Randomisiertes In-vitro-Experiment

Sorgt Xylocain-Spray für eine vorzeitige Auflösung des Nahtmaterials?

  • Vorbereitung des Nahmaterials mit chirurgischen Knoten. Später wird es in Reagenzgläser mit verschiedenen Anästhetika eingebracht. Am Ende erfolgt der Test auf Zugfestigkeit des Knotens.

  • Die chirurgische Versorgung geburtshilflicher Verletzungen betrifft den Großteil aller Gebärenden nach einer vaginalen Geburt: Sie erfolgt bei mehr als 80 % aller erstgebärenden und bis zu 50 % aller mehrgebärenden Frauen. Das Ziel der chirurgischen Versorgung von Geburtsverletzungen besteht darin, die Wundränder so zu adaptieren, dass diese aneinander heilen können.

    Verschiedene Einflussfaktoren beeinflussen die Wundheilung, beispielsweise Infektionen oder Bewegung beziehungsweise Mobilität der Frau während der Postpartalzeit. Zudem kommt dem verwendeten Nahtmaterial eine große Bedeutung zu: Löst sich resorbierbares Nahtmaterial zu rasch auf, kann es dazu führen, dass die Geburtsverletzung nicht heilt, sondern erneut auseinanderklafft und eine Sekundärnaht erforderlich wird.

    Um Geburtsverletzungen schmerzfrei chirurgisch zu versorgen, kommen verschiedene Methoden der Anästhesie zur Anwendung, beispielsweise wirkstoffhaltige Sprays oder Gele.

    In diesem Zusammenhang wurde kürzlich eine Studie durchgeführt, in der untersucht wurde, ob die Anwendung verschiedener Substanzen die Zugfestigkeit von schnell resorbierbarem Nahtmaterial verändern kann.  Welchen Einfluss auf die Zugfestigkeit haben die Verwendung von Xylocain Spray (mit Ethanol 96%), Xylocain Gel 2 %, Ethanol 96 % oder NaCl-Lösung (9 mg/ml)? Lässt sich eine mögliche Verringerung der Stabilität des Nahtmaterials über das Vorhandensein von Ethanol im Xylocain-Spray erklären? Untersucht wurde der Einfluss dieser Substanzen auf schnell resorbierbares Nahtmaterial Polyglactin 910 (Ethicon Vicryl Rapide, 26mm Nadellänge, Steril 3-0), das im Normalfall 50 % der Zugfestigkeit nach 5 Tagen und seine gesamte Stabilität nach 10 bis 14 Tagen verliert.

    Bei 120 Proben des Nahtmaterials Polyglactin 910 (Vicryl Rapide) wurden chirurgische Knoten angebracht. Diese vorbereiteten Nahtstücke wurde in vier Gruppen aufgeteilt und anschließend mit Xylocain Spray, Xylocain Gel, Ethanol oder isotonischer Kochsalzlösung imprägniert. Die imprägnierten Nähte wurden in verschlossenen Glasröhrchen im Wärmeschrank bei 37 Grad für 72 Stunden gelagert, um darüber die Köpertemperatur zu simulieren. Anschließend wurde die Zugfestigkeit aller Proben mit einer Universal Zugprüfmaschine bewertet und die maximale Kraft zum Zerfallen der Nähte in Newton (N) aufgezeichnet.

    Es zeigte sich, dass die Nähte nach unterschiedlicher Imprägnierung unterschiedliche Zugfestigkeiten hatten. So waren für ein Zerfallen des Nahtmaterials notwendig (in der Maßeinheit Newton/N):

    • 11,40 N nach einer Imprägnierung mit Xylocain Spray
    • 11,86 N nach einer Imprägnierung mit Ethanol
    • 13,28 N nach einer Imprägnierung mit NaCl
    • 13,81 N nach einer Imprägnierung mit Xylocain Gel 2 %

    Die Autor:innen fassen zusammen: Die Ergebnisse dieses In-vitro-Experiments zeigen auf, dass Ethanol und Xylocain Spray die Zugfestigkeit von schnell resorbierbarem Polyglactin 910-Nahtmaterial (Vicryl rapide) abschwächen. Sie geben zu bedenken, dass Xylocain Spray Ethanol enthält, was eine frühzeitige Resorption des Nahtmaterials begünstigen und damit ein erneutes Auseinanderklaffen zunächst adaptierter Wundränder bewirken kann.

    Die Autor:innen empfehlen daher Achtsamkeit bei der Naht von Geburtsverletzungen mit schnell resorbierbarem Nahtmaterial Polyglactin 910 und der gleichzeitigen Verwendung von Xylocain Spray.

    Quelle: Jannati, P., Sørensen, C. A., Gommesen, D., Glavind-Kristensen, M., Seehafer, P., Kindberg, S. F., & Hjorth, S. (2024). The effect of Xylocaine spray on suture material degradation. International journal of gynaecology and obstetrics: the official organ of the International Federation of Gynaecology and Obstetrics, 10.1002/ijgo.15377. Advance online publication. https://doi.org/10.1002/ijgo.15377∙ Beate Ramsayer/DHZ

     

    Rubrik: Wochenbett

    Erscheinungsdatum: 19.02.2024