Frei gebären

Was hindert Frauen an einer selbstbestimmten Geburt? Ein Plädoyer dafür, als Geburtshelfende auf alte Grenzen und Schranken im Kopf zu schauen und Überkommenes zu verabschieden. Die Frau mit ihren Bedürfnissen gehört in den Mittelpunkt gerückt – so wie es auch die neue S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin empfiehlt. Tara Franke
  • »Freiheit und Sicherheit dürfen und müssen sich in der Geburtshilfe nicht gegenseitig ausschließen.«

  • Als junges Mädchen hatte mich ein britischer Film mit dem Titel »Frei geboren« sehr berührt. Er basierte auf einem Roman von Joy Adamson, erzählt nach einer wahren Geschichte. Er handelt davon, wie die junge Löwenwaise »Elsa« bei Menschen aufwächst und dann in die Freiheit zurückkehrt, wo sie ihre Jungen bekommt. Noch heute erinnere ich mich lebhaft an die Szene, als die Löwin schließlich die Menschen verlässt, um ihr wildes freies Leben zu beginnen.

    Als Mädchen war ich in der zutiefst patriarchalen Gesellschaft der 70er- und 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts aufgewachsen, in einer Gesellschaft, die weibliche Freiheit als »spinnerten Luxus« ansah und weibliche Körper als selbstverständlichen männlichen Besitz verstand. Dieser Film bestärkte meine große Sehnsucht nach Freiheit und Würde.

     

    Angeborene Rechte

     

    Nach wie vor prägt mich und meine Arbeit die Überzeugung, dass Gebären unbedingt in größtmöglicher Freiheit geschehen sollte. Weil dieser Prozess ohnehin so überwältigend ist, die körperlichen Vorgänge so krass und in weiten Teilen unkontrollierbar, der Schmerz teilweise so enthemmend und zugleich respekteinflößend, ist es umso wichtiger, dass Frauen sich währenddessen sicher sein können, dass niemand etwas ohne ihre Zustimmung oder gar gegen ihren Willen mit ihnen oder ihrem Kind tut. Aber auch, weil Freiheit und Würde, Schutz vor Erniedrigung, Freiheit von Gewalt, Wahlfreiheit und Selbstbestimmung angeborene Rechte jedes Mädchens und jeder Frau sind.

    Dazu müssen schwangere und gebärende Frauen nicht erst beweisen, dass sie mündig sind und verantwortungsvolle Entscheidungen für sich und ihr Baby treffen können. Das deutsche Grundgesetz und die derzeitigen PatientInnenrechte sprechen ihnen – ebenso wie jedem Mann –, die Freiheit zu, über sich und ihren Körper zu entscheiden (solange kein akuter schwerer Notfall vorliegt oder sie nicht aufgrund schwerer Vorkommnisse durch Gerichtsbeschluss entmündigt wurden, was auf Gebärende nur extrem selten zutrifft). Freiheit und Sicherheit dürfen und müssen sich in der Geburtshilfe nicht gegenseitig ausschließen!

    Es ist kein Zufall, dass in den 70er-Jahren, in denen die Geburtshilfe geprägt war von der »programmierten Geburt«, auch die außerklinische Geburtshilfe wieder erstarkte und feministische Initiativen entstanden, wie die Gesellschaft für Geburtsvorbereitung (GfG), der Arbeitskreis Frauengesundheit (AKF) oder der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD).

    Jahrzehnte später, im Jahr 2018, brachten die Journalistin Mascha Grieschat und ihre Mitstreiterinnen der Bundeselterninitiative Mother Hood eine Petition für eine Reform der Geburtshilfe in den Bundestag ein. Sie beriefen sich dabei unter anderem auf das WHO-Maßnahmenpaket zur Vermeidung und Beseitigung von Geringschätzung und Misshandlung bei Geburten in geburtshilflichen Einrichtungen aus dem Jahr 2014 (WHO 2014). Die Petition forderte, eine flächendeckende sichere und respektvolle Versorgung sicherzustellen, in der Frauen, ihre (ungeborenen) Kinder, ihre PartnerInnen sowie geburtshilfliches Personal vor physischer, psychischer und struktureller Gewalt in der Geburtshilfe geschützt würden.

     

    Bevormundung ist weit verbreitet

     

    Die Gesellschaft betrachtet Frauen nach wie vor als das zweite, das schwächere, das untergeordnete Geschlecht. Dies zeigt sich beispielsweise in der wieder auflebenden Diskussion um gendergerechte Sprache. In den Medien und vielen Unternehmen sind Geschlechterrollen heute mindestens so rigide wie in den 70ern, denn Frauen und Mädchen sollen doch lieber nicht durch Stärke, Intelligenz und Selbstbewusstsein, sondern durch ein hübsches Äußeres und Nettigkeit glänzen – in kurzen Kleidchen, hohen Schuhen und mit tadellosem Make-up. Es gibt aber glücklicherweise heute viele Männer, die das anders sehen und die ihre Frauen rund um die Geburt sehr unterstützen und beschützen möchten.

    Leider ist die Gesellschaft in Deutschland – und damit auch die Geburtshilfe – nicht so weit gereift, dass die Grundrechte der Frau auf Gleichheit und Selbstbestimmung überall und jederzeit auch in Kreißsälen verstanden und geachtet werden. Sobald Frauen Wehen haben, halten einige Geburtshelfende sie für mehr oder weniger unzurechnungsfähig, beziehungsweise zumindest sich selbst dafür bestimmt, sie paternalistisch zu bevormunden. Als wäre eine Frau in den Wehen nicht in der Lage, die überschaubaren Fakten durch einfache Erklärungen zu verstehen und selbst Entscheidungen zu treffen.

    Schwangere und Gebärende werden weiterhin nicht selten zu Objekten degradiert, eher als Gefäße betrachtet, aus denen das Kind möglichst unbeschadet entwickelt werden müsse. Das Erleben der Geburt, die seelische Gesundheit und Unverletztheit der Mutter – und des Vaters – sind noch immer nicht bei allen Geburtshelfenden als wichtiges Outcome der Geburt angekommen. Dazu müssen nicht unbedingt direkt abfällige Bemerkungen fallen oder körperliche Übergriffe stattfinden. Jedes Nichtfragen, Nichterklären, jeder Eingriff ohne Einwilligung, besonders aber jeder körperliche Übergriff, wie das Auseinanderdrücken der Beine oder Festhalten des Kopfes in der Austrittperiode, sind Übergriffe – auch wenn all das noch immer sehr oft üblich ist und deshalb als normal erscheint.

     

    PatientInnenrechte sind auch Frauenrechte

     

    Jede Patientin und jeder Patient hat ein umfassendes Aufklärungs- und Mitspracherecht, welche Eingriffe an ihr oder ihm (oder dem eigenen Kind) vorgenommen werden dürfen, ob bei einem zahnärztlichen Eingriff oder einer Knieoperation. Das ist beim Gebären nicht anders. Aber es hat sich über Jahrzehnte eine Normalität der Bevormundung etabliert, die noch immer nicht aus allen Kreißsälen verschwunden ist.

    Die Geburt an sich ist aber kein Eingriff, sondern ein natürlicher Prozess, der in der allergrößten Mehrzahl gar keine Interventionen benötigt. Er gehört der Frau, den werdenden Eltern, dem Kind, das geboren wird. Es ist aber noch immer selbstverständlich, dass Geburtshelfende ihre – oft ganz individuellen – Standards aufstellen, den Frauen als alternativlos vorsetzen und diese oft ohne angemessene Aufklärung und Zustimmung an ihnen durchführen. Es wird wohl noch sehr viele Diskussionen und Leitlinien brauchen, um das zu ändern. Wo Geburtshelfende den Geburtsvorgang primär als ihre Aufgabe, ihren Arbeitsbereich betrachten, verdrängen sie mitunter, dass sie ja nur Helfende sind, manchmal auch RetterInnen für den Notfall. Sie sind aber nicht die zentralen Personen des Geschehens – und nicht per se diejenigen, die zu entscheiden haben, was passiert.

    Ein Meilenstein zu mehr Respekt und Selbstbestimmung, aber auch zu mehr Sicherheit und einer evidenzbasierten Geburtshilfe ist die neue S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin (siehe auch DHZ 3/2021, Seite 52ff.). Dort werden – neben der häufig praktizierten informierten Zustimmung – die informierte Wahl und die partizipative Entscheidungsfindung genannt. Bei der informierten Entscheidung »bestimmt nicht allein die aufklärende Person das Ausmaß der Aufklärung, sondern der Frau selbst wird noch einmal Gelegenheit gegeben, sich über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu informieren«. Die partizipative Entscheidungsfindung in neun festgelegten Schritten stellt »die höchste Form des Einbezugs in Entscheidungen« dar (AWMF 2020, S. 11, siehe Kasten).

    Es wird empfohlen, dass alle Gesundheitsfachpersonen jederzeit dafür sorgen sollen, »dass Frauen eine individuelle und respektvolle Betreuung erhalten, dass sie mit Wertschätzung und Achtung behandelt werden und dass sie selbst informiert entscheiden können.« (AWMF 2020, 3.4, Hervorhebung durch die Autorin). Dies setzt voraus, dass geburtshilflich Tätige und Institutionen werdenden Eltern bereits vor der Geburt Gelegenheit geben, sich über alle Maßnahmen zu informieren, um eine wohlüberlegte Entscheidung fällen zu können. Und dass sie Macht abgeben.

     

    Druck von allen Seiten

     

    Der Paradigmenwandel hin zu echter Wahlfreiheit der Gebärenden wird durch weitere Faktoren erschwert. Frauen, Hebammen und ärztliche GeburtshelferInnen stehen heute in einem Spannungsfeld verschiedenster Ansprüche. Für werdende Eltern wie für GeburtshelferInnen ist der Druck zunehmend größer geworden, ein gesundes Kind »abzuliefern«. Auch Frauen, die den Wunsch haben, möglichst aus eigener Kraft zu gebären, und die den Anspruch haben, selbst über sich und ihren Körper sowie den des Kindes zu entscheiden, sehen sich ab dem Beginn der Geburt, eigentlich schon mit Feststellung der Schwangerschaft, damit konfrontiert, dass ihr »Zustand« und das Ungeborene engmaschig überwacht werden, auch wenn sie gesund sind und keine Beschwerden haben. In allen anderen Bereichen des Lebens und der Gesundheitsfürsorge entscheiden Menschen frei, welche medizinischen Vorsorgen und Maßnahmen sie in Anspruch nehmen. Schwangere und niedergelassene GynäkologInnen unterliegen aber einem anderen »Leistungsdruck«. Und dieser ständige Druck steht einer echten Wahlfreiheit eher entgegen.

    Frauen haben angesichts der Komplexität des Geburtsvorgangs und zusätzlich aufgrund vieler fehlender Evidenzen praktisch so gut wie keine Möglichkeit, zu entscheiden, was wirklich notwendig und sinnvoll ist – und was überflüssig. Sie wollen aber in der Regel, ebenso wie die GeburtshelferInnen, alles tun, damit es ihrem Kind gut geht. Dies ist aber in vielen Situationen gar nicht so eindeutig zu entscheiden. Wir haben nur sehr begrenzt zuverlässige Instrumente, um während der Schwangerschaft und Geburt mit Sicherheit festzustellen, dass es dem Kind gut geht. Ebenso wenig können wir mit Sicherheit prognostizieren, welche Interventionen dafür sorgen können, dass das Kind ohne jeden Schaden geboren wird. Daraus ergibt sich häufig eine Kaskade an Diagnostika und vorbeugender Interventionen, die sich je nach Setting deutlich unterscheiden. Während zum Beispiel in der Hausgeburtshilfe und im hebammengeleiteten Kreißsaal in der Regel keine Venenverweilkanüle gelegt wird, bekommt in den meisten ärztlich geleiteten Kreißsaal jede gebärende Frau diese bei Eintritt in den Kreißsaal, ohne dass es eine einzige Evidenz dafür gäbe. Häufig wird sie nicht nach ihrem Wunsch und Einverständnis dazu gefragt.

    Und so werden viele Routinemaßnahmen in der Geburtshilfe nach unklaren Kriterien eingesetzt. Weder vor noch während der Geburt wird garantiert, dass Frauen eine der Situation entsprechende Aufklärung erhalten. Kliniken können sich weigern, Vorgespräche durchzuführen. Diese sind aber zwingend notwendig, um auch nur ansatzweise informierte Entscheidungen treffen zu können. So bleibt es zumindest in der klinischen Geburtshilfe oft die subjektive Entscheidung der Institution beziehungsweise der einzelnen ÄrztInnen, bei hebammengeleiteten Geburten der betreuenden Hebamme, wann der Frau welche vorsorglichen oder kurativen Interventionen angeraten werden. Der Kristellerhandgriff und seine mit mehr oder weniger Gewalt durchgeführten Varianten werden häufig angewendet, die Indikationsstellung und Durchführung in der Regel nicht dokumentiert. Es ist fraglich, ob sich das mit der neuen Leitlinie ändern wird, denn die nächste Generation ärztlicher Geburtshelfenden wird von der alten geschult und geprägt. Auch Einleitungen sind in aller Regel prophylaktische Maßnahmen, deren Nutzen seit Jahren umstritten ist, die aber in großer Zahl durchgeführt werden – in der Regel, ohne dass die Frauen wirklich frei sind, sich dafür oder dagegen zu entscheiden.

    Selbst Frauen mit dem Wunsch nach einer Hausgeburt beziehungsweise außerklinischen Geburt unterliegen kurz nach Überschreiten des errechneten Termins dem Zwang einer Konsultation bei GynäkologInnen. Dabei gibt es keinen Nachweis, dass dies Vorteile hätte oder sie in der Klinik ein besseres Geburtsergebnis erzielen würden.

     

    Freiheit, sich nicht selbst optimieren zu müssen

     

    Die gegenwärtig diskutierte Idee eines »Mindsets« der werdenden Eltern ist ein spannender Ansatz: zu lernen, wie die Einstellung der Frauen und Paare zur Geburt sich auf den Verlauf auswirkt. Sie birgt aber auch die Gefahr, den Eltern eine weitere Verantwortung für das Gelingen der Geburt anzulasten, indem sie ihr Mindset optimieren (lassen). Selbstbestimmung heißt aber eben auch, mit den eigenen Schwächen, der eigenen Geschichte und den eigenen Begrenzungen in die Geburt gehen zu dürfen.

    Das Mindset des geburtshilflichen Teams dagegen wäre ein sehr wichtiger Forschungsgegenstand. Denn es prägt sicher ganz entscheidend, mit welcher Grundhaltung Geburten begleitet werden und welche Rolle der Gebärenden zugeschrieben wird. Während die Frau oder das Paar als Subjekte eigentlich den Mittelpunkt des Geschehens darstellen, sind GeburtshelferInnen Bei-Stehende, die professionelle Hilfe leisten. Sie haben eine andere Rolle und eine andere Verantwortung für ihr Handeln, da sie in einen – meist physiologischen – Lebensprozess mündiger Individuen eingreifen. Sie sollten sich daher ihres Mindsets bewusst sein und es stetig reflektieren.

     

    Grenzen der Selbstbestimmung

     

    Aufklärung wird nach wie vor häufig so durchgeführt, dass der Arzt beziehungsweise die Ärztin oder die Hebamme das Ergebnis bestimmt – beispielsweise durch ungenaue Darstellung oder eine manipulative Sprache, ob aus pädagogischen Überlegungen oder um sich selbst juristisch abzusichern. Manchen fehlt auch das notwendige Wissen oder didaktische Geschick, um Risiken und Möglichkeiten wirklich angemessen und verständlich zu erklären. Frauen und Paare mit anderem sprachlichem und kulturellem Hintergrund sind umso mehr abhängig von den Entscheidungen der GeburtshelferInnen, da dann manchmal nur versucht werden kann, im Sinne der Betreuten zu entscheiden, wenn es sprachlich nicht zu klären ist.

    Sobald Pathologie ins Spiel kommt, wird es noch komplizierter – wobei viele Situationen noch gar nicht pathologisch sind, aber dennoch dazu führen, dass werdende Eltern entmündigt werden.

    Frauen haben übrigens bis zu einem gewissen Grad auch ein Recht darauf, nicht aufgeklärt zu werden und nicht selbst zu entscheiden, sondern die geburtshilflichen Entscheidungen an die Geburtshelfenden abzugeben. Dann sollte nach den aktuellen evidenzbasierten Leitlinien und entsprechend der individuellen Situation der Frau gehandelt werden, nicht nach persönlicher Vorliebe der Geburtshelfenden.

    Selbstbestimmung während der Geburt ist also rechtlich verbrieft, aber faktisch kaum möglich. Und der Grad der Möglichkeit dazu hängt in hohem Maße davon ab, wie viel Entscheidungsmacht und Verantwortung die Betreuenden bereit sind abzugeben oder zu teilen. Das wiederum hängt aber allem von deren persönlicher Einstellung ab, weniger von der Frau oder dem Paar.

    Es wird sich zeigen, ob die jetzt entstehenden evidenzbasierten Leitlinien zu allen wichtigen Fragen der Geburtshilfe mehr Klarheit und Sicherheit für alle Beteiligten bringen. Und ob in Zukunft die Gutachten in etwaigen Schadensfällen diese Leitlinien und das dort betonte Recht auf Selbstbestimmung der Frau einbeziehen werden.

     

    Konzepte fehlen

     

    Für eine echte Wahlfreiheit muss es Strukturen geben, die sie eröffnen. Dies können Konzepte sein wie ein hebammengeleiteter Kreißsaal, die Hausgeburtshilfe, Häuser mit Beleghebammen, Geburtshäuser und Kliniken unterschiedlicher Größe und Level. Die aktuelle Tendenz, Geburtshilfe zu zentralisieren, um bei Notfällen besseres medizinisches Know-how und Equipment bieten zu können, könnte bald auch auf Kosten der Wahlfreiheit gehen. Immer größere Entfernungen zwischen den bestehenbleibenden Level-1-Häusern bedeuten auch weitere Wege für die außerklinische Geburtshilfe bei Verlegungen – und weniger Alternativen für Frauen, die in einem Kreißsaal gebären möchten oder müssen. Es fehlen Konzepte für die Eins-zu-eins-Betreuung in Level-1-Kliniken, eine sinnvolle Betreuung in der Latenzphase und eine Implementierung interventionsarmer hebammengeleiteter Geburtshilfe in den großen Geburtszentren.

    Level-1-Häuser mit ihrer Arbeitsverdichtung bieten bisher oft unattraktive Arbeitsplätze für Hebammen, so dass ein steter Personalmangel herrscht. Der Arbeitsdruck steigt und mit ihm die Unzufriedenheit und Krankenquote.

    Wahlfreiheit für Frauen und ihre Geburten bedeutet daher auch, dass die Arbeitsstrukturen von klinisch tätigen Hebammen verbessert werden. Es braucht daher auch die Freiheit, einen sicheren und unterstützenden Arbeitsplatz wählen zu können.

     

    S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin: Wesentliche Punkte zur Wahlfreiheit

     

    Auszüge aus der S3-Leitlinie im Original:

    • Mit dem Anspruch, Frauen und ihren Familien eine selbstbestimmte Geburt zu ermöglichen und gleichzeitig rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, ist für Hebammen und Ärzt*innen die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Ausmaß der Einbeziehung der Frau in Entscheidungen zwingend erforderlich. (3, Tabelle 8)
    • Alle Gesundheitsfachpersonen sollen jederzeit dafür sorgen, dass Frauen eine individuelle und respektvolle Betreuung erhalten, dass sie mit Wertschätzung und Achtung behandelt werden und dass sie selbst informiert entscheiden können. (3.4)
    • Frauen sollen über die Möglichkeit unterschiedlicher Geburtsorte informiert sein. (3.1)
    • Wenn mit einer Frau der Geburtsort besprochen wird, sollen persönliche Sichtweisen und Urteile bzgl. ihrer Wahl vermieden werden zugunsten objektiver Beratung. (3.3)
    • Schwangeren sollen frühzeitig evidenzbasierte Information und Unterstützung angeboten werden, die sie befähigen, eine informierte Wahl hinsichtlich der Geburt zu treffen. Die Sichtweisen und Bedenken von Frauen sollen als integraler Bestandteil des Beratungs- und Entscheidungsprozesses anerkannt werden. (3.5)
    • Frauen sollte es ermöglicht werden, von einer Begleitperson/Begleitpersonen ihrer Wahl während der Geburt unterstützt zu werden. (4.3)
    • Gebärende sollen darin unterstützt werden, die Musik ihrer Wahl abzuspielen. (6.7)
    • Die Gebärende sollte dazu ermutigt werden, sich zu bewegen und die Position einzunehmen, die für sie am angenehmsten ist. Sie soll aktiv bei der Einnahme der von ihr gewählten Positionen unterstützt werden. (7.35)
    • Angehörige der Gesundheitsberufe sollten sich ihrer eigenen Haltung gegenüber dem Geburtsschmerz bewusst sein und ihre Betreuung darauf ausrichten, die Frau in ihren Entscheidungen zu unterstützen. (6.1)
    • Entscheidet die Frau, dass die Nabelschnur erst nach Ablauf von mehr als 5 Minuten nach der Geburt abgeklemmt wird, dann sollte dieser Wunsch respektiert werden und die Frau entsprechend ihrer Entscheidung unterstützt werden. (9.11)
    • Entscheidet sich eine Frau mit geringem postpartalen Blutungsrisiko für ein abwartendes Management der Nachgeburtsperiode, so sollte dieser Wunsch respektiert werden. Die Frau sollte dann entsprechend ihrer Entscheidung unterstützt werden. (9.6)

    Quelle: AWMF: Die vaginale Geburt am Termin. AWMF 2020. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-083k_S3_Vaginale-Geburt-am-Termin_2021-01_1.pdf

    Rubrik: Ausgabe 04/2021

    Erscheinungsdatum: 23.03.2021

    Literatur

    AWMF: Leitlinie 015 – 083 (2020). S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-083k_S3_Vaginale-Geburt-am-Termin_2021-01_1.pdf (letzter Zugriff am 19.2.2021)

    Franke T: S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin: Empfehlung für eine moderne Geburtshilfe. Deutsche Hebammen Zeitschrift 2021. 73 (3): 52–55

    World Health Organisation: Vermeidung und Beseitigung von Geringschätzung und Misshandlung bei Geburten in geburtshilflichen Einrichtungen, Geneva: World Health Organisation 2014. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/134588/WHO_RHR_14.23_ger.pdf;jsessionid=0DC0042755 BE5C21DC2FBDEC2C9BCDB0?sequence=22

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