Hände, Worte, Kräuter und Fürsorge
Nach der Geburt der Plazenta bewirken Dauerkontraktionen des Uterus eine rasche Verkleinerung der Plazentahaftstelle. Dadurch wird eine schnelle Blutstillung erreicht und das Ausstoßen von Geweberesten gefördert. Nach dem Abschluss der Geburt schließt sich fließend das Wochenbett (Puerperium) an. Diese sechs bis acht Wochen sind gekennzeichnet durch das Einsetzen der Laktation sowie die Rückbildung des während der Schwangerschaft vergrößerten Uterus. Unmittelbar nach der Geburt wiegt die Gebärmutter etwa 1.000 Gramm. Dieses Gewicht wird innerhalb weniger Wochen auf etwa 70 Gramm reduziert. Im Rahmen dieses als Uterusinvolution bezeichneten physiologischen Prozesses kommt es in Folge von Uteruskontraktionen zu einer Ischämie des Muskelgewebes. Diese wiederum unterstützt die Degeneration und Autolyse der während der Schwangerschaft hypertrophierten Muskelfasern (Schneider et al. 2004).
Reizwehen
Die weitere Verkleinerung der Gebärmutter wird durch die Nach- und Stillwehen (Reizwehen) gewährleistet, die meist rhythmisch, teilweise jedoch auch als Dauerkontraktionen in Erscheinung treten. Meist lassen sich diese Nachwehen durch das Anlegen des Neugeborenen an die Brust provozieren. Durch den mamillären Saugreiz kommt es im Hypophysenhinterlappen reflektorisch zur Ausschüttung des wehenfördernden Hormons Oxytocin. Die Wöchnerin bemerkt beim Saugen des Kindes dann eine Kontraktion des Uterus sowie einen verstärkten Abgang von Lochien. Das Stillen fördert auf diese Weise die Rückbildung der Gebärmutter (Hohmann 2010). Auch körperliche Anstrengungen, die Entleerung von Blase und Darm sowie die Verabreichung von Kontraktionsmitteln können Nachwehen anregen.
Nachwehen treten nur in den ersten Tagen nach der Geburt auf, da nur in diesem Zeitfenster eine koordinierte Erregungsleitung im Myometrium über sogenannte „Gap Junctions“, der Erregungsübertragung zwischen den Zellen dienenden Proteinporen, möglich ist (Pape et al. 2014). Danach verlieren die Muskelzellen diese Fähigkeit aufgrund des Abbaus dieser Zellkontakte wieder. Mit zunehmender Stilldauer nimmt die Intensität und Häufigkeit der Stillwehen ab. Allerdings bemerken viele Wöchnerinnen noch über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen leichte ziehende Unterbauchbeschwerden beim Anlegen des Kindes an die Brust.
Bei jeder Wöchnerin anders
Etwa 70 Prozent der Mütter berichten nach einer vaginalen Geburt über Nachwehen. Bei Frauen mit Kaiserschnittentbindung scheinen Häufigkeit und Intensität der Beschwerden ähnlich zu sein.
Eine schwedische Forschergruppe hat sich 2011 mit der Frage beschäftigt, ob eine aktive Unterstützung der Nachgeburtsperiode mittels Oxytocin im Rahmen der Spontangeburt zu verstärkten Nachwehen zwei Stunden post partum beziehungsweise am ersten Tag des Wochenbetts führt. Sie konnten an einem Kollektiv von 1.800 Frauen nachweisen, dass die Gabe wehenfördernder Mittel nach der Geburt des Kindes im Vergleich zu einem abwartenden Management nicht zu einer subjektiven Intensivierung von Nachwehen-Beschwerden führt (Jangsten et al. 2011).
Ob eine Wöchnerin die Nachwehen als schmerzhaft oder gut erträglich empfindet, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Erstgebärende klagen eher über leichte Beschwerden, die häufig mit einem periodenartigen Ziehen im Unterbauch verglichen werden. Mit zunehmender Anzahl der Geburten nimmt meist auch die Stärke der Nachwehen zu (Hohmann 2010). Auch bei einer Überdehnung des Uterus in Folge von Mehrlingsschwangerschaften, bei fetaler Makrosomie oder einem Hydramnion geht die Uterusinvolution mit verstärkten und meist schmerzhafteren Nachwehen einher.
Diese Schmerzen ziehen vom Rücken nach vorne in den Unterbauch, und ihre Intensität wird von einigen Frauen sogar mit den Wehenschmerzen unter der Geburt gleichgesetzt. In manchen Fällen sind die Beschwerden so stark, dass sogar hypotone Kreislaufreaktionen mit Bradykardie und Kaltschweißigkeit auftreten (Rhodes 1966). Hierbei spielt jedoch nicht selten auch die Erwartungsangst der Wöchnerinnen eine wichtige Rolle. Diese begünstigt in einem Teufelskreis aus Angst, Verspannung und Schmerzverstärkung das tatsächliche Eintreten starker Beschwerden.
In welcher Weise sich Nachwehen bei Mehrgebärenden manifestieren, lässt sich besonders anschaulich an kinderreichen US-amerikanischen Familien beobachten. Viele Absolventinnen des Midwives College of Utah in Salt Lake City/USA üben nach ihrer Ausbildung eine Hebammentätigkeit in dem geburtenstarken US-Bundesstaat Utah aus. Sie arbeiten vorwiegend mit Familien, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung mehrere Kinder haben, denn 62 Prozent der Bevölkerung sind Mormonen. Fünf bis zehn Geburten, manchmal auch mehr, sind in dieser zum Teil auch polygam organisierten Gesellschaftsstruktur für eine einzelne Mutter nicht ungewöhnlich. Die betreuenden Hebammen beobachten bei diesen Frauen mit jeder weiteren Geburt eine schrittweise Zunahme der Nachwehen. Etwa ab der siebten Schwangerschaft scheinen die Beschwerden jedoch erstaunlicherweise wieder abzunehmen (Burgess 2014).
Differenzialdiagnosen
Verschiedene andere, zum Teil schwerwiegende Erkrankungen gehen ebenfalls mit Unterbauchschmerzen im Wochenbett einher. Während Nachwehen typischerweise in den ersten zwei bis drei Tagen nach der Geburt auftreten, müssen bei Bauchbeschwerden, die nach diesem Zeitraum einsetzen oder nicht den „klassischen“ Nachwehen-Charakteristika entsprechen, weitere Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden. Häufig handelt es sich hierbei um dauerhafte, nicht-rhythmische Schmerzen, die nicht auf konventionelle Analgetika ansprechen. Da der puerperale Uterus nach der Geburt eine Eintrittspforte für pathogene Keime bietet, sollte bei Schmerzen im Wochenbett mit fieberhaftem Verlauf und/oder einer Verschlechterung des Allgemeinbefindens primär an eine Infektion gedacht werden. Dann sollte die Wöchnerin umgehend ärztlich vorgestellt werden. Die Diagnose „Nachwehen“ stellt bei einer solchen Symptomkonstellation immer eine Ausschlussdiagnose dar.
Unterbauchschmerzen, Abgeschlagenheit und Fieber in Kombination mit einer verzögerten Uterusrückbildung, vermehrtem, übelriechendem Wochenfluss sowie einer druckempfindlichen Gebärmutter deuten beispielsweise auf eine Endometritis oder Endomyometritis hin (Petersen 1997). Bei einer Temperaturerhöhung und reduziertem oder versiegtem Wochenfluss besteht hingegen der Verdacht auf einen Lochialstau. Häufig treten in diesem Fall begleitende Kopfschmerzen auf. Bauchschmerzen im Wochenbett können ferner Ausdruck einer Wundheilungsstörung, beispielsweise nach Sectio, eines intraabdominellen, möglicherweise infizierten Hämatoms oder eines Tuboovarialabszesses sein. Auch eine Gastroenteritis oder Appendizitis, ein Harnverhalt oder eine Pyelonephritis sowie eine Pneumonie können mit fieberhaften Bauchbeschwerden einhergehen. Eine seltene, aber gefährliche Wochenbettkomplikation stellt die septische puerperale Ovarialvenenthrombose dar (Schneider et al. 2004).
Zur Behandlung starker Nachwehen, die von den Müttern als sehr unangenehm empfunden werden, stehen verschiedene klassisch-schulmedizinische sowie komplementäre Therapien zur Verfügung. Die therapeutische Effektivität und Sicherheit vieler dieser Verfahren ist jedoch nicht oder nur unzureichend wissenschaftlich belegt. Es gibt keine umfassenden Leitlinienempfehlungen zur Behandlung von Schmerzen im Wochenbett (Böswald 2013). Daher werden vor allem die nicht-pharmakologischen Methoden meist gemäß der allgemeinen praktischen Erfahrungen eingesetzt, ohne dass ihre Wirksamkeit wissenschaftlich untersucht wurde. Hier besteht dringender Forschungsbedarf.
Aufklärung nimmt die Angst
Vor einer Behandlung von Nachwehenbeschwerden muss eine Aufklärung der Mütter erfolgen. Das gelte unabhängig davon, ob medikamentöse oder komplementärmedizinische Maßnahmen ergriffen werden, so die Meinung der erfahrenen Hebammen des Midwives College of Utah. Bereits während der Schwangerschaft können die Frauen auf das Auftreten von Nachwehen nach der Geburt vorbereitet werden. Hierbei sollte darauf hingewiesen werden, dass es sich bei Nachwehen um einen natürlichen Prozess mit einer Vielzahl positiver Auswirkungen auf den Organismus handelt. Nur wenn die Frauen den physiologischen Sinn hinter diesen zweifelsfrei unangenehmen Beschwerden verstehen, können sie die Nachwehen als Teil des natürlichen Geburtsprozesses akzeptieren. Dies baut Ängste ab und wirkt sich günstig auf die kognitive Verarbeitung und die emotionale Bewertung der Beschwerden aus. Vielen Frauen mag es auch helfen, sich den vorübergehenden Charakter der Beschwerden bewusst zu machen (Burgess 2014).
Die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Neben der eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrung der Mütter und der individuellen Ängstlichkeit spielen auch soziokulturelle Variablen sowie vorbestehende Erkrankungen eine wichtige Rolle. Die Wahl des Therapieverfahrens sollte sich daher immer an den individuellen Bedürfnissen der Wöchnerin ausrichten. Einige Mütter verfügen nach einer womöglich langen und schmerzhaften Geburt sowie aufgrund der mit der Versorgung des Kindes verbundenen postpartalen psychischen und körperlichen Belastungen durch Schlafmangel und Stillen nicht mehr über ausreichende physische und psychische Kompensationsmechanismen, um die rhythmisch wiederkehrenden Schmerzen angemessen zu verarbeiten. In Einzelfällen entwickeln Wöchnerinnen schon beim Anlegen des Neugeborenen stärkste Nachwehen, die mit schweren Kreislaufdysregulationen einhergehen (Rhodes 1966). Ganzheitliche Behandlungsmethoden können hier eine Basistherapie darstellen oder begleitend zu pharmakologischen Verfahren eingesetzt werden.
Bewährte Analgetika einsetzen
Bei einer medikamentösen Therapie der stillenden Mutter sind immer auch die Folgen der Behandlung für das Neugeborene zu berücksichtigen. Obwohl klinische Studien in der Stillzeit nur in beschränkten Umfang möglich sind, liegen insbesondere für das bewährte und gut verträgliche Analgetikum Paracetamol sowie das nicht-steroidale Antiphlogistikum Ibuprofen ausreichende pharmakokinetische und klinische Erfahrungen vor, um diese Mittel in der Stillzeit empfehlen zu können, sofern diese beiden Präparate nicht über einen längeren Zeitraum angewendet werden oder die Dosishöchstgrenze überschritten wird. Die Höchstgrenzen variieren dabei in Abhängigkeit vom Gewicht der Frau oder Vorerkrankungen wie etwa HELLP-Syndrom. Jede Hebamme muss darüber im Einzelfall entscheiden und kann dazu die Fachinformationen konsultieren. Richtig angewendet, sind diese Analgetika bei kurzfristiger Anwendung in der Muttermilch meist unterhalb der therapeutischen Säuglingsdosis nachweisbar (www.embryotox.de). Trotz einer kurzfristigen medikamentösen Behandlung muss daher bei gesunden Kindern keine Stillpause erfolgen. Selbstverständlich müssen jedoch bei jeder medikamentösen Therapie eventuell vorliegende Kontraindikationen sowie das Nebenwirkungsspektrum berücksichtigt werden.
Von einer Anwendung von Metamizol (Novalgin®, Novaminsulfon®) in der Stillzeit wird abgeraten, da nach maternaler Einnahme Zyanoseanfälle beim Säugling auftreten können. Auch Opioid-Analgetika sollten aufgrund ihrer atemdepressiven Wirkung beim Neugeborenen möglichst nicht während der Stillzeit eingesetzt werden. Das häufig in Kombination mit Paracetamol verabreichte Codein wird beispielsweise zu Morphin metabolisiert, das bei Frauen mit genetisch bedingter ultraschneller Verstoffwechselung in toxischen Dosen in der Muttermilch nachweisbar ist (Schaefer 2015).
Ganzheitliche Alternativen nutzen
Bereits im Verlauf der Schwangerschaft informieren sich viele werdende Mütter über nicht-medikamentöse Verfahren zur Entspannung und Schmerzlinderung unter der Geburt. Viele dieser mit einer positiven emotionalen Bedeutung belegten naturheilkundlichen Verfahren können auch nach der Geburt erfolgreich eingesetzt werden.
Die Hebammen des Midwives College of Utah praktizieren eine ganzheitliche Wochenbettbetreuung. Sie fassen die nicht-pharmakologischen Verfahren zur Behandlung des Nachwehenschmerzes wie folgt zusammen: „Hand, Worte, Kräuter, Homöopathie, essenzielle Öle, fürsorgende Zuwendung“.
Viele Wöchnerinnen empfinden Wärmeanwendungen sowie eine leichte Kompressionsbehandlung des Unterbauchs als angenehm krampflösend. Hierbei können in Bauchlage ein warmes Handtuch, ein Kirschkernsäckchen oder ähnliches angewendet werden (Burgess 2014). Alle Wärmeträger sollten jedoch nicht zu stark erhitzt und immer gut isoliert sein, da insbesondere eine zu heiße Wärmflasche oder ein elektrisches Wärmekissen die Haut verbrennen können. Besondere Vorsicht ist zudem bei Kaiserschnitt-Patientinnen geboten, da sie aufgrund der Durchtrennung der sensiblen Hautnerven im Bereich des Unterbauchs eine zu heiße Auflage nicht als schmerzhaft empfinden. Auch ein wärmendes Kräuterbad kann bei Nachwehen helfen – sofern es nicht zu einer Verstärkung von Kreislaufbeschwerden führt. Hierbei können unter anderem Lavendel-, Calendula- und Beinwellextrakte eingesetzt werden. Ein warmer Tee aus Kamille, Gänsefingerkraut oder Himbeerblättern hat eine ähnliche Wirkung (Harder 2005). Ätherische Öle können auch als Aromatherapie in einer Duftlampe angewendet werden. Sie entfalten ihre krampflösende Wirkung zudem bei einer entspannenden Bauchmassage. Hierbei können beispielsweise Zitrus- und Rosenöl, Ylang-Ylang, Patschuli, Johanniskraut, Muskatellersalbei, Lavendel oder Schafgarbe eingesetzt werden.
Neben Akupunktur, Akupressur sowie Techniken der Selbsthypnose sind verschiedene homöopathische Heilmittel zur Linderung von Nachwehen-Beschwerden geeignet. Unter anderem haben sich Chamomilla, Arnica und Caulophyllum bewährt.
Weitere Verhaltensempfehlungen bei starken Nachwehen betreffen die Atmung. Häufig können bereits durch eine entspannungsfördernde Atemtechnik Verkrampfungen gelöst werden. Zudem sollten die Wöchnerinnen die Blase regelmäßig entleeren (Burgess 2014).
Hinweise für die Praxis
- Nachwehen sind ein Teil des physiologischen Rückbildungsprozesses, der im Verlauf des Wochenbettes die Verkleinerung des hypertrophierten Uterus bewirkt. Sie gehören damit – wie die Eröffnungs- und Austreibungswehen – zum natürlichen Geburtsablauf.
- Bei atypischen Unterbauchschmerzen im Wochenbett, die mit Fieber oder einem schlechten Allgemeinbefinden einhergehen, muss immer ein infektiöser Ursprung der Beschwerden ausgeschlossen werden.
- Bei leichten Nachwehen hilft häufig ein aufklärendes Gespräch über die Gutartigkeit und den biologischen Sinn der Kontraktionen.
- Zur Behandlung stärkerer Beschwerden stehen ganzheitliche und pharmakologische Therapieverfahren zur Verfügung, die keine ungünstigen Auswirkungen auf das Stillen des Neugeborenen zur Folge haben.
Links
Arzneimittelsicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit: www.embryotox.de
Literatur
Böswald W: Schmerztherapie in der Schwangerschaft und während der Geburt. Frauenheilkunde up2date 2013. DOI:10.1055/s-0032-1325017/VNR 2760512013141210386
Burgess M: Easing Afterpains: Wisdom from the Midwives College of Utah. Midwifery Today Int Midwife 2014. 110: 55
Harder U: Wochenbettbetreuung in der Klinik und zu Hause. Georg Thieme Verlag 2005
Hohmann M: Wochenbett – Physiologie und Pathologie. Frauenheilkunde up2date 2010. 4 (1): 9-20; DOI: 10.1055/s-0030-1247234
Jangsten E, Bergh I, Mattsson L: Afterpains: A Comparison between Active and Expectant Management of the Third Stage of Labor. Birth 2011. 38 (4): 294–301
Pape H, Kurtz A, Silbernagl S (Hrsg.): Physiologie. Thieme 2014
Petersen EE: Lebensbedrohliche Infektionen im Wochenbett. Der Gynäkologe 1997. 30: 775–781
Rhodes P: Lactation and After-Pains. The Practitioner 1966. 196 (172): 279–280
Schneider H, Husslein P, Schneider KTM: Die Geburtshilfe. Springer 2004
Schaefer C:...
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