Diskussionspapier aus Australien

Geburtsplan im Fokus

  • Ein Ziel des Geburtsplans besteht darin, die Autonomie der Gebärenden zu stärken, indem die Kommunikation gestärkt wird.

  • Gewalt in der Geburtshilfe wird zunehmend thematisiert und Strategien werden immer wichtiger, um diese möglichst vorausschauend zu vermeiden. Gewalt in der Geburtshilfe kann zum einen erlebt werden, wenn eine Gebärende traumatische Erfahrungen bei ihrer Geburt macht, jedoch auch, wenn sie in Entscheidungsprozesse beim Gebären nicht einbezogen wird. Übergriffigkeit oder Gewalt kann auch erlebt werden, wenn Frauen sich überhört fühlen oder einen Kontrollverlust beim Gebären erleben.

    Werden Frauen in Entscheidungsprozesse einbezogen, bedeutet dies im Umkehrschluss für viele Gebärende das Gefühl, Kontrolle wahren zu können und gewaltfrei zu gebären.

     

    Ermutigung zu einer informierten Entscheidung

     

     

     

    Abbildung 1: Einflussfaktoren beim Gebären auf die mütterliche Entscheidung
    Abbildungen: © Maria Sbytova/stock.adobe.com

     

     

    Im Rahmen eines Diskussionspapiers diskutierten australische Hebammenwissenschafterinnen die Rolle eines Geburtsplans: Wie können darüber mütterliche Entscheidungsprozesse während der Geburt im besten Sinne der Gebärenden kommuniziert und unterstützt werden? Wie können Gebärende respektvoll in Entscheidungsprozesse während der Geburt einbezogen werden?

    Sie zeigen die Grundidee auf, die Carla Reinke und Penny Simkin bereits in den 1980er Jahren geprägt haben: Ein Konzept eines Geburtsplans mit dem Gebärende zu informierten Entscheidungen ermutigt werden. Die informierte Entscheidung steht dabei in klarem Zusammenhang zu einer guten Kommunikation und Kooperation zwischen der Gebärenden und der Hebamme.

     

    Geburtsplan als Checkliste?

     

    Die Umsetzung in der Praxis wurde maßgeblich durch Sheila Kitzinger beeinflusst. Der Begriff des Geburtsplans wurde rasch implementiert, zeigte jedoch unterschiedliche Auswirkungen: Ohne eine kontinuierliche Kommunikation mit dem geburtshilflichen Team wurde Gebären nur oberflächlich beeinflusst, Wurde der Geburtsplan gemeinsam mit der Gebärenden unter der Geburt berücksichtigt und weiter kommuniziert, trug er letztlich zu informierten Entscheidungen bei.

    In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren wurde ein Checklisten-Ansatz bei Geburtsplänen durch Informationsblätter ergänzt. Diese wurden zum Teil jedoch in einer Art und Weise formuliert, die eine »richtige« Antwort suggerierte und somit im eigentlichen Sinne keine »informierte«, sondern eine beeinflusste Entscheidung bewirkten. Daher wurde davon wieder Abstand genommen.

     

     

    Die Rolle der jeweiligen Formulierung

     

    Ein Ziel des Geburtsplans besteht darin, die Autonomie der Gebärenden zu stärken, indem die Kommunikation gestärkt wird: Die Gebärende verleiht ihren Wünschen Ausdruck. Manche Gebärende profitieren von einer Unterstützung bei der Erstellung eines Geburtsplans: Sowohl die Formulierung als auch die inhaltliche Ausrichtung erfordert sorgfältiges Abwägen.

     

    Abbildung 2: Hilfreiche Einflussfaktoren auf die mütterliche Entscheidungsfindung beim Gebären

     

    Unterschieden werden kann beispielsweise die Ausrichtung in Form eines frauenzentrierten Geburtsplans, bei dem die Bedürfnisse der Gebärenden oder eines klinikzentrierten Geburtsplans, bei dem die Bedürfnisse der Klinik priorisiert werden. Dabei spielt die Formulierung eine entscheidende Rolle.

    Diskutiert wird beispielsweise die Verwendung alternativer Begriffe zum Geburtsplan, der ein striktes Vorgehen suggeriert. Der Begriff des Geburtsplans kann den Bedürfnissen mancher Gebärender widersprechen, die mehr Offenheit gegenüber möglicherweise unerwarteten Verläufen wünschen. Alternativen bieten: »Vorlieben beim Gebären« (»birth preferences«) oder »Wegweiser Gebären« (»birth guide«/»birth flow chart«).

     

    Geburt ist nicht linear

     

    Gebären wird als multifaktoriell beeinflusster Prozess verstanden, der nicht linear gedacht und diskutiert werden kann. Eine Autorin fasst zusammen, dass äußere Umstände, Informationen und zugrundeliegende Faktoren zusammenkommen und die mütterliche Entscheidung beeinflussen.

    Dabei spielen Einflussfaktoren eine Rolle, die mütterliche Entscheidungen während des Gebärens fördern oder verhindern. Diese umfassen eine Informationsweitergabe, die der Gebärenden die Offenheit lässt, in Übereinstimmung mit ihren Werten und Bedürfnissen eigene Entscheidungen zu treffen. Zudem eine respektvolle Geburtshilfe, die ausreichend Zeit lässt, Entscheidungen zu durchdenken und zu kommunizieren. Als weiterer Aspekt spielt eine effektive Kommunikation mit gutem Austausch zwischen der Gebärenden und dem geburtshilflichen Team eine wichtige Rolle.

     

    Gebärende sensibilisieren

     

    Die Autor:innen empfehlen, Gebärende in Bezug auf diese Einflussfaktoren und die Herausforderungen für mütterliche Entscheidungsfindungen zu sensibilisieren. Sie empfehlen, Gebärenden ein Verständnis für den Einfluss verschiedener Interventionen zu vermitteln, um ihnen hinsichtlich damit zusammenhängender Entscheidungen zu helfen.

    Sie empfehlen die Weiterentwicklung existierender Geburtspläne und Modelle, um die Bedürfnisse von Gebärenden noch mehr in den Fokus zu stellen: Respektvolle frauenzentrierte Geburtshilfe solle gefördert werden.

    Quelle: Bell, C. H., Dahlen, H. G. and Davis, D. (2023). Finding a way forward for the birth plan and maternal decision making: A discussion paper. Midwifery, 126, pp. 103806. DOI: https://doi.org/10.1016/j.midw.2023.103806 ∙ Beate Ramsayer/DHZ

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 23.11.2023