Systematisches Review und Metaanalyse in Hochrisikoländern

Einmalige Tuberkuloseimpfung genügt nicht

  • Eine im Säuglingsalter verabreichte Tuberkuloseimpfung schützt nicht lebenslang. Daher wird in Ländern mit hohem Risiko empfohlen, die Impfung im Laufe des Lebens aufzufrischen.

  • Der BCG-Tuberkulose-Impfstoff (nach seinen Entdeckern benannt als Bacillus Calmette-Guérin) ist etwa 100 Jahre alt und einer der am weitesten verbreiteten Impfstoffe. Weltweit wird dieser pro Jahr bei etwa 100 Millionen Kindern bei der Geburt verabreicht. Da bisher unklar ist, wie lange die Wirksamkeit der BCG-Impfung anhält, haben amerikanische Forschende anhand eines systematischen Reviews und Metaanalyse untersucht, inwieweit der Impfschutz bis ins Erwachsenenalter reicht.

    Es wurden 26 Kohortenstudien aus den Jahren 1998 bis 2018 aus 17 Ländern (n=68.552) berücksichtigt. Ausgeschlossen wurden zum Beispiel Studien aus Ländern, in denen die BCG-Impfung bei der Geburt nicht empfohlen werden. Die Studienautor:innen betonen, dass alle Kohortenstudien aus Gebieten mit hoher Tuberkuloseinzidenz wie Indien, Südafrika, China, Vietnam, Indonesien, Uganda, Gambia und Brasilien stammten und somit eine Bewertung der Wirksamkeit der BCG-Impfung gegen Tuberkulose aus einer breiten Auswahl von Ländern mit hoher Belastung ermöglichten.

    Stratifiziert nach Altersgruppen schützte die BCG-Impfung Kinder unter drei Jahren mit einer
    42-%-igen Wirksamkeit gegen Lungen-Tuberkulose und alle Kinder unter fünf Jahren signifikant gegen alle Formen der Tuberkulose. Der Schutz vor allen Formen der Tuberkulose einschließlich Lungentuberkulose war in der weiblichen Kohorte größer als in der männlichen Kohorte.

    In vier Studien (n=18.175) waren Mortalitätsdaten verfügbar, darin schützte die BCG-Impfung signifikant vor Tod bis zu einem Alter von 14 Jahren. Bei Jugendlichen und Erwachsenen war der Impfschutz nicht mehr ausreichend vorhanden, woraus sich die ähnlich hohen Raten an Tuberkulosefällen bei den Geimpften- und Ungeimpften-Kohorten erklären lassen, erläutern die Autor:innen.

    »Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass über 85 % der Tuberkulosefälle bei Erwachsenen auftreten,« erklärte Christoph Lange vom Forschungszentrum Borstel, Leiter des Klinischen Tuberkulose-Zentrums am DZIF und einer der Autoren der Studie. »Nur durch neue Impfstoffe, die auch Jugendliche und Erwachsene effektiv vor einer Tuberkulose schützen, kann die Prävention der Krankheit entscheidend verbessert werden.«

    Die Ergebnisse des Reviews deuten darauf hin, dass die BCG-Impfung bei der Geburt wirksam ist, um Tuberkulose bei Kindern zu verhindern, aber bei Jugendlichen und Erwachsenen eine unzureichende Wirksamkeit bietet. Daher plädieren die Studienautor:innen dafür, den Impfschutz bei älteren Bevölkerungsgruppen aufzufrischen. Derzeit befinden sich mehr als zehn Kandidatenimpfstoffe gegen Tuberkulose in der klinischen Forschung.

    Quelle: Fox, G.J. el al. (2022). Infant BCG vaccination and risk of pulmonary and extrapulmonary tuberculosis throughout the life course: a systematic review and individual participant data meta-analysis. The Lancet, doi: 10.1016/s2214-109x(22)00283-2 ∙ aerzteblatt.de, 29.8.2022 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 30.08.2022