Der auffällige Nabel

Wenn bei Neugeborenen der Nabel nicht unauffällig verheilt, sind die Eltern verunsichert. Die meisten Fragen und Probleme lassen sich schnell und einfach lösen. Aber bei einigen Krankheitsbildern müssen die Kinder in der Kinderchirurgie untersucht und gegebenenfalls behandelt werden. Patrick Volk

Die Nabelschnur bildet sich zwischen der vierten und achten Schwangerschaftswoche aus dem von Amnion umschlossenen Haftstiel und dem Ductus omphaloentericus (Dottergang). Daher enthält sie primär nicht nur den Ductus omphaloentericus, sondern in der achten Woche auch die sogenannte Allantois, aus der sich später der Urachus entwickelt, sowie die Nabelvene und die Nabelarterien. Nach etwa drei Monaten kommt es zum physiologischen Nabelbruch und ein Teil des Darmes entwickelt sich außerhalb des Feten. Im dritten Schwangerschaftsmonat degeneriert in der Regel der Ductus omphaloentericus, während die Allantois sich nach dem vierten Monat verschließt.

 

Angeborene Bauchwanddefekte

 

Omphalozele

 

Bei ungefähr jedem 4.000. Neugeborenen besteht auch nach der Geburt ein zentraler großer Nabelringdefekt mit Hervortreten von Darm und eventuell auch anderen Bauchorganen (Leber) in die Nabelschnur, die sogenannte Omphalozele. Jungen sind davon häufiger betroffen als Mädchen. Die hernierten Organe sind bei diesen Neugeborenen von einer Membran bedeckt (siehe Abbildung 1). Omphalozelen sind häufig mit weiteren Fehlbildungen assoziiert: Atresien im Darmbereich (Dünndarm, Dickdarm, Anus), Herzfehlbildungen oder Trisomien.

 

Abbildung 1: Eine Omphalozele kommt etwa bei jedem 4.000 Neugeborenen vor.

In der Regel ist der operative Verschluss, der direkt nach der Geburt oder sekundär erfolgen kann, die geeignete Therapie. Dies hängt von der Größe der Omphalozele ab. Die ausgetretenen Organe müssen in den Bauchraum passen, ohne hier eine zu starke Druckerhöhung zu verursachen, die dann wiederum die Durchblutung des Darmes, aber auch der unteren Extremitäten und damit des ganzen Kindes beeinflussen würde. Beim primären Verschluss wird der Omphalozelensack komplett entfernt. Nach manueller Dehnung der Bauchwand und Rückverlagerung der Eingeweide in den Bauchraum werden Muskelfaszie und Bauchwand darüber verschlossen.

Ist der primäre Verschluss nicht möglich, kann der Omphalozelensack zusätzlich durch einen Kunststoffbeutel geschützt werden (siehe Abbildung 2). Dieser wird aufgehängt, so dass die Eingeweide in den nächsten fünf bis zehn Tagen Schritt für Schritt in das Abdomen zurückgleiten können. Daraufhin kann dieses verschlossen werden wie beim Primärverschluss. Die Prognose ist für die eigentliche Operation und den Verschluss der Bauchwand sehr gut. Sie wird im Wesentlichen bestimmt von den Begleitfehlbildungen.

 

Abbildung 2: Omphalozele mit sichtbarer darin befindlicher Leber und Darm

 

Gastroschisis

 

Auch ein weiterer Bauchwanddefekt wird meist im pränatalen Ultraschall schon erkannt: die Laparo- oder Gastroschisis. Hier ist die Bauchwand immer rechts des Nabels eröffnet, bei unauffälliger Nabelschnur (siehe Abbildungen 3 und 4). Eine Gastroschisis kommt fast doppelt so häufig vor wie die Ompahalozele. Ihre Ursache ist nicht geklärt. Da sie aber später in der Schwangerschaft auftritt, sind Begleitfehlbildungen deutlich seltener. Andererseits sind Fehlbildungen im Bereich des Darmes dabei häufiger anzutreffen, da die Abdominalorgane frei – ohne schützende Mem­bran – im Fruchtwasser schwimmen. Die Amnionflüssigkeit ist mit einem pH von 7,0 sehr aggressiv und führt zu einer chemischen Schädigung des Darmes und des Bauchfelles.

 

Abbildung 3: Gastroschisis

 

Abbildung 4: Gastroschisis postoperativ

Ebenso wie die Kinder mit einer Omphalozele, sollten die Kinder mit einer Gastroschisis in einem Pränatalzentrum mit kinderchirurgischer Abteilung zur Welt kommen. Nach der Geburt sollte der Magen über eine Sonde entlastet werden, die Blase über einen Katheter. Ganz wichtig ist, die Bauchorgane steril einzupacken, ohne dass sie abknicken oder sich verdrehen können. Ebenso ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten und eine Therapie mit Antibiotika einzuleiten.

Der Verschluss kann auch hier sekundär erfolgen. Das heißt, dass die Bauchorgane primär in einen sterilen Sack eingepackt werden und dann mittels Schwerkraft langsam in den Bauch zurückgleiten. Viel häufiger erfolgt aber eine primäre operative Therapie, bei der Darm und Bauchorgane nach ausgiebiger Säuberung in den Bauchraum verlagert werden. Dieser kann dann direkt verschlossen werden, sofern die Druck- und Durchblutungsverhältnisse im Bauch das zulassen. Zuvor müssen Fehlbildungen im Darmbereich ausgeschlossen oder gegebenenfalls behandelt werden. Auch hier ist die Prognose hinsichtlich der eigentlichen Erkrankung sehr gut. Allerdings ist der Darm in der Regel durch die Amnionflüssigkeit so stark entzündlich verändert, dass der Kostaufbau mehrere Tage bis Wochen dauern kann.

 

Nabelbruch

 

Beim Nabelbruch, dem „kleinen Bruder" der Omphalozele, ist der Nabel primär verschlossen, ebenso die Haut (siehe Abbildungen 5 und 6). Es kommt also nicht zur Sekretabsonderung. Allerdings ist der Verschluss des Nabelringes nach dem Ende der Schwangerschaft ausgeblieben, so dass hier unter der Haut das Bauchfell und der Darm hervortreten können. Bei bis zu 15 Prozent aller Kinder findet sich eine sogenannte Hernia umbilicalis, gehäuft bei frühgeborenen Kindern. Bei Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm sind sogar bis zu 80 Prozent betroffen. Der Nabelbruch fällt möglicherweise nur beim Pressen und Schreien auf. Ein Einklemmen und Absterben des Darmes ist extrem selten. Sollte es allerdings zu einem verhärteten – nicht reponiblen – Bruch kommen, muss das Neugeborene zügig in der Kinderchirurgie vorgestellt werden, da sonst die Durchblutung des Darmes abgeschnürt werden kann.

 

Abbildung 5: Nabelbruch

 

Abbildung 6: Zustand nach Nabelhernien-Operation

Interessanterweise gibt es keine genauen Längsstudien, die den Verlauf von Nabelhernien untersucht haben. Man geht heute davon aus, dass sich alle kleineren Nabelhernien bis zu einem Durchmesser von 1,5 Zentimeter bis zum siebten Lebensjahr spontan verschließen. Aber auch größere Nabelbrüche verschließen sich in der Regel von selbst, wahrscheinlich bei bis zu 90 Prozent der PatientInnen. Eine Indikation zur OP besteht also nur bei den wenigen symptomatischen Hernien, eventuell bei sehr auffälligem Erscheinungsbild. In der Kinderchirurgie des Uniklinikums Heidelberg erfolgt die Operation in der Regel vor dem Schuleintritt.

 

Der nässende Nabel

 

Nach dem Abnabeln fällt der Nabelstumpf in der zweiten Woche nach der Geburt ab und hinterlässt eine granulierende Wunde, die innerhalb weniger Tage epithelialisiert. Wenn der Nabel nach dem 14. Lebenstag weiterhin Sekret absondert, gibt es folgende mögliche Ursachen:

  • erworben
  • Nabelentzündung
  • Nabelgranulom
  • angeboren
  • persistierender Ductus urachus
  • persistierender Ductus omphaloentericus.

Die Nabelentzündung (Omphalitis) ist in Deutschland nur noch sehr selten zu sehen, da sie in der Regel in Verbindung mit schlechten hygienischen Verhältnissen auftritt. Es handelt sich um eine Rötung und Schwellung des Nabelringes mit eitriger Sekretion, die meist durch den typischen Hauptkeim Staphylokokkus aureus hervorgerufen wird. Die Therapie besteht in einer antiseptischen Lokalbehandlung und einer Antibiotikagabe über die Vene, da die Gefahr der Ausbreitung der Bakterien über die Nabelgefäße besteht.

 

Nabelgranulom

 

Ist der Nabelstumpf nur ungenügend epithelialisiert, führt dies möglicherweise zu einem überschießenden Granulationsgewebe (siehe Abbildungen 7 und 8). Dieses sondert dann oft Sekret ab, teilweise über Wochen. Oft kann der natürliche Heilungsverlauf abgewartet werden. Doch Hebammen und KinderärztInnen kennen auch gut etablierte Therapien, wie die Behandlung mit Wecesin und Calendulalösung, die das Gewebe austrocknen und die Entzündung heilen. Sollte die Entzündung auf das umgebende Gewebe übergegriffen haben, empfiehlt sich eine antibiotische Behandlung.

 

Abbildung 7: Nabelgranulom

 

Abbildung 8: Nabelgranulom

Wenn die PatientInnen ins Krankenhaus kommen, da die anderen Therapien ausgereizt sind, führen wir in Heidelberg eine Ätzbehandlung mit Silbernitratstiften durch, die in aller Regel den erwünschten Austrocknungseffekt herbeiführt. Es ist dabei wichtig, dass das Sibernitrat nicht auf die umliegende, gesunde Haut aufgetragen wird. Sollte auch hier der Erfolg ausbleiben, empfehlen wir die chirurgische Exzision des Granulationsgewebes in Narkose und dabei den Ausschluss einer Fistel. Präoperativ sollte hier bereits im Ultraschall nach einer Fistel gesucht werden.

 

Persistierender Urachus

 

Auffälligkeiten des sogenannten Urachusganges, der ehemaligen Allantois, finden sich bei Jungen doppelt so häufig wie bei Mädchen. Dennoch sind sie insgesamt sehr selten – bei gesunden Kindern werden sie ungefähr bei jedem hunderttausendsten entdeckt (siehe Abbildung 10). Am häufigsten ist der Urachussinus (50 Prozent der Fälle), gefolgt von der Zyste des Urachus (30 Prozent) und dem persistierenden Urachusgang (15 Prozent). Sehr selten fällt ein urachales Divertikel an der Blase auf.

 

Abbildung 10: Persistierender Urachus

Diagnostisch fällt beim persistierenden Urachus die Entleerung von Urin am Nabel auf, manchmal ist ein Fistelgang zu sehen. Dieser kann mit einem Ultraschallgerät mit sehr guter Auflösung dargestellt werden, eventuell lässt er sich mit Kontrastmittel anspritzen und ist dann im Röntgen sichtbar. Ebenso stellt er sich bei einer Bauchspiegelung dar.

Da es hierbei wiederholt zu Entzündungen kommen kann und auch seltene Fälle von Adenokarzinomen beschrieben sind, bleibt nur die Operation. Dabei wird über einen Schnitt unterhalb des Nabels der Fistelgang so lange verfolgt, bis er am Blasendach abgetrennt und vernäht werden kann (siehe Abbildung 11).

 

Abbildung 11: Urachus mit Blasendach

 

Persistierender Ductus omphaloentericus

 

Dass sich die Verbindung des Darmes zum Nabel nicht wie gewöhnlich im dritten Schwangerschaftsmonat verschließt, ist sehr selten (siehe Abbildungen 12 bis 14). Der persistierende Ductus omphaloentericus tritt bei ungefähr einem von 20.000 Neugeborenen auf, davon ganz überwiegend bei Jungen (Verhältnis 7:1). Der Durchmesser der Fistel kann sehr unterschiedlich sein. Sie verläuft in der Regel senkrecht zur Bauchwand. Selten kann der Ductus auch nach außen prolabieren. Bei PatientInnen mit diesem Krankheitsbild müssen zusätzliche Fehlbildungen der Harnwege und des Darmes ausgeschlossen werden. Sie können in bis zu 30 Prozent der Fälle vorkommen. Bemerkbar macht sich der Ductus omphaloentericus selten über die Entleerung von Stuhl und Darmgasen über den Nabel oder durch einen sichtbaren Fistelgang. Als diagnostische Mittel sind wiederum Ultraschall, Röntgen mit Kontrastmittel oder die operative Bauchspiegelung in Erwägung zu ziehen.

 

Abbildung 12: Persistierender Ductus omphaloentericus: Fistel mit Zyste

 

Abbildung  13: Persistierender Ductus omphaloentericus Meckel-Divertikel

 

Abbildung 14: Persistierender Ductus omphaloentericus

 

Ausblick

 

Erkrankungen im Nabelbereich bedürfen nicht immer einer kinderchirurgischen Abklärung. In der Regel lassen sie sich gut mit konservativen Therapiemethoden behandeln. Allerdings sollten Kinder mit länger nässendem Nabel in der Klinik untersucht werden, um fortschreitende Infektionen zu vermeiden, tiefer liegende Probleme zu erkennen und dann eventuell chirurgisch behandeln zu können.

 

Fallbericht

 

Ein Junge wurde erstmals mit 13 Monaten bei uns vorgestellt. Nach unauffälliger Schwangerschaft, Geburt und postpartaler Entwicklung war mit acht Monaten zum ersten Mal Fieber aufgetreten. Eiter trat aus dem Nabel. Nachdem orale Antibiotika gegeben worden waren, waren die Symptome komplett rückläufig. Bei der ersten Vorstellung in der Kinderchirurgie war der Junge in gutem Allgemeinzustand, der Nabel war reizlos, lediglich am Nabelgrund war die Haut auffallend hell.

In der Sonografie der Bauchdecke ließ sich eine fistelartige Verbindung vom Bauchnabel nach innen in den Bauchraum ziehend erkennen, mit geringen Mengen von Flüssigkeit im Fistelgang und einer geringgradigen Wandverdickung. Der Rest der Sonografie war unauffällig. Nach dem sonografischen Verdacht auf einen persistierenden Ductus omphaloentericus führten wir die Operation durch. Dabei wurde ein sieben Zentimeter langer Ductus offenbar, der schließlich mit dem Ansatz am Darm entfernt werden musste. Die beiden Darmenden wurden wieder miteinander verbunden. Es kam nicht zu Komplikationen, so dass der Junge nach drei Tagen in gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden konnte (siehe Abbildungen 15 bis 18).

 

Abbildung 15: Nabel des 13 Monate alten Jungen

Abbildung 16: Ulltraschallbild der Bauchdecke

Abbildung 17: intraoperativer Befund

Abbildung 18: intraoperativer Befund Ductus omphaloentericus

Rubrik: Ausgabe 10/2015

Erscheinungsdatum: 21.12.2020

Literatur

AWMF: Leitlinie zu Bauchwanddefekten der Dt. Gesellschaft für Kinderchirurgie. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/006-042l_S1_Bauchwanddefekte_2012-01.pdf (letzter Zugriff: 4.8.2015) (2012)

Kinderchirurgische Sektion der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg: InfoLetter 10 zu Bauchwanddefekten der Kinderchirurgie Heidelberg. https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/Chirurgie/kinderchirurgie/101102KIN_IB_DG_9.KinderChirgurgie_ID7882_extern_VORSCHAU.pdf (letzter Zugriff: 4.8.2015) (2010)

Schier, F.: Vorlesung Nabelerkrankungen. https://www.unimedizin-mainz.de/fileadmin/kliniken/kinderchir/presentations/nabelerkrankungen.pdf (letzter Zugriff: 4.8.2015) Kinderchirurgie. Universität Mainz

Schumpelick, V.: Operationsatlas Chirurgie. Thieme. 2. Auflage (2006)

Schweinitz, v., D.; Ure, B.: Kinderchirurgie. Springer. 1. Auflage (2009)

Speer, C.P.; Gahr, M.: Pädiatrie. Springer. 4. Auflage (2013)

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