Netzwerk der Elterninitiativen für Geburtskultur

Geteilte Schwangerenvorsorge

Ein Schreiben von einem Frauenarzt erregte Anfang November 2016 die Gemüter. Eine gesetzlich versicherte Schwangere, die einen Vorsorgetermin in einer gynäkologischen Praxis wahrnehmen wollte, wurde vom untersuchenden Arzt zur Unterschrift auf einer Erklärung genötigt.

In der Erklärung wird formuliert: „Aus diesem Grund ist uns eine Behandlung […] nur noch möglich, wenn die Schwangeren uns schriftlich versichern, dass weder eine gleichzeitige Hebammenvorsorge noch eine Behandlung durch einen anderen Arzt im gleichen Quartal stattfindet oder stattgefunden hat.“ Weiterhin soll mit der Unterschrift bestätigt werden, dass ein Arztwechsel im Quartal nicht möglich sei, und die erbrachten Leistungen laut Gebührenordnung dann privat in Rechnung gestellt werden würden.

Das Netzwerk der Elterninitiativen für Geburtskultur wendet sich mit einem offenen Brief an den Verfasser des Schriftstückes, die Ärztekammer Westfalen-Lippe, die Bundesärztekammer, die Patientenbeauftrage des Landes Nordrhein Westfalen, das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesfamilienministerium, den Familienausschuss im Deutschen Bundestag und den Gesundheitsausschuss im Deutschen Bundestag und bittet um zügige Klärung und Stellungnahme zum Nötigungsversuch in dieser Arztpraxis.

Laut den geltenden Mutterschaftsrichtlinien können alle Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft auch von einer Hebamme durchgeführt werden. Einzige Ausnahme bildet der Ultraschall. Dazu muss die Schwangere eine gynäkologische Praxis aufsuchen. Lässt nun eine werdende Mutter die Vorsorgeuntersuchungen bei einer Hebamme ausführen, geht aber für die Ultraschalluntersuchung zum Gynäkologen, so kann dieser nicht die Quartalspauschale für die gesamte Vorsorge in Anspruch nehmen, sondern kann nur die „Einzelposition Ultraschall“ abrechnen.

Diese Entwicklung ist manchen Frauenärzten ein Dorn im Auge. Es sind sogar Fälle bekannt geworden, wo sich Ärzte geweigert haben die Schwangerenvorsorge mit Hebammen zu teilen, denn das bedeutet auch geteiltes Budget.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich in dieser Frage klar positioniert: Weigert sich der Arzt eine Vorsorgeuntersuchung durchzuführen, wie beispielsweise den Ultraschall, weil parallel die Hebamme ebenfalls Vorsorgeuntersuchungen durchführt und im Mutterpass dokumentiert, dann ist das ein Vertragsverstoß und der Arzt riskiert seine Kassenzulassung.

Ein Arztwechsel im Quartal ist auf jeden Fall möglich. Es gibt nicht nur fachliche und sachliche Gründe dafür, einen neuen Arzt mit der weiteren Vorsorge zu beauftragen, sondern auch emotionale. Ist die schwangere Frau unzufrieden mit ihrer bisherigen gynäkologischen Betreuung, zum Beispiel wegen unzureichender Kommunikation, unnötiger Eingriffe, fehlender Aufklärung oder weil es zwischenmenschlich überhaupt nicht passt, kann sie jederzeit den Arzt wechseln.

(Netzwerk der Elterninitiativen für Geburtskultur, 30.11.2016)

Rubrik: Politik & Gesellschaft

Erscheinungsdatum: 15.12.2016