Randomisiert-kontrollierte Studie aus China

Könnte das »Vaginal Seeding« die Entwicklung von Kaiserschnittkindern beeinflussen?

  • Die per Kaiserschnitt induzierte Veränderung des frühen Mikrobioms könnte nach bisherigen epidemiologischen Untersuchungen negative Auswirkungen auf die neurologische Entwicklung, das Immunsystem und den Stoffwechsel des Kindes haben.

  • Das Übertragen von Vaginalsekret auf das neugeborene Kind (vaginales Seeding) könnte Mikrobiotastrukturen nach einem Kaiserschnitt angleichen. In einer 3-fach verblindeten, randomisierten Studie mit 87 Babys wurden positive Effekte auf die Entwicklung der Darmmikrobiota, den Stoffwechsel und die neurologische Entwicklung beobachtet.

    Säuglinge, die vaginal geboren werden, kommen mit dem vaginalen Mikrobiom der Mutter in Kontakt, dass durch Bakterien wie zum Beispiel Lactobacillus, Escherichia und Bacteroides gekennzeichnet ist. Wohingegen das Mikrobiom der Säuglinge, die per Kaiserschnitt geboren wurden, eher jenen Stämmen ähneln, die auf der Hautoberfläche der Mutter und im Operationssaal zu finden sind, wie zum Beispiel Staphylococcus, Enterococcus und Klebsiella.

    Die per Kaiserschnitt induzierte Veränderung des frühen Mikrobioms könnte nach bisherigen epidemiologischen Untersuchungen negative Auswirkungen auf die neurologische Entwicklung, das Immunsystem und den Stoffwechsel des Kindes haben.

     

    Untersuchung der Effekte des vaginal-mikrobiellen Transfers

     

    Ob der vaginal-mikrobielle Transfer (VMT) auf die per Kaiserschnitt geborenen Kinder ein mögliches Mikrobendefizit bei der Erstbesiedlung ausgleichen kann, haben chinesische Forschende untersucht.

    Dazu wurde Vaginalsekret der Mütter (n=35) kurz nach dem Kaiserschnitt auf die Babys übertragen oder eine Kochsalzlösung (Kontrollgruppe n=41). Nach 42 Tagen wurden zunächst das Mikrobiom und die Stoffwechselprodukte im Darm analysiert. Im weiteren Follow-up nach 3 und 6 Monaten wurde die neurologische Entwicklung der Kinder anhand des ASQ-3-Fragebogens (Ages and Stages Questionnaire) abgeschätzt. Den Fragebogen beantworteten jeweils die Eltern und gaben darin Auskünfte zur Kindesentwicklung in Bezug auf Kommunikation, Feinmotorik, Grobmotorik, Problemlösung und persönlich-soziale Fähigkeiten.

    Die Ergebnisse des ASQ-3-Fragebogens unterschieden sich nach 6 Monaten signifikant und lieferten bessere Ergebnisse nach VMT. Die VMT-Anwendung beschleunigte innerhalb der ersten 42 Tage die Entwicklung der Darmmikrobiota signifikant und hatte positive Effekte auf fäkale Metaboliten und Stoffwechselwege, einschließlich Kohlenhydrat- und Aminosäurestoffwechsel sowie Energiehaushalt nach der Geburt. Unerwünschte Ereignisse innerhalb der ersten 42 Tage nach der Geburt waren in beiden untersuchten Kohorten ähnlich: zum Beispiel Hautveränderungen (4 % versus 3 % VMT), Infektionen der oberen Atemwege (0 % versus 1 % VMT).

    Die Studienautor:innen schlussfolgern daraus, dass VMT wahrscheinlich eine sichere Intervention darstellt und womöglich einen Beitrag zur Normalisierung der Neuroentwicklung und des fäkalen Mikrobioms bei Säuglingen, die per Kaiserschnitt entbunden wurden, leisten kann.

     

    Einschränkungen

     

    »Zum Vaginal Seeding muss auch einschränkend gesagt werden, dass man theoretisch auch unerwünschte Erreger/Viren übertragen kann. Deswegen wird das Verfahren derzeit von europäischen Fachgesellschaften kritisch gesehen«, gab Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik, Universitätsklinikum Würzburg, zu bedenken. »Man kann sicher von Hoffnung sprechen, aber die Daten sind weit entfernt davon, mögliche Zusammenhänge von Kaiserschnitt mit ADHS, Autismus oder anderen Störungen aufzuklären oder gar eine Intervention darzustellen«, so Härtel weiter. Hier brauche es andere Fallgrößen mit entsprechend etablierten und objektivierbaren neuropädiatrischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Langzeituntersuchungen.

    Quelle: Zhou, L., Qiu, W., Wang, J., Zhao, A., Zhou, C., Sun, T., Xiong, Z., Cao, P., Shen, W., Chen, J., Lai, X., Zhao, L. H., Wu, Y., Li, M., Qiu, F., Yu, Y., Xu, Z. Z., Zhou, H., Jia, W., Liao, Y., … He, Y. (2023). Effects of vaginal microbiota transfer on the neurodevelopment and microbiome of cesarean-born infants: A blinded randomized controlled trial. Cell host & microbe, S1931-3128(23)00215-9. https://doi.org/10.1016/j.chom.2023.05.022 ∙ aerzteblatt.de, 20.6.2023 ∙ DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 21.06.2023