Narkosen bei Babys und Kleinkindern: Keine verminderte Intelligenz
Das unreife Gehirn eines Säuglings- oder Kleinkinds ist besonders vulnerabel gegenüber Noxen. Vor diesem Hintergrund gehen Christina Schüttler, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, und ein Co-Autor:innenteam im Deutschen Ärzteblatt der Frage nach, ob Narkosen bei Kindern die kognitiven Fähigkeiten langfristig beeinflussen.
In ihre Studie (ANFOLKI-36) schloss das Autor:innenenteam reif geborene Kinder der Geburtsjahrgänge 2007 bis 2011 ein, die innerhalb der ersten drei Lebensjahre mindestens einmal narkotisiert worden waren. Die kognitive Leistungsfähigkeit ermittelten die Forscher:innen prospektiv anhand eines standardisierten Tests und verglichen sie mit der einer Kontrollgruppe ohne Anästhetikaexposition.
Primärer Endpunkt war der Gesamt-Intelligenzquotient (IQ). Es konnten 430 vollständige Datensätze der exponierten Kinder und 67 Datensätze der Kontrollgruppe ausgewertet werden. Beide Gruppen übertrafen den Erwartungswert von 100 IQ-Punkten. Während die exponierte Gruppe einen mittleren IQ von 108,2 erreichte, lag der Wert der Kontrollgruppe bei 113. Adjustiert nach Sozialstatus, Alter und Geschlecht wies die Gruppe mit Anästhetika-Exposition im direkten Vergleich zur Kontrollgruppe eine statistisch signifikante Differenz von 2,9 IQ-Punkten auf.
Der Gesamt-IQ der getesteten Patient:innen lag jedoch über dem normierten Mittelwert des Tests von 100. Dies deutet nach Ansicht der Autor:innen darauf hin, dass eine Narkose im frühen Kindesalter im Durchschnitt nicht mit einer verminderten Intelligenz im späteren Verlauf assoziiert ist.
In Deutschland machen Anästhesien für diagnostische Untersuchungen oder therapeutische Eingriffe bei Kindern innerhalb der ersten fünf Lebensjahre mit geschätzt 400.000 Narkosen ungefähr 2 % der jährlich stattfindenden Anästhesieverfahren aus.
Quelle: Schüttler C et al.: General Anesthesia in the First 36 Months of Life – a Study of Cognitive Performance in Children Aged 7-11 Years (ANFOLKI-36). Dtsch Arztebl 2021. 118: 835–41. doi: 10.3238/arztebl.m2021.0355. www.aerzteblatt.de/archiv/222388/Narkosen-in-den-ersten-36-Lebensmonaten ∙ aerzteblatt.de, 9.12.2021 ∙ DHZ