM: Hinweise auf eine Unstimmigkeit
    • Reaktionen auf die Diagnose: Schock oder Akzeptanz
    • Den Umgang finden: Auseinandersetzung mit inneren und äußeren Einflussfaktoren
    • Leben mit dem GDM: nach vorne denken.

     

    Leben vor der Diagnose

     

    Bereits vor der Diagnose des GDM zeigten sich bei manchen Befragten Hinweise auf einen Gestationsdiabetes. So berichtet eine Teilnehmerin (TN 3), dass sie mehrfach auf dem Weg zur Arbeit kalten Schweiß verspürte und ein verschwommenes Gefühl wahrnahm. Sie wusste zu diesem Zeitpunkten nicht, dass ihr Zuckerstoffwechsel gestört war und ihre Beschwerden damit in Zusammenhang standen.

     

    Reaktionen auf die Diagnose

     

    Die befragten Frauen teilten eine Vielfalt unterschiedlicher Emotionen und Gedanken in Zusammenhang zur Diagnose des GDM. So beschrieben gerade Frauen nach einer zuckerarmen Ernährung das Gefühl der Überraschung, weil sie nicht mit der Diagnose eines Gestationsdiabetes gerechnet hatten: »Ich bin keine ›süße Esserin‹ und kann mir nicht erklären woher der Diabetes kommt« (TN 8).

    Andere Teilnehmerinnen teilten die Erfahrung, dass in Familien mit mehreren an Diabetes betroffenen Familienmitgliedern die Diagnose emotional gleichgültig empfunden, manchmal sogar erwartet wurde.

    Es gab jedoch auch die Empfindung unter den befragten Frauen, dass sie das Gefühl hatten, aufgrund ihres Lebensstils für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes vor allem durch enge Familienmitglieder »verantwortlich« gemacht zu werden: » … die Personen, die mich am meisten für die Erkrankung verurteilt haben, waren Mitglieder meiner eigenen Familie.«

     

    Den Umgang mit der Diagnose finden

     

    Die befragten Frauen wählten unterschiedliche Strategien, um mit der Diagnose eines GDM umzugehen. Beschrieben wurde die Notwendigkeit im Umgang mit emotionalen Konsequenzen, da ein GDM nicht nur Ängste und Stress in der Mutter bewirkte, sondern auch die Gesundheit des ungeborenen Kindes betrifft.

    Hierzu äußerten Teilnehmerinnen Ängste vor einer drohenden Frühgeburt oder ganz konkret die Angst: »Ich hatte Angst, dass mein Kind im Bauch stirbt.« Mehrere Frauen teilten ihre Frustration, dass Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens keine frauenzentrierte Sprache in der Kommunikation verwendeten oder zu wenig Informationen weitergaben.

     

    (Weiter-)Leben mit dem GDM

     

    Die befragten Frauen brachten auch zum Ausdruck, wie sie nach der Diagnose des GDM weiterlebten: Viele beschrieben eine Änderung der Lebensweise.

    So überdachte eine Teilnehmerin (TN11), dass sie viele gezuckerte Getränke zu sich nahm und viele Stunden sitzend verbrachte. Frauen waren bereit zur Änderung und benutzten Treppen statt den Aufzug oder veränderten ihre Essgewohnheiten.

     

    Resümee

     

    Die Autor:innen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass erstgebärende Frauen mit einem GDM umfassende Informationen und eine ebensolche Begleitung benötigen. Dies umfasst sowohl praktische als auch emotionale Unterstützung, um mit der Erkrankung einen Umgang zu finden.

    Sie empfehlen eine individuelle und ganzheitliche Betreuung durch Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens, die Bereitstellung von Online-Informationen sowie verschiedenen Beratungsangeboten. Zudem sprechen sie sich für öffentliche Kampagnen aus, um eine breite Öffentlichkeit über GDM zu informieren und hierfür zu sensibilisieren.

    Quelle: Sohmaran, C., Bte Mohamed Rahim, A., Chua, J. Y. X., & Shorey, S. (2023). Perceptions of primiparous women diagnosed with gestational diabetes mellitus: A descriptive qualitative study. Midwifery, 125, 103802. https://doi.org/10.1016/j.midw.2023.103802 ∙ Beate Ramsayer/DHZ

     

    Rubrik: Schwangerschaft

    Erscheinungsdatum: 25.09.2023