Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft

Fetales Alkohol Sydnrom: 15-Jährige kämpft für eine Entschädigung

  • Kindern, die durch den Alkoholkonsum ihrer Mutter in der Schwangerschaft geschädigt wurden, steht derzeit keine Entschädigung zu.

  • Weil werdende Mütter Alkohol trinken, kommen jedes Jahr Tausende Kinder beeinträchtigt zur Welt. Eine Entschädigung wie bei Gewaltopfern stand ihnen bisher nicht zu. Ein höchstrichterliches Urteil lässt Betroffenen nun zumindest eine kleine Chance. Bei einem versuchten Schwangerschaftsabbruch durch Alkohol können deswegen beeinträchtigte Kinder einen Anspruch auf staatliche Entschädigung haben. Das geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.9.2020 hervor. Das bedeutet gleichzeitig: Wenn ein Abbruchversuch nicht nachweisbar ist, gehen Betroffene weiterhin leer aus – wie im Falle einer Jugendlichen aus Sachsen-Anhalt. (Az. B 9 V 3/18 R)

    Das Mädchen wurde 2005 geboren und ist von Geburt an schwer beeinträchtigt. Dass daran der Alkohol schuld ist und die Mutter wusste, was sie ihrem Kind antat, haben Gerichte bereits geklärt. Die Jugendliche forderte eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz. Das Land Sachsen-Anhalt lehnte die Forderung ab. Eine Grundrente wie im aktuellen Fall liegt nach Angaben des Landes bei rund 400 Euro, mit weiteren Leistungen könne sich die Summe monatlicher Zahlungen auf einen vierstelligen Betrag summieren.

    Es geht also neben Rechtsfragen auch um eine Kostenfrage. Denn die Klägerin ist nicht allein: 10.000 Kinder werden laut dem Verband FASD Deutschland pro Jahr bundesweit mit fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) geboren.

    Spezielle Hilfen gibt es für Betroffene laut dem Verband nicht – oft sind sie auf Grundsicherung angewiesen.

    Dass es sich im vorliegenden Fall um ein großes gesellschaftliches Problem handelt, darüber waren sich alle Seiten einig. Es sei allerdings kein Fall für das Opferentschädigungsgesetz, sagte der Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt: „Das Verhalten der Mutter mag aus medizinischer Sicht höchst problematisch sein.“ Es handele sich aber nicht um einen Rechtsbruch. Die Klagevertreterin argumentierte dagegen, es liege ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf das Kind vor. Zudem sei das Opferentschädigungsgesetz nicht explizit an die Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch gebunden.

    Das Bundessozialgericht folgte dem nicht. Das Urteil wertete der Sozialverband dennoch als Erfolg – auch wenn unklar bleibt, wie vielen Betroffenen damit wirklich geholfen ist.

    Quelle: dpa, 24.9.2020 DHZ

    Rubrik: Politik & Gesellschaft

    Erscheinungsdatum: 24.09.2020