Aktueller wissenschaftlicher Stand

Empfehlungen zur Schwangerschaft und Geburt bei einer Sars-CoV-2-Infektion

  • Sars-CoV-2-infizierten Müttern wird das Tragen einer Maske und das Vermeiden von Schleimhautkontakt mit dem Baby empfohlen.

  • Mehrere Fachgesellschaften – die Federführung lag bei der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) – passen ihre eigenen nationalen Empfehlungen zur Schwangerschaft und Geburt im Falle einer Sars-CoV-2-Infektion dem aktuellen Wissensstand an:

    Weder gibt es Hinweise für ein erhöh­tes Infektionsrisiko, noch dafür, dass das Risiko für einen schwereren Verlauf erhöht wäre. Für Schwangere genügen die allgemeinen Schutzmaßnahmen und die Symptome sind ähnlich wie bei nicht schwangeren Frauen im gebärfähigen Alter, wobei Fieber und Hus­ten dominieren.

    Ob es vermehrt zu Komplikationen, etwa einer erhöhten Frühgeburtlichkeit in der Schwan­gerschaft kommt, lässt sich nicht mit Sicherheit ausschließen. Aus der ersten Auswertung der britischen UKOSS-Registerdaten lässt sich eine Frühgeburtsrate von 25 % ableiten, wobei vier Fünftel iatrogen bedingt war, um wegen der Beeinträchti­gung der Mutter die Entbindung vorzuverlegen. Allein in 12 % war dies der mütterlichen respiratorischen Beeinträchtigung geschul­det. Nach wie vor ist ungewiss, ob es eine intrauterine Transmission des Virus von der Mutter auf das Ungeborene gibt.

    Die praktischen Empfehlungen, die die Gesellschaften daraus im Einzelnen ableiten, lassen individuelle Abweichungen zu, etwa beim Mundschutz der Gebärenden: dieser wird für die infizierte Schwangere grundsätzlich empfohlen, auch für eine (nicht infizierte) Be­gleitperson, es soll aber die Sauerstoffversorgung der Schwangeren überprüft werden.

    Wichtig ist der Eigenschutz des Personals, um sich vor Ansteckung zu schützen. Bereits jetzt wird der Personalmangel in manchen Geburtskliniken dadurch verschärft, dass He­bammen, die selbst schwanger sind, aus Arbeitsschutzgründen zu Hause bleiben müssen. Jeder weitere Ausfall durch infizierte MitarbeiterInnen soll daher ver­mieden werden.

    Infizierte Schwangere sollten ein intensives Monitoring mit Ultraschall erhalten, wenn nö­tig auch mittels erweiterter sonografischer Feindiagnostik. Alle Schwangeren, die sta­tionär aufgenommen werden, sollten eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin erhalten – ob sie nun nachgewiesen oder erst einmal nur vermutet Sars-CoV-2 positiv sind. Außerdem wird empfohlen, diese Prophylaxe bis zu 10 Tage nach der Ent­lass­ung fortzuführen.

    Bislang bekam international die Mehrzahl (70 % bis 96 %) der Sars-CoV-2 infizierten Schwangeren per Kaiserschnitt ihr Kind. Dies sei gerade in der Anfangszeit der Pandemie auf die Unsicherheit in Bezug auf den Verlauf bei Schwangeren und unter der Geburt zurückzuführen gewesen, so die Einschätzung der Fachgesellschaften. Dennoch wird gemäß internationalem Konsens Sars-CoV-2-infizierten Müttern zu einer natürlichen Geburt geraten. Allerdings ist zum Beispiel eine Wassergeburt kontraindi­ziert, da Kontakt zu Stuhl, der bei einer solchen Geburt das Wasser kontaminieren kann, vermieden werden sollte. Sars-CoV-2 kann nachweislich in Faeces vorkommen, der Nachweis im Vaginalsekret ist weniger gesichert.

    Eine Amniotomie oder das Anbringen einer Kopfschwartenelektrode zur Überwachung der fetalen Herzfrequenz sind daher bei einschlägiger Indikation zugelassen. Was die Anal­gesie angeht, so besteht unter anderem keine Kontraindikation für eine Regional­anästhesie wie die PDA während einer Geburt. Lachgas lehnen die hiesigen Empfehlungen ab, während die britische Fachgesellschaft hier keine Kontraindikation sieht, wenn Einmalmasken und personenbezogenen Filter Verwendung finden.

    Zwar wird die Trennung des Neugeborenen von einer infizierten oder auch symptomatisch erkrankten Mutter als nicht erforderlich angesehen, dennoch wird das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes der Mutter empfohlen. Beim Haut-zu-Haut Kontakt zwischen beiden sollten Hygieneregeln eingehalten werden – neben Händedesinfektion und dem Tragen einer Maske sollte zudem kein Schleimhautkontakt stattfinden, explizit nicht geküsst werden. Es kann aber individuell abgewogen werden, inwieweit hier der wichtige frühe Kontakt, das Bonding, eingeschränkt werde, heißt es.

    Die Empfehlungen sind etwas widersprüchlich, denn ausdrücklich wird – auch unter Berufung auf die WHO – der „unmittelbare Mutter-Kind-Kontakt“ durchaus befür­wortet. Hier erinnern die Empfehlungen an die alte, von juristischer Absicherung ge­präg­te Vorgängerversion, die bereits seinerzeit unter anderem von Hebammen als wenig praktikabel kritisiert worden ist.

    Quelle: Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Deutsche Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM), Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI): Aktualisierte Empfehlungen zu SARS-CoV-2/COVID-19 und Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. dgpm-online 2020. https://www.dgpm-online.org/fileadmin/media/publikation/2020-06-30_Aktualisierte_Empfehlungen_SARS-CoV-2_COVID-19.pdf · aerzteblatt.de, 2.6.2020 · DHZ

    Rubrik: Covid-19 Praxis

    Erscheinungsdatum: 03.07.2020