Randomisiert-kontrollierte Studie aus Spanien

Blut aus der pulsierenden Nabelschnur entnehmen

  • Die arteriellen Blutgaswerte sind bei einem späten Abnabeln signifikant höher, wenn sie vor Ende des Auspulsierens der Nabelschnur abgenommen werden.

  • Nach der Geburt eines Kindes können verschiedene Techniken des Abnabelns angewandt werden: Das frühe Abnabeln erfolgt innerhalb der ersten 30 Sekunden nach der Geburt, ein verzögertes Abnabeln zwischen 30 und 60 Sekunden post partum und ein spätes Abnabeln nach dem Auspulsieren der Nabelschnur. Das späte Abnabeln wird derzeit als respektvolles Vorgehen bei der Begleitung physiologischer Geburtsverläufe von verschiedenen Seiten empfohlen, unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation.

     

    Aussagen zum pH-Wert und Basenüberschuss

     

    In Abhängigkeit zum Zeitpunkt des Abnabelns kann die Abnahme der Blutgaswerte aus der kindlichen Arterie der Nabelschnur zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen. Den Ergebnissen dieser Untersuchung kommt ein hohes Maß an praktischer und auch juristischer Relevanz zu, denn sie liefern Aussagen zum pH-Wert und Basenüberschuss (Base Excess = BE). Sie geben Hinweise auf den Stress, dem ein Kind während der Geburt ausgesetzt war. Retrospektiv können sowohl Rückschlüsse auf den Verlauf und das Management einer Geburt gezogen, als auch anhand der gewonnenen Outcome-Parameter Therapieempfehlungen für die weitere Betreuung des Neugeborenen gegeben werden.

    Ein spanisches Forscher:innen-Team unter Leitung der Hebamme Francisca Camacho-Morell hinterfragte unter diesen Gesichtspunkten, ob und wie sich die Blutgaswerte in Bezug zum zuvor durchgeführten Procedere des frühen, späten und verzögerten Abnabelns verhalten.

    Sie führten eine randomisiert-kontrollierte Studie in einem spanischen Universitätskrankenhaus (Valencia) unter 122 reifgeborenen Säuglingen durch, deren Geburt zwischen Februar 2020 und Januar 2021 stattfand. Dabei wurde bei allen Geburten spät nach dem Auspulsieren der Nabelschnur abgenabelt. Bei Säuglingen der experimentellen Gruppe wurden jedoch zwei Blutentnahmen durchgeführt: Die ergänzende Blutentnahme erfolgte direkt nach der Geburt vor dem Abklemmen und Abnabeln während des Pulsierens der Nabelschnur. Bei Säuglingen der Kontrollgruppe wurde die Blutentnahme lediglich nach der vollständigen Auspulsation der Nabelschnur durchgeführt.

     

    Ergebnisse und Resümee

     

    Die Ergebnisse zeigten auf, dass sowohl die Werte für den pH-Wert als auch den Basenüberschuss in der experimentellen Gruppe signifikant höher waren, wenn die Blutentnahme direkt während des Pulsationsprozesses durchgeführt wurde. In der experimentellen Gruppe betrug der durchschnittliche pH-Wert direkt nach der Geburt 7,24 und nach der Auspulsation der Nabelschnur 7,22. Der durchschnittliche Base-Excess lag direkt nach der Geburt bei -4,08 und nach der Auspulsation bei -5,09. Das Forscher:innenteam berichtet ergänzend von der Erfahrung aus der Praxis, dass es nicht zu einer verstärkten Blutung kam, wenn während des Pulsationsprozesses die arterielle Nabelschnur-Blutentnahme durchgeführt wurde.

    Die Autor:innen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass die arteriellen Blutgaswerte bei einem späten Abnabeln signifikant höher sind, wenn sie vor Ende des Auspulsierens der Nabelschnur abgenommen werden. Die arterielle Blutgasentnahme vor der vollständigen Auspulsation erachten sie als sicher, da keine Komplikationen oder Nebenwirkungen auftraten. Sie empfehlen daher bei der Begleitung physiologischer Geburten ein spätes Abnabeln unter der Methode der frühen Blutgasentnahme während der Pulsation der Nabelschnur.

    Quelle: Camacho-Morell, F., Mateu-Ciscar, C., Moreno-Vera, M. Á., Romero-Martín, M. J., & Marcos-Valenzuela, G. M. (2023). Arterial blood gases in newborn infants: Early extraction without prior clamping versus extraction after delayed clamping. Midwifery, 119, 103635. https://doi.org/10.1016/j.midw.2023.103635 ∙ Beate Ramsayer/DHZ

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 23.05.2023