Beobachtungsstudie aus China

Masernimpfung nach Kaiserschnitt weniger effektiv

  • Kinder, die per Sectio geboren wurden, haben vermutlich nach der ersten Impfung gegen Masern kaum Infektionsschutz, dieser wird erst durch die zweite Impfung erreicht.

  • Die erste Masernimpfung erzielt möglicherweise bei Säuglingen, die per Kaiserschnitt geboren wurden, einen geringeren Impfschutz. Darauf deuten die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie aus China in Nature Microbiology hin. Nach der zweiten Impfdosis gab es allerdings keine Unterschiede mehr zu den auf natürlichem Wege geborenen Kindern.

    Die Entwicklung der Darmflora ist bei Säuglingen, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, häufig verzögert. Ihnen fehlt die »Startdosis« an Mikroorganismen, die die Neugeborenen normalerweise bei der Passage durch den Geburtsweg erhalten. Die Besiedlung des Darms mit Mikroorganismen liefert wichtige Impulse für die Entwicklung des Immunsystems.

    Der Darm ist eine Schule des Immunsystems, weil die Abwehrzellen dort ständig mit neuen Antigenen konfrontiert werden. Dass dies Auswirkungen auf die Effektivität von Impfungen haben könnte, hat ein Team um Hongjie Yu von der Fudan Universität in Shanghai und Henrik Salje von der Universität Cambridge eher zufällig entdeckt.

    Die Forscher:innen wollten klären, warum es trotz einer hohen Impfquote in China immer wieder zu Masernepidemien kommt und warum dabei ein Drittel der Kinder trotz Impfung erkrankt. Sie vermuteten zunächst, dass dies mit dem frühen ersten Impftermin zusammenhängt. Die Kinder erhalten in China die erste Dosis der Masernimpfung im Alter von acht Monaten. In dieser Zeit geht der Impfschutz verloren, den die Kinder durch die Antikörper aus dem Blut der Mutter erhalten.

    Niederländische Forscher:innen hatten in Lancet Infectious Diseases (2019; DOI: 10.1016/S1473-3099(19)30396-2) die Hypothese aufgestellt, dass die mütterlichen Antikörper die Reaktion des kindlichen Immunsystems abschwächen (»blunting«) und die Säuglinge deshalb nicht ausreichend vor den Masern geschützt werden, vor allem, wenn die zweite Dosis relativ spät erfolgt – in China im Alter von 18 Monaten. Tatsächlich konnten Yu und Salje zeigen, dass eine Impfung nach 12 und 24 Monaten zu einem stärkeren Anstieg der Antikörper-Titer führt.

    Sie machten allerdings noch eine andere Beobachtung: Bei 12 % der Kinder, die via Kaiserschnitt geboren wurden, kam es nach der ersten Impfung nur zu einem unzureichenden Anstieg der Antikörper-Titer, der vermutlich nicht für einen Impfschutz ausreichen würde. Bei den Kindern, die auf natürlichem Weg geboren wurden, lag der Anteil nur bei 5 %. Die Odds Ratio von 2,56 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,06 bis 6,37 statistisch signifikant.

    Da in China mehr als jedes dritte Kind (38 %) per Kaiserschnitt geboren wird, könnte dies zumindest einen Teil der Erkrankungen erklären, zu denen es unter den geimpften Kindern gekommen ist. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass die Impflücke durch die zweite Impfdosis geschlossen wurde. Hier erreichten die per Kaiserschnitt geborenen Kinder einen gleich guten Schutz.

    Quelle: Wang, W., O'Driscoll, M., Wang, Q., Zhao, S., Salje, H., & Yu, H. (2024). Dynamics of measles immunity from birth and following vaccination. Nature microbiology, 10.1038/s41564-024-01694-x. Advance online publication. https://doi.org/10.1038/s41564-024-01694-x ∙ aerzteblatt.de, 14.5.2024 ∙ DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 16.05.2024