Schleswig-Holstein

Zukunft der Geburtshilfe: »Wir müssen dringend reden«

Fünf Vertreter:innen von Krankenkassen haben im Sozialausschuss über die Zukunft der Geburtshilfe in Schleswig-Holstein informiert. Die Vorsitzende des Hebammenverbands, Anke Bertram, war nicht an dem Fachgespräch beteiligt – hatte aber trotzdem eine Menge zu sagen.

25 Frühgeborene, die weniger als 1.250 g wiegen – diese Anzahl müssen Kliniken mindestens pro Jahr behandeln, damit sie die Versorgung mit den Krankenkassen abrechnen können. Diese Zahl gilt deutschlandweit seit Anfang des Jahres. Bisher lag diese sogenannte Mindestmenge bei 14, in einer Übergangsphase zuletzt bei 20 Fällen pro Jahr. Diese Änderung war Thema in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Kieler Landtags. Denn wie wirkt sich das auf die Geburtskliniken in Schleswig-Holstein aus, und was muss sich künftig ändern?

In Schleswig-Holstein gibt es derzeit fünf sogenannte Level-1-Kliniken – in Flensburg, Kiel, Heide, Itzehoe und Lübeck. Das bedeutet, dass diese Kliniken auch auf Risikoschwangerschaften und Risikogeburten sowie sehr kleine Frühgeborene spezialisiert sind. Die neue Mindestmenge werde in Itzehoe allerdings nicht erreicht, so Claudia Straub, Leiterin der Landesvertretung des Verbandes der Ersatzkassen. Deshalb werde der Standort künftig wohl zur Level-2-Klinik. Für Straub kein Grund zur Sorge. Diese Änderung betreffe schließlich nur »die ganz, ganz kleinen Frühchen«, und die Fallzahlen seien gering. »Es ist dann auch das kleinere Übel, wenn die Klinik zwar nicht ganz wohnortnah ist, die Qualität dafür aber gut ist«, sagt sie.

Wichtig sei auch, die Zusammenarbeit mit Hamburg weiter zu stärken, sind sich die Vertreter:innen der Krankenkassen einig. Ein Wort, das während der Sitzung immer wieder fällt, ist »Zentralisierung«. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer, verweist in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf Portugal. Dort habe es in den vergangenen Jahren die höchste Totgeburtenrate Europas gegeben. »Mittlerweile haben sie eine niedrigere Totgeburtenrate als Deutschland – nur aufgrund von Zentralisierung.« Heiner Garg (FDP), ehemaliger Gesundheitsminister, fasst zusammen: »Qualität muss gerade bei komplexeren Leistungen der Maßstab sein«.

Nicht an dem Fachgespräch beteiligt ist Anke Bertram, Vorsitzende des Hebammenverbandes. Sie sitzt stattdessen im Zuschauerbereich, schüttelt bei vielen Aussagen der Krankenkassen-Vertreter:innen bloß den Kopf. »Es wird alles in einen Topf geschmissen«, kritisiert sie, »dabei muss bei diesem Thema differenziert werden«.

Im Bereich der Geburtsmedizin, also wenn Ärzt:innen die Geburt begleiten, sei sie »voll dabei, dass wir da zentralisieren«. Ein anderer Bereich werde aber bei der Diskussion zu sehr außer Acht gelassen – die Geburtshilfe. Das seien jene Geburten, bei denen kein:e Ärzt:in hinzugezogen werden muss. Diese könnten ausschließlich von Hebammen betreut werden, so Bertram. Sie sagt: »Ein gesundes Kind braucht keine High-Tech-Ausstattung. Viel wichtiger ist die Eins-zu-Eins-Betreuung.«

Gezeigt habe ihr die Diskussion vor allem eins: »Wir müssen dringend reden.« Sie fordert einen Paradigmenwechsel. Wenn Kreißsäle geschlossen werden, müsse es erst ein Konzept dafür geben, wie es danach weitergeht und nicht andersherum. Ein Negativbeispiel sei die Geburtsklinik in Preetz, wo der Kreißsaal im vergangenen Jahr geschlossen werden musste. »Wir haben so viele examinierte Hebammen, aber wo sind sie?«, fragt Bertram. Die Arbeitsbedingungen seien zu unattraktiv.

Das soll sich in Zukunft ändern, fordert Aurelia Hayward. Sie ist seit Dezember 2023 Koordinatorin der Hebammenversorgung in Schleswig-Holstein. Eine Stelle, die neu geschaffen wurde und als »Bindeglied zwischen Universität und Ministerium« gelten soll, so Hayward. In einem ersten Schritt möchte sie jetzt herausfinden, wie viele ausgebildete Hebammen es überhaupt im Land gibt. Sobald es dazu genaue Zahlen gebe, könne sie auch besser Verbesserungsvorschläge machen, hofft Hayward.

Quelle: sh:z Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, 12.1.2024 · DHZ

Rubrik: Regionales

Erscheinungsdatum: 15.01.2024