Vorsorge in der Schwangerschaft

Mehr Untersuchungen als nötig

  • Viele Frauen werden über das empfohlene Maß hinaus in der Schwangerschaft untersucht: Zu viele CTGs, Ultraschalluntersuchungen können jedoch Unsicherheit produzieren.

  • Nahezu alle schwangeren Frauen erhalten mehr Untersuchungen als die Mutterschafts-Richtlinien vorsehen. Ob Risikoschwangerschaft oder völlig unauffälliger Schwangerschaftsverlauf: Werdende Mütter erfahren stets die nahezu gleiche Behandlung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung.

    Frauen, die zwischen November 2013 und Oktober 2014 ein Kind geboren haben, wurden im November 2014 postalisch zu der Schwangerschaft befragt. Es handelt sich dabei um eine Zufallsstichprobe aller bei der BARMER GEK versicherten Frauen, die in diesem Zeitraum ein Kind bekommen haben. Die Teilnehmerinnen wurden aufgefordert, Fragen zu dem Angebot und der Durchführung der oben beschriebenen Maßnahmen, der Motivation zur Durchführung und der Aufklärung über die genannten Maßnahmen zu beantworten. Um die Notwendigkeit einzelner Maßnahmen besser nachvollziehen zu können, wurden außerdem schwangerschaftsbezogene medizinische Befunde abgefragt.

     


    Befragt wurden am Ende 1.293 Mütter. Weil viele der von den ÄrztInnen angebotenen oder von den Schwangeren gewünschten Leistungen nicht routinemäßig vorgesehen sind, mussten 80 Prozent der werdenden Mütter Zuzahlungen leisten. "Mehr ist nicht zwingend besser. Es gibt eine klare Überversorgung während der Schwangerschaft", so Uwe Schwenk, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung.

    Fast alle Schwangeren wurden abweichend von den offiziellen Richtlinien behandelt. Bei der Cardiotokografie (CTG) und bei der Ultraschalluntersuchung wurden Risikoschwangerschaften genauso versorgt wie Frauen mit einem unauffälligen Schwangerschaftsverlauf. "Die Ausnahme Risikoschwangerschaft ist inzwischen zur Regel geworden", meint Schwenk.

    Jede zweite Frau gab an, von ihrem Arzt "sehr gut" beraten worden zu sein. Weitere 30 Prozent antworteten mit "gut". Allerdings bedeutet dies auch, dass sich durchschnittlich nur die Hälfte der Befragten über die Aussagekraft beziehungsweise die Wirkungsweise einer Maßnahme sehr gut aufgeklärt fühlte. 95 Prozent der Frauen glauben, dass ein CTG zu den Routinemaßnahmen in der Schwangerschaft gehört – dabei ist es als solche in den Mutterschafts-Richtlinien nicht vorgesehen.

    Nahezu jede Schwangere bekommt ein CTG, auch wenn die Schwangerschaft unauffällig verläuft. Außerdem erhalten 49 Prozent der Frauen mit normaler Schwangerschaft mehr als fünf Ultraschalluntersuchungen. Vorgesehen sind lediglich drei. Laut der Studie hatten weder das Alter als Risikofaktor noch das Einkommen oder der Bildungsabschluss der Schwangeren einen Einfluss darauf, ob Zusatzleistungen in Anspruch genommen wurden oder nicht.

    "Das Überangebot an Untersuchungen schürt die Angst der Frauen vor der Geburt und möglicherweise auch ihren Wunsch nach einer vermeintlich sicheren Kaiserschnitt-Entbindung.", meint Prof. Dr. Rainhild Schäfers von der Hochschule für Gesundheit in Bochum, die Mitautorin der Studie ist.

    Die Inhalte der ärztlichen Schwangerenvorsorge sind durch die Mutterschafts-Richtlinien (MSR) geregelt. Dies sind Richtlinien, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) veröffentlicht hat. Neben Beratung, besonderen Blutuntersuchungen, Gewichts-, Urin- und Blutdruckkontrollen, Kontrolle der kindlichen Herztöne und des Gebärmutterwachstums werden dort drei Basis-Ultraschalluntersuchungen aufgeführt, die um die 10., 20. und 30. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden sollen. Die MSR sehen zehn bis zwölf Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft bis zum errechneten Geburtstermin vor, die anfangs im Abstand von vier Wochen, ab der 32. Woche im Abstand von zwei Wochen durchgeführt werden sollen.

    Weitere Informationen: http://www.bertelsmann-stiftung.de

    (bertelsmann stiftung, 27.7.2015)

     

     

    Rubrik: Schwangerschaft

    Erscheinungsdatum: 28.07.2015