Deutscher Hebammenverband e.V.

Umfrage bringt prekäre Arbeitsbedingungen ans Licht

  • Der Deutsche Hebammenverband resümiert aufgrund seiner Umfrage zum Welthebammentag: »2.700 Hebammen haben angegeben, sofort wieder und auch mehr im Kreißsaal arbeiten zu wollen, wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern. Ein deutlicher Appell.«

  • Jährlich kommen in Deutschland rund 790.000 Kinder zur Welt, 98 % im Kreißsaal einer Klinik. Dass Hebammen hier eine zentrale Rolle zukommt, liegt auf der Hand. Doch Zeitmangel, personeller Notstand und fachfremde Tätigkeiten verursachen dauerhaft hohe Belastungen – mit schwerwiegenden Folgen für Hebammen: 70 % arbeiten nur noch in Teilzeit, haben dem Kreißsaal den Rücken zugekehrt oder ihren Beruf ganz aufgegeben. Selbst junge und werdende Hebammen würden im Laufe ihrer Ausbildung resignieren, heißt es aus dem Deutschen Hebammenverband e.V. (DHV) . 

    Dass die Regierung Verbesserungen angekündigt hat, sei ein erster Schritt, doch jetzt müssten Taten folgen, heißt es aus dem DHV anlässlich des Internationalen Hebammentags am 5. Mai. Eine aktuelle DHV-Umfrage anlässlich des Welt-Hebammentags zeige, wie ernst die Lage wirklich sei: 2.700 Hebammen sagten demnach »Nein« zu den aktuell prekären Arbeitsbedingungen und »Ja« zum Arbeitsplatz Klinik, doch nur, wenn vieles sich ändert.  

    »Ein klares Votum und ein starkes Signal in Richtung Politik und Klinikbetreiber«, fasst DHV-Präsidentin Ulrike Geppert-Orthofer die Umfrage-Ergebnisse zusammen. »Die Arbeitsbedingungen in der klinischen Geburtshilfe haben sich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch verschlechtert. Jetzt ist es 5 vor 12. Gebärende sind heute überfüllten Kreißsälen ausgesetzt, werden weggeschickt und stark verunsichert, weil sie nicht wissen, wo und unter welchen Bedingungen sie ihr Kind auf die Welt bringen können. Zugleich werden Hebammen genötigt, in Stoßzeiten bis zu vier Gebärende gleichzeitig zu betreuen, doppelt so viele wie in anderen europäischen Ländern. Ein Skandal und einem Land wie unserem unwürdig«, betont Geppert-Orthofer. »Es ist einfach nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet im sensiblen Versorgungsbereich wie der Geburtshilfe an Personal gespart wird. Am Fachkräftemangel jedenfalls liegt es nicht, das konnten wir mit unserer Umfrage zeigen«, so Geppert-Orthofer weiter mit Verweis auf das Umfrage-Ergebnis: 

    »2.700 Hebammen haben angegeben, sofort wieder und auch mehr im Kreißsaal arbeiten zu wollen, wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern. Ein deutlicher Appell. Wir fordern deshalb Verantwortliche in Politik und Kliniken auf, die Sicherheit und Qualität in der klinischen Geburtshilfe nicht weiter aufs Spiel zu setzen, sondern endlich einen Paradigmenwechsel herbeizuführen«, so die DHV-Präsidentin. »Menschwerden muss in Deutschland unter menschlichen und höchsten Standards möglich sein. Denn schließlich ist es nicht egal, wie wir geboren werden.« 

    Andrea Ramsell, Beirätin für den Angestelltenbereich im DHV ergänzt: »Wir sehen unsere Kolleginnen und sehen, wie aus einer hochmotivierten Berufsgruppe in den letzten Jahren eine desillusionierte Berufsgruppe geworden ist. Dafür gibt es viele Gründe. Wenn geburtshilfliche Klinikstandorte schließen müssen, zum Beispiel, ohne dass umliegende Häuser den zusätzlichen Versorgungsbedarf kompensieren können. Für die Region gibt es dann oft nicht einmal einen strukturierten Versorgungsplan. Für Hebammen bedeutet das, sie müssen verstärkt fachfremde Tätigkeiten übernehmen und so Versorgungslücken schließen. Der Skandal: Diese Leistungen werden weder systematisch erfasst noch angemessen über DRGs vergütet. Sie spielen in der Personalplanung schlichtweg keine Rolle. Hinzu kommen strukturelle Fehlanreize. Das heißt, für Klinikbetreiber ist es wirtschaftlich lukrativer, den Personalschlüssel niedrig zu halten. Geburtshilfe in deutschen Kliniken lohnt sich de facto nicht! Und genau hier muss dringend ein Umdenken erfolgen. Klinische Geburtshilfe muss zu den gewinnbringenden Abteilungen eines Krankenhauses gehören und eine personalintensive Eins-zu eins-Betreuung ausdrücklich belohnt werden. Das ist Auftrag an die Politik, aber auch an unsere Gesellschaft. Denn wie Kinder in Deutschland geboren werden, ist Grundlage unserer kulturellen und ethischen Prinzipien und nicht verhandelbar.«

    Weitere Informationen zum Download: Pressemappe und Statements sowie Hintergrundinformationen

    Quelle: DHV, 5.5.2022 ∙ DHZ

    Rubrik: Politik & Gesellschaft

    Erscheinungsdatum: 05.05.2022