Schwierige Geburten

Der Kopfumfang ist entscheidend, nicht das Gewicht

  • Ein Kopfumfang jenseits der 95. Perzentile ist laut Erkenntnissen israelischer GynäkologInnen häufiger mit Geburtskomplikationen verknüpft als ein vergleichbar hohes Geburtsgewicht.

  • Eine Gruppe von MedizinerInnen unter der Leitung von Michal Lipschuetz von der Hadassah-Klinik der Hebräischen Universität Jerusalem hat in einer auf Krankenakten gestützten Studie knapp 25.000 Geburten, darunter mehr als 6.000 Erstgeburten, analysiert. Sie wollte die Einflussgrößen identifizieren, die das Risiko für Geburtskomplikationen und somit für ungeplante Kaiserschnitte und instrumentelle Geburten erhöhen. Üblicherweise liegt hier der Fokus auf einem hohen Geburtsgewicht. Lipschuetz und KollegInnen vermuteten jedoch, dass der Kopfumfang den Geburtsverlauf stärker beeinflusst als das Gewicht.

    Kurz gefasst lautet das Studienergebnis : Liegt der - postnatal gemessene - Kopfumfang des Kindes jenseits der 95. Perzentile, ist häufiger ein nicht geplanter Kaiserschnitt oder eine instrumentelle Intervention nötig. Bei hohem Geburtsgewicht hingegen ist dies nur dann der Fall, wenn auch der Kopf sehr groß ist. Beides fällt nicht unbedingt zusammen: Nur 24 Prozent der „Big Babies“ hatten auch einen großen Kopfumfang. Der Anteil dieser großen Kinder mit großem Kopfumfang an der Gesamtkohorte betrug rund zwei Prozent, wohingegen insgesamt knapp sechs Prozent der Kinder große Köpfe aufwiesen.

    62 Prozent der Kinder mit großem Köpfchen wurden vaginal geboren, 16 Prozent  benötigten einen Kaiserschnitt und 11 Prozent eine Unterstützung durch Instrumente. Bei kleinerem Kopf lauteten die Anteile 78 Prozent, 8 Prozent und 7 Prozent. Der Rest entfiel jeweils auf elektive Sectiones. Das Chancenverhältnis, mit großem im Vergleich zu einem kleinen Kopf auf eine ungeplante Sectio zuzusteuern, betrug 2,6, jenes für eine instrumentelle Entbindung 2,1.

    Im Gegensatz dazu wurden Kinder mit hohem Geburtsgewicht zu 80 Prozent vaginal geboren. Die Raten für ungeplanten Kaiserschnitt beziehungsweise vaginal-operative Entbindung betrugen zehn Prozent beziehungsweise drei Prozent. Gegenüber normalgewichtigen Kindern war das Chancenverhältnis für komplizierte Geburten kaum erhöht oder sogar niedriger. Das hohe Gewicht hatte bei normalem Kopfumfang keinen Einfluss auf die Komplikationsrate. Nur wenn der Kopf ebenfalls groß war, stieg das Chancenverhältnis für einen Kaiserschnitt auf 1,9.

    Die weitere Analyse ergab, dass Kaiserschnitte bei großem Kinderkopf häufiger durch ausbleibenden Geburtsfortschritt bedingt waren. Bei Kindern mit geringerem Kopfumfang gaben eher fetale Komplikationen den Anlass zur Sectio.

    Lipschuetz und KollegInnen fordern nun prospektive Studien, in denen zu klären sei, ob sich mit pränatalen Messungen des kindlichen Kopfumfangs der Geburtsverlauf vorhersagen lasse. „Entsprechende Ergebnisse vorausgesetzt“, so die ForscherInnen, „könnte es an der Zeit sein, die Empfehlungen hinsichtlich makrosomer Feten zu überdenken.“

    (Lipschuetz, M. et al.: A large head circumference is more strongly associated with unplanned cesarean or instrumental delivery and neonatal complications than a high birth weight. Am J Obstet Gynecol 2015, online 5. August; doi: 10.1016/j.ajog.2015.07.045. springermedizin.de, 24.8.2015/DHZ)

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 05.09.2015