Deutsches Ausbildungszentrum für Stillbegleitung

Muttermilchbörsen - politisch betrachtet

Am 28. Januar 2014 ging die erste deutsche Muttermilchbörse online und löste einen großen Wirbel aus. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) warnte vor den gesundheitlichen Risiken der Weitergabe von unkontrollierter Frauenmilch, ebenso die Nationale Stillkommission (NSK).

Wo Stillen oder das Gewinnen von Muttermilch für das eigene Kind nicht oder nicht vollständig möglich sind, gehört die Versorgung mit Frauenmilch ins Gesundheitssystem, so wie die Versorgung mit Medikamenten, meinen Utta Reich-Schottky und Elien Rouw vom Deutschen Ausbildungszentrum für Stillbegleitung (DAIS). Für sehr kleine Frühgeborene und kranke Neugeborene geschehe dies punktuell über Frauenmilchbanken. Die Eltern aller anderen Kinder würden auf künstliche Säuglingsnahrung verwiesen. Die mit künstlicher Säuglingsnahrung verbundenen Risiken blieben dabei ausgeblendet.

Die Frage, wie sicher stattdessen die Verwendung von Frauenmilch von anderen Müttern ist, ähnele in gewisser Weise der Frage, wie sicher Schlafen im gemeinsamen Bett oder Zimmer sei: In beiden Fällen hänge dies von den Bedingungen ab, so das DAIS.

Manche Familien nutzen in einer solchen Situation direktes, nichtkommerzielles Teilen von Frauenmilch zwischen Verwandten und Bekannten. Andere Eltern weichen auf außerhalb des Gesundheitssystems privat betriebene Muttermilchbörsen aus, um ihrem Kind Frauenmilch statt künstlicher Säuglingsnahrung geben zu können. Über manche Börsen wird Frauenmilch nur verschenkt, über andere überwiegend verkauft.

Der Wunsch von abgebenden Müttern nach Bezahlung sei legitim, Muttermilch ist wertvoll, heißt es aus dem DAIS. Die Möglichkeit des Geldverdienens verlocke allerdings, wie überall, zur Missachtung von Qualitätsstandards – eher bei anonymem Verkauf als bei persönlichem Bezug. Deshalb seien bei diesen Börsen der Kontakt zur Spenderin und die Qualitätskontrolle zu empfehlen. Die Beurteilung, ob die Spenderin geeignet sei, und die Maßnahmen zur Qualitätskontrolle würden hier auf die einzelne, Frauenmilch beziehende Familie abgewälzt, obwohl beides Aufgabe des Gesundheitssystems sei. Und bei Preisen von rund 4 Euro/100 Milliliter (derzeit auf der deutschen Muttermilchbörse geforderter mittlerer Preis) und einem Bedarf von rund 800 Milliliter/Tag plus Kosten für Tests könnten sich nur wenige Familien den Kauf von Frauenmilch leisten.

Muttermilchbörsen sind ein Signal für den Bedarf, so das DAIS. Sie seien allerdings ungeeignet, das Versorgungsproblem zu lösen, dafür seien andere Strukturen erforderlich. Der Aufbau solcher Strukturen erfordere Investitionen. Frauenmilchbanken seien teuer.

Es gebe allerdings eine kostengünstige Alternative, mit der sich der Bedarf an Frauenmilch von Spenderinnen erheblich senken lasse: Investitionen in Stillunterstützung. Solche Investitionen rechneten sich innerhalb weniger Jahre, zum Teil sogar schon innerhalb eines Jahres, weil im Gesundheitssystem weniger Folgekosten von Ernährung mit künstlicher Säuglingsnahrung anfallen. Frauen zu ermöglichen, ihr persönliches Stillziel zu erreichen und ihre Kinder mit Muttermilch zu versorgen, sei ein Recht von Müttern und Kindern, verankert in UN-Konventionen (UN 1966, 1989).  Zu diskutieren bleibe, wie dieses Recht in den gesellschaftlichen, gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Strukturen umgesetzt werden könne.

(Deutsches Ausbildungsinstitut für Stillbegleitung, Utta Reich-Schottky, Elien Rouw, Mai 2014)

Rubrik: 1. Lebensjahr

Erscheinungsdatum: 01.01.1970