Retrospektive Kohortenstudie aus den USA

Hitze mit erhöhtem Komplikationsrisiko bei Schwangeren assoziiert

  • Frauen, die in der Schwangerschaft großer Hitze ausgesetzt waren, haben ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Komplikationen während der Wehen und der Geburt, wie eine Studie aus den USA nun zeigt.

  • Frauen, die in der Schwangerschaft großer Hitze ausgesetzt waren – unabhängig davon, ob es sich um eine langanhaltende Hitzewelle oder einzelne Hitzetage handelte –, haben ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Komplikationen während der Wehen und der Geburt. Das zeigt eine retrospektive Studie aus den USA.

    Unter schwerer maternaler Morbidität (SMM) werden unerwartete Komplikationen im Verlauf der Geburt verstanden, die kurz- oder langfristig erhebliche Folgen für die Gesundheit der Frau haben. SMM umfasst 5 operative Eingriffe (zum Beispiel Hysterektomie) und 16 mütterliche Geburtskomplikationen (zum Beispiel nachgeburtliche Blutungen, Eklampsie und Herzversagen).

    »Trotz einer Verbesserung der pränatalen Versorgung hat die Prävalenz von SMM in den USA zugenommen. 2014 war die SMM-Rate fast 3-mal so hoch wie 20 Jahre zuvor«, berichten die Autor:innen um Anqi Jiao vom Department of Environmental and Occupational Health der University of California in Irvine, USA.

     

    Klimawandel als Komplikationstreiber?

     

    Mögliche Erklärungen für diese Entwicklung sind, dass Fälle von SMM heute besser identifiziert werden, aber auch die erhöhte Anzahl von älteren und adipösen Schwangeren.

    »Aber all diese vorgeschlagenen Faktoren können den Aufwärtstrend bei der SMM nicht vollständig erklären«, so Jiao und ihre Kollegen. »Es ist deshalb zwingend notwendig, dass wir mehr vermeidbare Risikofaktoren identifizieren, etwa die Exposition gegenüber Klimaveränderungen.«

    Die retrospektive Kohortenstudie wurde im Gesundheitssystem von Kaiser Permanente Southern California durchgeführt. Eingeschlossen wurden Einzelschwangerschaften, für die Daten zu SMM vorlagen. Am häufigsten waren Bluttransfusionen (62 % der SMM). Sie wurden aber – wie auch in früheren Studien zu der Thematik – nicht berücksichtigt, da keine Daten zur Zahl der transfundierten Einheiten vorlagen.

    Von höherer Häufigkeit waren außerdem akutes Nierenversagen (AKI), akutes Atemnotsyndrom, disseminierte intravasale Koagulopathie, Eklampsie, Hysterektomie, Sepsis und Beatmung.

    Jiao und ihre Kolleg:innen analysierten, welchen Effekt Tage mit mittleren, hohen und extrem hohen Temperaturen, definiert als Tageshöchsttemperaturen über dem 75., 90. und 95. Perzentil der regional üblichen Werte, auf das Auftreten von SMM hatten.

     

    Analyse von lang- und kurzfristiger Hitzeexposition

     

    Sie ermittelten zum einen die langfristige Exposition während der gesamten Schwangerschaft sowie während der drei aufeinanderfolgenden Trimester (Anteil der Hitzetage).

    Zum anderen war die Kurzzeitexposition in der letzten Schwangerschaftswoche von Interesse (≥2, 3 oder 4 aufeinander­folgende Tage Hitzewelle, mit unterschiedlichen Definitionen für Hitzewelle). Der primäre Endpunkt war SMM während des Krankenhausaufenthaltes.

    Insgesamt kam es unter 403.602 eingeschlossenen Schwangerschaften zu 3.446 Fällen von SMM (0,9 %). Jiao und ihre Kollegen berichten, dass eine signifikante Assoziation zwischen der langfristigen Hitzeexposition während der Schwangerschaft sowie während des 3. Trimesters und dem Auftreten von SMM zu beobachten gewesen sei.

    Eine hohe Exposition gegenüber Tagen mit extremer Hitze während der Schwangerschaft (≥ 80. Perzentil des Anteils an Hitzetagen) war mit einem Anstieg des SMM-Risikos um 27% (95-%-KI 17%-37%; p<0,001) asso­ziiert. Eine entsprechende Exposition während des letzten Trimesters war mit einem Anstieg um 28 % (95-%-KI 17%-41%; p<0,001) verbunden.

    Auch kurzfristige Expositionen gegenüber Hitzewellen (unabhängig von der Definition von Hitzewellen) waren mit einem erhöhten Risiko für SMM assoziiert.

    Die Stärke der Assoziation stieg im Allgemeinen von der am wenigsten strengen Definition für Hitzewelle (Tageshöchsttemperatur > 75. Perzentil für ≥ 2 Tage; OR 1,32; 95-%-KI 1,17-1,48; p<0,001) bis zur strengsten Definition (Tageshöchsttemperatur > 95. Perzentil für ≥ 4 Tage; OR 2,39; 95-%-KI 1,62-3,54; p<0,001) an.

     

    Wechsel von kalt auf heiß besonders problematisch

     

    Besonders stark waren die Assoziationen bei Müttern mit niedrigerem Bildungsstand und bei Müttern, deren Schwangerschaft in der kalten Jahreszeit (November bis April) begonnen hatte.

    »In unserer retrospektiven Kohortenstudie waren sowohl eine langfristige als auch eine kurzfristige Exposition gegenüber Hitze in der Schwangerschaft mit einem höheren Risiko für SMM assoziiert. Diese Erkenntnisse könnten wichtige Implikationen für die Prävention von SMM haben, insbesondere angesichts des sich verändernden Klimas«, schlussfolgern die Autoren.


    Quelle: Jiao, A., Sun, Y., Avila, C., Chiu, V., Slezak, J., Sacks, D. A., Abatzoglou, J. T., Molitor, J., Chen, J. C., Benmarhnia, T., Getahun, D., & Wu, J. (2023). Analysis of Heat Exposure During Pregnancy and Severe Maternal Morbidity. JAMA network open, 6(9), e2332780. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2023.32780 · aerzteblatt.de, 14.9.23 · DHZ

     

    Rubrik: Schwangerschaft

    Erscheinungsdatum: 18.09.2023