Populationsbasierte Studie

Moderate und späte Frühgeborene mit höherem Risiko für neurologische Defizite

  • Kinder, die moderat oder spät frühgeboren werden, haben höhere Risiken für Beeinträchtigungen der neurologischen Entwicklung als Kinder, die reif zur Welt kommen.

  • Kinder, die als moderate (nach 3233 Wochen) oder späte (nach 3436 Wochen) Frühgeburten zur Welt kommen, haben langfristig ein erhöhtes Risiko für Beeinträchtigungen der neurologischen Entwicklung, die sowohl ihr Verhalten als auch ihre Lernfähigkeit beeinflussen können.

    Das zeigt eine im British Medical Journal publizierte Studie mit mehr als einer Million Frühgeborenen. Da diese Kinder etwa 80 % der Frühgeborenen ausmachen, warnen die Autor:innen um Ayoub Mitha von der Abteilung für Klinische Epidemiologie am Karolinska Institut in Stockholm, diese Risiken zu unterschätzen.

    »Obwohl es Publikationen gibt, die auf ein erhöhtes Risiko für eine Beeinträchtigung der neurologischen Entwicklung bei moderat oder spät frühgeborenen Kindern hindeuten, haben bislang nur wenige populationsbasierte Studien die langfristigen neurologischen Outcomes dieser Kinder mit denen von reifgeborenen Kindern verglichen«, ergänzen sie.

     

    Analyse von mehr als einer Million Kindern

     

    Mitha und seine Kolleg:innen analysieren Registerdaten von 1.281.690 Kindern, die zwischen 1998 und 2012 in Schweden im Gestationsalter von 32+0 bis 41+6 Wochen zur Welt kamen.

    Außerdem untersuchten sie eine Untergruppe von 349.108 Geschwistern, was es ermöglichte, nicht erfasste genetische Faktoren und Umweltfaktoren zu kontrollieren. Die analysierten Outcomes waren motorische und kognitive Fähigkeiten, Epilepsie sowie Einschränkungen von Hör- und Sehvermögen bis zum Alter von 16 Jahren.

    Einflussfaktoren, die in der Analyse berücksichtigt wurden, waren Alter der Mutter, Parität, Geburtsland, Beziehungsstatus, BMI in der Frühschwangerschaft, Rauchen während der Schwangerschaft, Diabetes, Hypertonie, Kalenderperiode der Geburt, Bildungsstand der Eltern, neurologische und psychische Erkrankungen in der Vorgeschichte sowie Geschlecht und Geburtsgewicht des Kindes.

     

    Motorik, Kognition und Sehvermögen beeinträchtigt

     

    Im Verlauf von im Durchschnitt 13,1 Jahren Nachbeobachtung wurde bei 75.311 Kindern (47,8 pro 10.000 Personenjahre) mindestens einmal eine Beeinträchtigung der neurologischen Entwicklung diagnostiziert.

    Alles in allem hatten moderat oder spät Frühgeborene im Vergleich zu Reifgeborenen (39-40 Wochen) höhere Risiken für irgendeine Form der Beeinträchtigung der neurologischen Entwicklung. (Moderat Frühgeborene: HR 1,73; 95-%-KI 1,60-1,87; spät Frühgeborene: HR 1,30; 95-%-KI 1,26-1,35).

     

    Jede Woche zählt

     

    Am höchsten war das Risiko für Beeinträchtigungen der neurologischen Entwicklung bei Kindern, die im Gestationsalter von 32 Wochen zur Welt kamen, danach sank es bis zu einem Alter von 41 Wochen graduell ab. Selbst die etwas früher reifgeborenen Kinder (3738 Wochen) hatten noch ein etwas höheres Risiko als die nach 3940 Wochen geborenen Kinder.

    In der Vergleichsanalyse mit Geschwistern erwiesen sich die meisten Assoziationen als stabil – mit Ausnahme der Zusammenhänge zwischen Gestationsalter und Epilepsie sowie Einschränkungen des Hörvermögens.

    Bei der Interpretation der Studienergebnisse sind gewisse Limitationen zu berücksichtigen. Allen voran: Sie kann als rein beobachtende Studie keinen kausalen Zusammenhang zwischen moderater oder später Frühgeburt und Beeinträchtigungen der neurologischen Entwicklung zeigen.

    Die Forschenden räumen darüber hinaus ein, dass es für einige Outcomes nicht möglich gewesen sei, präzise Informationen zu erhalten. Und Untererfassung oder falsche Klassifizierung der Diagnosen könnten dazu beigetragen haben, dass die gefundenen Assoziationen unterschätzt wurden.

    Noch dazu können sie nicht ausschließen, ob andere, nicht erfasste Faktoren, etwa Alkohol- oder Drogenmissbrauch in der Schwangerschaft, die Ergebnisse beeinflusst haben.

     

    Risiken nicht unterschätzen

     

    Andererseits handelt es sich um eine große, populationsbasierte Studie, die auf qualitativ hochwertigen nationalen Registern basiert, wodurch es möglich war, klinisch relevante Risiken über ein breites Spektrum des Gestationsalters zu untersuchen.

    Deshalb lautet ihr Fazit: »Kinder, die moderat oder spät frühgeboren werden, haben höhere Risiken für Beeinträchtigungen der neurologischen Entwicklung als Kinder, die reif zur Welt kommen. Diese Risiken sollten nicht unterschätzt werden, da diese Kinder den größten Teil der Frühgeborenen ausmachen.«

    Quelle: Lee, S., Han, Y., Lim, M. K., & Lee, H. J. (2023). Impact of moderate-to-late preterm birth on neurodevelopmental outcomes in young children: Results from retrospective longitudinal follow-up with nationally representative data. PloS one, 18(11), e0294435. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0294435 · nec/aerzteblatt.de, 8.2.24 · DHZ

     

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 20.02.2024