Fall-Kontroll-Studie aus Litauen

Hebammengeleitete Geburt: Weniger Interventionen und höhere Stillraten

  • Die Autor:innen einer Studie aus Litauen sprechen sich für hebammengeleitete Versorgungsmodelle und eine weitere Reduktion überflüssiger geburtshilflicher Interventionen aus.

  • Litauen gehört als südlichster der drei Baltikumstaaten zur ehemaligen Sowjetrepublik, wurde 2004 Mitgliedsstaat der Europäischen Union und 2015 Mitglied der Eurozone. Betrachtet man die Geburtshilfe, lag die Betreuung physiologischer und pathologischer Entbindungen viele Jahrzehnte klar in ärztlicher Hand, wobei Hebammen eine untergeordnete Rolle in Form geburtshilflich tätiger Assistent:innen zukam.

    Dies änderte sich aufgrund der Einführung eines Perinatalprogramms im Jahr 1992, das zu einer größeren Autonomie von Hebammen beitrug. Seit 2010 etablierten sich zunehmend hebammengeleitete Versorgungsmodelle, so dass Frauen heute in manchen Städten Litauens unter ärztlich- und hebammengeleiteten Versorgungsmodellen wählen können. Bislang fehlen hierzu vergleichende Studien. Diese Hintergründe gaben Anlass zu einer Studie, in der diese beiden Versorgungsmodelle in Bezug auf einhergehende geburtshilfliche Outcome-Parameter untersucht wurden.

    Durchgeführt wurde eine Fall-Kontroll-Studie mit individuellem Matching unter Low-Risk-Gebärenden in Litauen/Kaunas (n=1.848). Diese fanden ärztlich-geleitet (n=1.664) und hebammengeleitet (n=184) statt. Ein individuelles Matching erfolgte, bei dem 174 vergleichbare Paare gebildet wurden und somit 348 Geburtsverläufe ausgewertet werden konnten.

    Im hebammengeleiteten Versorgungsmodell wurde häufiger auf geburtshilfliche Interventionen verzichtet (99,4 % vs. 96 %) und es kam häufiger zu einer vaginalen Geburt (n=54 vs. n=46). Es wurden keine instrumentellen Geburtsbeendigungen und weniger Periduralanästhesien (n=32 vs. n=48) durchgeführt. Angaben zur Sectiorate fehlen.

    Im hebammengeleiteten verglichen mit dem ärztlichen Versorgungsmodell wurden deutlich weniger Episiotomien durchgeführt (n=16 vs. n=31) und es traten etwas weniger Rissverletzungen ersten und zweiten Grades auf (n=42 vs. n=45). Die postpartale Blutung wurde im hebammengeleiteten, verglichen mit dem ärztlichen, Versorgungsmodell signifikant geringer eingeschätzt (152 ml vs.169 ml) und die Verweildauer im Krankenhaus war signifikant kürzer (3,1 vs. 3,3 Tage).

    Im hebammengeleiteten Versorgungsmodell stillten mehr Frauen als im ärztlich geleiteten Versorgungsmodell ihr Kind (n=164 vs. n=126). Die Apgar-Werte der geborenen Kinder unterschieden sich lediglich geringfügig zwischen den beiden Gruppen.

    Die Autor:innen erörtern, dass bekannte Vorteile einer hebammengeleiteten Geburtshilfe physiologisch verlaufender Geburten in Form einer geringeren Interventionsrate auch in ihren Daten aufgezeigt wurden. Sie vermuten in diesem Zusammenhang einen positiven Einfluss der Betreuung durch Hebammen. Aus Sicht der Autor:innen geben die Ergebnisse Hinweise darauf, hebammengeleitete Versorgungsmodelle in Litauen weiter zu fördern. Sie schlussfolgern, dass hebammengeleitete Geburtshilfe genauso sicher wie ärztlich betreute Geburtshilfe sei und nicht die Rate erfolgreicher vaginaler Spontangeburten beeinflusse. Sie sprechen sich für hebammengeleitete Versorgungsmodelle und eine weitere Reduktion überflüssiger geburtshilflicher Interventionen aus.

    Quelle: Poskiene I et al.: Comparison of vaginal birth outcomes in midwifery-led versus physician-led setting: A propensity score-matched analysis. Open Med (Wars) 2021. 16, 1537-1543. https://doi.org/10.1515/med-2021-0373 ∙ DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 06.12.2021