Qualitative Studie aus Norwegen

Gebärende schätzen evidenzbasierte Informationen in der Latenzphase

  • Wenn Frauen in der Latenzphase am Telefon einfühlsam und verständnisvoll betreut werden, erzeugt dies ein Gefühl der Sicherheit, um beispielsweise Wehen in dieser Phase richig einschätzen zu können.

  • Die Latenzphase umfasst die Zeit der beginnenden Kontraktionen bis zu einer Eröffnung des Muttermundes von fünf Zentimetern. Sie stellt eine wichtige Phase während des Geburtsverlaufs dar, die mit Verunsicherung und Ängsten einhergehen kann. Manche Frauen haben das Bedürfnis nach evidenzbasierten Empfehlungen, um zu verstehen, was mit ihrem Körper passiert, um mögliche Veränderungen richtig einschätzen können. In Norwegen wurde eine elektronische Informationsmöglichkeit geschaffen, um den Informationsfluss zwischen evidenzbasierter Fachinformation und gebärender Frau zu erleichtern, was im Rahmen der »Pre Care Study« evaluiert wurde.

    Als Teilstudie der »Pre Care Study« wurde eine qualitative Studie unter Frauen durchgeführt, die zur erlebten Latenzphase befragt wurden. Eingeschlossen in die Studie wurden 16 erstgebärenden Frauen, die in einer von fünf Kliniken im Südosten Norwegens ein Kind in Schädellage nach der 37+0 Schwangerschaftswoche zur Welt brachten. Alle Frauen hatten die Latenzphase zu Hause verbracht.

    Das Ziel der Studie bestand darin die Bedürfnisse der Frauen zu verstehen, die diese hinsichtlich der benötigten Information hatten und die Erfahrungen zu evaluieren, die sie mit den verfügbaren Informationen gemacht hatten. Zwischen Mai und Oktober 2018 wurden fünf Fokusgruppen-Interviews mit offenen Fragen zu mütterlichen Erfahrungen während der Latenzphase durchgeführt.

    Drei Themen wurden aufgezeigt: Die Notwendigkeit verfügbarer Informationen, Verständnis in Bezug auf unvorbereitete Situationen während der Latenzphase sowie Wertschätzung und Unterstützung. Die Frauen teilten die Einschätzung, dass zuverlässige Informationen zur richtigen Zeit essenziell wichtig waren. Aus ihrer Sicht waren Informationen wichtig, wie sie muttermundswirksame Wehen von Braxton-Hicks-Kontraktionen unterscheiden konnten. Ein weiterer Aspekt umfasste die praktische Frage, wann der »richtige Zeitpunkt« war, um in der Klinik anzurufen. Eine Frau teilte retrospektiv ihre Fehleinschätzung: »Ich dachte, das Baby kommt gleich. Jedoch dauerte es noch mehrere Stunden bis zur Geburt«. Eine weitere Frau äußerte sich folgendermaßen: »Ich konnte nicht stundenlang mit der Klinik telefonieren, so war das einzige, was mir blieb, zu googeln und zu lesen.«

    Obwohl sich die Frauen individuell auf ihre Geburt vorbereitet hatten, erlebten sie Gefühle der Überraschung und Unsicherheit während der Latenzphase. So beschrieb eine Frau: »Ich dachte, dass meine Fruchtblase nicht springt, weil das nur in 10 % der Fälle passiert - jedoch hatte ich einen Blasensprung.« Die Teilnehmerinnen berichteten, dass sie die Latenzphase in verschiedener Art und Weise erlebten, beispielsweise indem sie ruhig blieben oder Wehenschmerzen veratmeten. Eine Frau teilte die Erfahrung, dass Zeit und Raumgefühl verschwanden. Zudem teilten Frauen mehrfach die Einschätzung, dass ein Sicherheitsgefühl damit einherging, durch Personen am Telefon einfühlsam und verständnisvoll betreut zu werden.

    Die AutorInnen schlussfolgern aus ihren Informationen, dass der Zugang zu Informationen zur Latenzphase für Frauen wichtig ist. Hierbei scheint der realistische Blick auf diese Phase wichtig zu sein, weil, unabhängig von der Vorbereitung auf die Geburt, unerwartete Situation auftreten können. Der Zugang zu Informationsmaterial, das online verfügbar ist, bietet dafür einen wichtigen Beitrag, sollte jedoch durch freundliche und kompetente telefonische Beratung ergänzt werden.

    Quelle: Myhre EL et al.: A qualitative study of Norwegian first-time mothers' information needs in pre-admission early labour. Midwifery 2021. 100, 103016. https://doi.org/10.1016/j.midw.2021.103016 ∙ DHZ

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 19.05.2021