Metaanalysen der WHO

Bei Masernepidemie Säuglinge unter 9 Monaten impfen

  • Das Vorziehen der ersten Masernimpfung vor den 9. Lebensmonat könnte Säuglinge im Fall einer Epidemie vor einer Erkrankung schützen.

  • Das Vorziehen der ersten Masernimpfung vor den 9. Lebensmonat soll Säuglinge im Fall einer Epidemie vor einer Erkrankung schützen. Die Effektivität der Impfung sinkt jedoch bei einem frühen ersten Impftermin, so dass mehr Kinder bis zum zweiten Impftermin gefährdet wären. Die Effektivität der zweiten Impfung bleibt allerdings bei einer früheren ersten Impfung erhalten. Dies zeigen zwei von der WHO beauftragte Metaanalysen, die jetzt in Lancet Infectious Diseases veröffentlicht wurden.

    Lange gingen ImpfexpertInnen davon aus, dass Säuglinge vor dem 9. Lebensmonat vor einer Masernerkrankung durch die Antikörper geschützt sind, die sie von ihrer Mutter vor der Geburt über die Plazenta bekommen haben. Dies traf jedoch nur so lange zu, wie die Mütter ihre Immunität einer Maserninfektion verdankten. Die Impfung, die in den 1970er-Jahren eingeführt wurde, erzeugt jedoch eine schwächere Immunität als eine Masernerkrankung und damit sinkt die Menge der Antikörper, die die Säuglinge in den ersten Monaten schützen.

    In Masernepidemien erkranken deshalb immer wieder Säuglinge im Alter von weniger als 9 Monaten. Die WHO rät mittlerweile, bei Ausbrüchen Säuglinge vor dem 9. Lebensmonat zu impfen. Wenn keine erhöhte akute Infektionsgefahr besteht, bleibt es bei den normalen Terminen für die erste Impfung – in Deutschland 11. bis 14. Lebensmonat.

    Die Begründung für die differenzierte Empfehlung ergibt sich aus den Daten einer Metaanalyse, die ein Team um Susan Hahné vom Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu in Bilthoven bei Utrecht durchgeführt hat. Die ForscherInnen fanden heraus, dass die erste Impfung nur etwa 50 % der Säuglinge schützt, wenn sie im Alter von vier Monaten erfolgt. Kinder, die im Alter von acht Monaten geimpft wurden, waren zu 85 % vor einer Erkrankung gefeit. Das Immunsystem des Säuglings ist in den ersten Lebensmonaten nur begrenzt in der Lage, die für eine Infektionsabwehr erforderlichen Antikörper-Titer zu produzieren.

    Die frühe Impfung scheint jedoch sicher zu sein. Unter 3.484 Säuglingen, die vor dem 9. Lebensmonat geimpft wurden, gab es keine schweren Impfkomplikationen. Die Fallzahl ist laut Hahné allerdings noch zu gering, um ein selteneres Auftreten von schweren Impfkomplikationen sicher auszuschließen.

    Weitere Bedenken betrafen die Frage, ob eine zu frühe Impfung möglicherweise die Effektivität der zweiten Impfung beeinträchtigt. Die Kinder hätten dann auf Dauer ein erhöhtes Risiko, an Masern zu erkranken.

    Diese Gefahr besteht nach einer weiteren Metaanalyse der niederländischen ForscherInnen nicht. Die Seropositivität, also der Anteil der Kinder, die Antikörper bildet, betrug nach der zweiten Impfung auch dann 98 %, wenn die erste Impfung vor dem 9. Lebensmonat verabreicht wurde.

    Nic Lochlainn LM et al.: Immunogenicity, effectiveness, and safety of measles vaccination in infants younger than 9 months: a systematic review and meta-analysis. The Lancet Infectious Diseases 2019. doi: 10.1016/S1473-3099(19)30396-2 und 30395-0 aerzteblatt.de, 23.9.2019 DHZ

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 27.09.2019