US-amerikanische Studie zum Geburtsort

Ist die Hausgeburt sicher?

Eine Studie aus dem US-Bundesstaat Oregon fachte Ende vergangenen Jahres erneut die Diskussion um die Sicherheit der außerklinischen Geburt an. Eine genaue Betrachtung der Rahmenbedingungen und der Interpretation der Ergebnisse tut Not. Sie lassen sich nicht direkt auf deutsche Verhältnisse übertragen. Deutlich wird jedoch: Der unvoreingenommene Blick auf den Ort der Geburt und das Wahlrecht der Frau auf der Basis von vollständigen Patienteninformationen ist und bleibt verstellt. Frauke Storp (ehemals Wagener)
  • Wieder eine Studie zum perinatalen Outcome bei Hausgeburten, die negative Folgen für das Kind sieht: Ein genauer Blick auf das Studiendesign ist zur Interpretation der Ergebnisse unerlässlich.

  • Eine US-amerikanische Forschungsgruppe um den Gynäkologen und Gesundheitswissenschaftler Dr. Jonathan Snowden von der Oregon Health and Science University hat im Dezember 2015 im renommierten New England Journal of Medicine (NEJM) die Ergebnisse ihrer Out-of-Hospital-Studie veröffentlicht (Snowden et al. 2015). Dadurch wurde erneut eine Kontroverse über die Hausgeburt als eine sichere Alternative zur Klinikgeburt in Gang gesetzt. Dies zeigte jüngst eine Diskussion und eine Meinungsumfrage dazu im gleichen Magazin mit der Frage, ob die Hausgeburt sicher ist: „Is homebirth safe?“ (NEJM 2015)

    In den USA konnte in den vergangenen Jahren ein leichter Anstieg der Hausgeburtsrate verzeichnet werden. Die Rate stieg von 0,56 Prozent im Jahr 2004 auf 0,89 Prozent 2012. Parallel dazu stieg auch die Geburtenzahl in den sogenannten Birth Centers, die man mit den Geburtshäusern in Deutschland vergleichen kann, von 0,23 Prozent auf 0,39 Prozent.

    Oregon ist zwar flächenmäßig der neuntgrößte Bundesstaat der USA. Seine Einwohnerzahl steht jedoch mit knapp über 3,8 Millionen nur an etwa 27. Stelle. Oregon kann nicht als repräsentativ für die USA angesehen werden. Die Bundesstaaten unterscheiden sich in den USA insgesamt sehr stark in ihrer Bevölkerungsstruktur und der Organisation des Gesundheitssystems.

     

    Die Studie aus den USA

     

    In Oregon hat es in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 90.195 Geburten gegeben, wovon 25.697 Kinder per Sectio (28,5 Prozent) und 63.403 vaginal geboren wurden. Für den Zeitraum von 2012 bis Ende 2013 werden insgesamt 319 (0,35 Prozent) neonatale Todesfälle und 19 mütterliche Sterbefälle angegeben (Oregon Health Authority 2015). Die Rate der Hausgeburten wird für 2012 mit 2,4 Prozent, die Rate der Birth-Center-Geburten mit 1,6 Prozent angegeben.

    Den allgemeinen Trend zu mehr außerklinischen Geburten nahm die amerikanische Forschungsgruppe um Jonathan Snowden zum Anlass, die Ergebnisse der geplanten außerklinischen Geburten mit denen der geplanten Klinikgeburten zu vergleichen. In der Studie fanden insgesamt 79.727 Geburten aus den Jahren 2012 und 2013 Berücksichtigung. Einbezogen in das Untersuchungskollektiv wurden ausschließlich reife Einlinge in Schädellage ohne absehbare Fehlbildungen, um die Untersuchungsgruppen miteinander vergleichen zu können. Die Gesamtzahl der in diesem Zeitraum geplanten außerklinischen Geburten lag bei 3.203, von denen 601 (18,7 Prozent) letztlich in ein Krankenhaus verlegt worden waren.

     

    Blick nach Deutschland

     

    Ein kurzer Vergleich mit der Gesamtgeburtenzahl Deutschlands im gleichen Zeitfenster: Es gab in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 1.355.613 Lebendgeburten (DESTATIS). Davon waren 18.033 (etwa 1,3 Prozent) laut der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e.V. (QUAG) dokumentierte außerklinische Geburten – die fünffache Anzahl wie in Oregon. Die QUAG gibt die perinatale Mortalitätsrate der außerklinisch dokumentierten Geburten 2012 mit 1,8 und für 2013 mit 1,5 pro 1.000 Geburten an. Die mütterliche Sterblichkeit betrug null. Die Verlegungsrate der gesamten außerklinischen Geburten betrug 2012 16,8 Prozent und 2013 16,9 Prozent.

    Die perinatale Sterblichkeitsrate, die den Zeitraum zwischen der abgeschlossenen 22. Schwangerschaftswoche bis zum siebten Tag post partum umfasst, betrug in Deutschland für 2012 insgesamt 5,29 pro 1.000 Geburten (2.400 Todesfälle) bei insgesamt 673.544 Lebendgeborenen. 2013 betrug sie 5,3 pro 1.000 Geburten (2.556 Todesfälle) bei insgesamt 682.069 Lebendgeburten (DESTATIS; BfB; Statista). Die mütterliche Sterblichkeit wird 2012 mit 31 Müttern und 2013 mit 29 Müttern angegeben (BfB2; WHO; DESTATIS).

    Bei einem Vergleich der Zahlen muss man die Unterschiede der Gesundheitssysteme berücksichtigen. Krankenhaus- und Krankenversicherungssysteme sind unterschiedlich organisiert und die Verbindlichkeit von Leitlinien und Standards wird anders gehandhabt. So gibt es in den USA weder einheitliche Regularien für die Hausgeburt noch eine einheitliche Hebammenausbildung. Der Staat Oregon hat beispielsweise die Zulassungsbedingungen für Hebammen erst 2015 einheitlich geregelt.

    Der regional unterschiedlichen Ausbildung in medizinischen Berufen, den verschiedenen Qualifikationen und Zulassungsvorschriften muss bei einem Vergleich Beachtung geschenkt werden. Und letztlich können Datensätze, die mit verschiedenen Erfassungssystemen gewonnen wurden, nicht genau miteinander abgeglichen werden. Der deutsche Perinatalerhebungsbogen ist nicht mit den staatlichen Datenbanken in Oregon vergleichbar, da dort beispielsweise keine umfassenden anamnestischen Daten erfasst werden. Die Daten in der Studie aus Oregon stammen aus verschiedenen staatlichen Datensammlungen und wurden von der Studiengruppe retrospektiv ausgewertet. Die AutorInnen werteten es als günstigen Umstand, dass die neuen in Oregon verwendeten Geburtszertifikate – entsprechend den Geburtsmeldungen in Deutschland – auch einen Einblick erlauben, wie und wo eine Geburt geplant war.

    Fragen zur Planung, Verlegung und zum Ergebnis der verlegten Geburt sind auch im deutschen Erfassungsbogen zur außerklinischen Geburt enthalten. Dies macht einen differenzierteren Blick auf Verlegungen der außerklinisch geplanten und begonnenen Geburten möglich. Und es nimmt der häufigen Kritik den Wind aus den Segeln, dass die schlechten Ergebnisse der verlegten Hausgeburten automatisch der Klinikstatistik zugeschrieben würden.

     

    Ergebnisse der Studie

     

    Die Ergebnisse der retrospektiven Kohortenstudie zeigen, dass die Interventionsrate und auch der Gebrauch von wehenfördernden Medikamenten bei den untersuchten Hausgeburten deutlich niedriger lagen als bei den Klinikgeburten. Insbesondere die Rate sekundärer Sectiones lag signifikant niedriger (5,3 Prozent zu 27,7 Prozent).

    Die perinatale Mortalität bei geplanter Hausgeburt war jedoch fast doppelt so hoch wie bei geplanten Klinikgeburten (3,9 zu 1,8 Prozent auf 1.000 beziehungsweise 0,18 zu 0,39 Prozent). Die AutorInnen bewerten dieses Risiko aber insgesamt als gering, da die absoluten Zahlen beider Untersuchungsgruppen diesbezüglich sehr niedrig sind und das Risiko der perinatalen Mortalität insgesamt als sehr klein anzusehen ist.

    Nach geplanten außerklinischen Geburten wurden außerdem häufiger niedrigere Apgarwerte verzeichnet. Es kam häufiger zu Krampfanfällen bei Neugeborenen. Und die Zahl der mütterlichen Bluttransfusionen lag höher. Die Option Hausgeburt wird von den AutorInnen dennoch als vertretbare Alternative gehandelt und nicht abqualifiziert.

    In Oregon muss jetzt weiter geforscht werden, worin die jeweils schlechteren Ergebnisse der verschieden Geburtsorte begründet liegen. Dafür müssen auch infrastrukturelle Gegebenheiten näher beleuchtet werden.

    Ein weiterer im Dezember 2015 erschienener Artikel im NEJM setzt sich infolge der Studie unter der Rubrik „Clinical Decisions“ in Form einer Pro- und Contra-Argumentation mit der Entscheidung über den Geburtsort auseinander. Am Beispiel einer gesunden Zweitgebärenden ohne erkennbare Risiken diskutieren die Fachärztinnen für Gynäkologie Mary Ann Wilbur, Sarah Little und Linda Szymanski, ob sie den Wunsch der Schwangeren nach einer Hausgeburt unterstützen würden oder nicht. Wilbur, die für das NEJM tätig ist, stellt den Fall vor.

     

    Diskussion der Argumente

     

    Little und Szymanski argumentieren augenscheinlich auf sachlicher Ebene und nennen Zahlen aus medizinischen Studien. Little beruft sich dabei auf die Daten der aktuellen Studie von Jonathan Snowden. Sie hält die Option Hausgeburt für diese Low-Risk-Patientin für durchaus vertretbar; nicht zuletzt auch deshalb, weil die Frau in der Fallstudie als „thoughtful in her participation in prenatal care“ beschrieben wird – als wohlüberlegt in ihrer Inanspruchnahme pränataler Vorsorge. Sie begründet es damit, dass diese am Ersttrimesterscreening und regelmäßigen Wachstums- und Ultraschallkontrollen teilgenommen hat. Verantwortungsvolle Vorsorge macht sich hier an der Teilnahme an ärztlich empfohlener Pränataldiagnostik fest. Es wird nicht versäumt, auf eine adäquate Risikoaufklärung und Organisation einer Verlegungsoption hinzuweisen, damit die Frau eine informierte Entscheidung treffen kann.

    Linda Szymanski, die die Gegenposition vertritt, räumt durchaus ein, welch wunderschöne Erfahrung („wonderful experience“) eine Geburt zu Hause sein könne. Sie leitet dann jedoch zum „Aber“ über und beschwört die unvorhersehbare Dramaturgie der Geburtshilfe: „A woman’s dream delivery then becomes her worst nightmare.“ – Die Traumgeburt einer Frau wird dann zu ihrem schlimmsten Albtraum. Auch ihre Argumentation wird wieder mit wissenschaftlichen Daten, einer Stellungnahme des American College of Obstetricians unterlegt (ACOG 2011). Diese belegt scheinbar eindeutig, dass die Krankenhausgeburt sicherer sei. Diese Stellungnahme des ACOG stößt jedoch auch auf vielfältige Kritik, denn der wissenschaftliche Beweis der Krankenhausgeburt als der sichereren Option steht bislang noch aus. Szymanski erwähnt auch das klassische Argument der Gefahr der zeitverzögernden Verlegung und gibt den Hinweis darauf, dass eine umfassende Risikoaufklärung vor einer Hausgeburt unbedingt erforderlich sei.

    Daran ist zu erkennen, dass in den USA über die Aufklärung zur Wahl des Geburtsortes noch diskutiert wird, während diese in anderen Ländern bereits eingeführt wurde.

    Szymanskis ärztliche Stellungnahme endet mit dem Satz: „The question is, what level of risk is she willing to take?” – Die Frage ist, welche Risikostufe sie einzugehen bereit ist. Dieser Satz suggeriert, dass eine Gebärende, die sich für eine Hausgeburt entscheidet, immer ein Risiko in Kauf nehmen würde, das sie durch die Entscheidung für eine Krankenhausgeburt umgehen könnte. Der Begriff Risiko wird jedoch nicht näher definiert und die verschiedenen Risiken der jeweiligen Geburtsorte nicht gegeneinander abgewogen. Es gibt nämlich keinen allgemeinen „Level of Risk“, sondern lediglich statistische Wahrscheinlichkeiten verschiedener potenziell möglicher Ereignisse.

    An der Umfrage zu dem Artikel haben innerhalb von 14 Tagen 1.524 LeserInnen teilgenommen, 68 Prozent aus den USA und 32 Prozent aus anderen Ländern. 70 Prozent stimmten der Hausgeburt als Option zu. Die Herausgeber des NEJM können nicht genau feststellen, ob die Stimmen von PatientInnen, Hebammen oder ÄrztInnen kamen. Sie geben jedoch an, dass jene, die sich mit dem PatientInnenstatus identifizieren, eher zugunsten der Hausgeburt tendierten, und jene, die sich mit ihrem Status als ÄrztInnen identifizieren, eher zur Krankenhausgeburt.

     

    Wenig konstruktive Diskussion

     

    Sprachwahl und Art der Diskussion im NEJM zeigen, wie schwierig es immer noch ist, in der allgemeinen Debatte um die Sicherheit außerklinischer Geburtshilfe konstruktiv weiterzukommen. Auch die zahlreichen Ergebnisse vergangener Studien, welche die bestehenden Vorurteile eigentlich entkräften müssten, oder auch die Datenerhebung der QUAG in Deutschland scheinen den Großteil der GeburtshelferInnen nicht wirklich zu überzeugen, ihre Meinung über außerklinische Geburt zu ändern.

    Die Debatte wurde seit jeher und wird immer noch sehr emotional geführt, so bereits im Nachrichtenmagazin Der Spiegel  von 1986 und auch 2013. Wie unterschiedlich Studienergebnisse dargestellt, ihre verschiedenen Ergebnisse gewichtet und der Fokus ausgerichtet werden, zeigt auch ein Beitrag zur aktuellen Studie im Deutschen Ärzteblatt, dessen AutorInnen das erhöhte perinatale Risiko direkt nutzten für die Headline „USA: Hausgeburten mit erhöhtem perinatalem Risiko“ (DÄB 2016).

    Und auch ein Beitrag der Gynäkologin Prof. Dr. Birgit Arabin und KollegInnen bestätigt dies im Frauenarzt, der Zeitschrift des Berufsverbandes der Frauenärzte, unter dem Titel „Risikobewusste Alternativen zur außerklinischen Geburt“. Auch dieser Beitrag lässt keinen Zweifel an einer prinzipiell ablehnenden Position der AutorInnen zum Thema Hausgeburt. Als Alternative zur verantwortungslosen außerklinischen Geburtshilfe entwerfen sie eine Art „geburtshilfliches Utopia“, in dem Hebammen auf gleicher Hierarchieebene mit ÄrztInnen stehend interventionsarme Hebammengeburtshilfe in Krankenanstalten betreiben (Arabin et al. 2016).

    Dabei stehen die sicherheitsstärkenden Vorteile der außerklinischen Geburtshilfe außer Frage. Eine kontinuierliche Eins-zu-Eins-Betreuung, eine vertraute und über die Frau gut informierte Betreuungsperson und ein vertrautes Umfeld führen zu einer geringeren Interventionsrate: zu weniger Sectiones, weniger Dammschnitten und einer höheren Zufriedenheit der Frau ohne schlechtere perinatale Ergebnisse. Mittlerweile wurden diese Vorteile in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten dargelegt (Faucon & Brillac 2013; Hutton et al. 2015).

    Trotzdem bekommen Frauen in Deutschland von ihren ÄrztInnen und auch von ihren Hebammen oft negative Kommentare zur außerklinischen Geburtshilfe zu hören.

    In einem viel geringeren Maße dagegen sprechen diese über die „anderen“ Risiken, die mit einer Geburt verbunden sein können. Risiken, die heutzutage eingegangen werden, sobald man ein Krankenhaus betritt: ein höheres Infektionsrisiko, ein höheres Interventionsrisiko mit den entsprechenden Folgerisiken, das Risiko, dass niemand Zeit hat, die Frauen aufzuklären oder zu betreuen, oder dass Betreuungspersonen eventuell als unsympathisch empfunden werden können und dass wenig Gelegenheit dazu gegeben ist, sich vor der Geburt von der Kompetenz der Betreuenden zu überzeugen. Das Risiko eben, dass eine Schwangere mit ihren individuellen Bedürfnissen in einem System untergeht, das gewohnt ist, standardisiert vorzugehen.

     

    Was gehört zur Aufklärung?

     

    Gehört es theoretisch nicht zur Aufklärungspflicht im Sinne einer informierten Entscheidung, beispielsweise auch über Personalmangelsituationen aufzuklären? Das Patientenrechtegesetz (PRG) sieht schließlich vor, „den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären“. Und: „bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen.“

    Die Leitlinien des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) beispielsweise fordern in Großbritannien GeburtshelferInnen dazu auf, gesunde Schwangere über die Möglichkeit einer außerklinischen Geburt aufzuklären (NICE 2014). In den britischen Guidelines werden die Ergebnisse und Vorteile dieser Geburten transparent und für alle nachvollziehbar abgebildet.

    In Deutschland hingegen ist besonders außerklinisch tätigen Hebammen von ihrer Haftpflichtversicherung und dem Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) auferlegt worden, sehr ausführlich und schriftlich vor allem über die Risiken einer außerklinischen Geburt aufzuklären. Wer sich nicht daran hält und keine Unterschrift der Frau einholt, riskiert unter Umständen seinen Versicherungsschutz. Dafür hat der Deutsche Hebammenverband (DHV) äußerst ausführliche Checklisten sowie umfangreiche Aufklärungsbögen entwickelt und seinen Mitgliedern an die Hand gegeben. Eine derartig umfassende Aufklärung über die Geburt und ihre Risiken wird, trotz Vorgaben des Patientenrechtegesetzes (PRG), in Krankenhäusern selten durchgeführt. Frauen erhalten in einigen Kliniken zwar Aufklärungsbögen vorwiegend für spezifische Eingriffe wie PDA, Episiotomie, Vakuumextraktion oder Sectio. Sie müssen aber nicht für die vielfältigen Risiken unterschreiben, die immer mit Betreten eines Krankenhauses verbunden sind, wie beispielsweise für die organisatorischen Risiken oder für die theoretischen Risiken, die eigentlich jede Geburt in sich trägt.

    Das führt zum Schluss, dass eine physiologische Geburt zu Hause in Deutschland wie ein einwilligungspflichtiger Eingriff behandelt wird, während bei einer physiologischen Krankenhausgeburt, also beim vermeintlich „Normalen“, andere Maßstäbe angelegt werden. Wie hoch das statistische Risiko ist, dort eine Intervention zu erhalten, wird nicht offen kommuniziert. Sichtweise und Ungleichbehandlung der Situationen muten paradox an.

     

    Resümee

     

    Wahrscheinlich beeindrucken und überzeugen die Studienergebnisse aus Oregon wissenschaftlich orientierte SchulmedizinerInnen wenig, da die Fallzahlen gering sind. Tendenzen, die dort aufgezeigt werden, verwundern diejenigen nicht, die sich schon länger mit dem Thema außerklinische Geburtshilfe sachlich auseinander gesetzt haben. Die Studie bestätigt bereits Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen in anderen Ländern: Sicherheit in der Geburtshilfe ist abhängig von guter Betreuungsqualität und -kontinuität, individueller Vor- und Fürsorge – sowohl zu Hause als auch in Kliniken. Qualifizierte Hebammen und eine kluge Zuordnung der Frauen an den für sie geeigneten Geburtsort sind eine notwendige Voraussetzung. Die Optimierung der Verlegung, eine gute Transport- und Übergabelogistik sowie eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit könnten helfen, die verbleibenden Risiken außerklinischer Geburtshilfe zu minimieren. Klug wäre es, an den infrastrukturellen Problemen weiter zu forschen und die Bedingungen aktiv zu verbessern.

    Für Deutschland haben die Ergebnisse aus Oregon aufgrund der Unterschiede in den Gesundheitssystemen wenig Relevanz. Hier mangelt es bis heute an einer staatlich initiierten und finanzierten bundesweiten Geburtsortstudie, die die Situation in Deutschland beleuchtet. Das Pilotprojekt – ein Vergleich klinischer Geburten in Hessen mit außerklinischen Geburten in von Hebammen geleiteten Geburten bundesweit – von GKV-SV, Hebammenverbänden und der Gesellschaft für außerklinische Geburtshilfe könnte hier beispielhaft als Pate stehen (QUAG 2011).

     

    Ausblick

     

    Die Art der immerwährenden Diskussion zeigt auf, dass die Meinungsbildung zur außerklinischen Geburtshilfe auf noch anderen Ebenen als den rein rationalen stattzufinden scheint. Sie wird eben nicht unbedingt von wissenschaftlichen Ergebnissen, Sachlichkeit und Vernunft geprägt. Es wäre daher auch von Interesse, den oft starken Emotionen, wie manchmal fast aggressiver Ablehnung oder auch ideologisch anmutender Befürwortung, nachzugehen und die ihnen zugrunde liegenden Ängste und Ursachen aufzuhellen.

    Rubrik: Ausgabe 06/2016

    Erscheinungsdatum: 30.12.2020

    Literatur

    ACOG Committee Opinion No. 476: planned home birth, in: Obstet Gynecol. 2011 Feb; 117(2 Pt 1):425-8. doi: 10.1097/AOG.0b013e31820eee20. Abstract unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=ACOG+Committee+on+Obstetric+Practice.+ACOG+Committee+Opinion+No.+476%3A+planned+home+birth.

    Arabin B et al: Risikobewusste Alternativen zur außerklinischen Geburt. Der Frauenarzt 2016. 57 (4) 338–343

    Bundesgesundheitsministerium (BGM): Daten des Gesundheitswesens bis 2011, 2013, online unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/dateien/Publikationen/Gesundheit/Broschueren/Daten_des_Gesundheitswesens_2013.pdf

    Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BfB): (BfB1): Perinatalsterblichkeit. Online unter: http://www.bib-demografie.de/SharedDocs/Glossareintraege/DE/P/perinatalsterblichkeit.html

    Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BfB): (BfB2): Müttersterblichkeit. Online unter:...

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