Expert:innen-Review

Perineale Schmerzen nach vaginaler Geburt vermeiden

  • Abbildung 1: Beide Hände arbeiten zusammen: Der Daumen und Zeigefinger der dominanten Hand üben Druck auf das Perineum aus, die nicht-dominante Hand unterstützt eine langsame Geburt des kindlichen Köpfchens.

  • Abbildung 2: Die dominante Hand wird nach der Kopfgeburt am Damm belassen: Der Damm wird während der Schultergeburt aktiv gestützt, um Verletzungen in Zusammenhang mit der Schultergeburt des Kindes zu vermeiden. Die nicht-dominante Hand geleitet das Kind durch geschicktes Führen des Köpfchens in Führungslinie zur Gebärenden.

  • Perineale Schmerzen treten häufig als Folge von Geburtsverletzungen auf: Betroffen sind nach einer vaginalen Geburt ungefähr 90 % aller Gebärenden. Besonders häufig treten Geburtsverletzungen bei erstgebärenden Frauen auf. Die Häufigkeit eines Dammrisses II. Grades (DR II°) beträgt bei ihnen ungefähr 40 %. Ebenso ist unter Erstgebärenden das Risiko einer Analsphinkterverletzung ungefähr doppelt so hoch wie bei mehrgebärenden Frauen: Es beträgt 6 %. Verletzungen des Analsphinkters bedeuten erhebliche negative gesundheitliche Folgen für die Gebärende und verursachen hohe Kosten im Gesundheitswesen. Daher sollten sie im besten Fall vermieden und ansonsten frühzeitig erkannt und behandelt werden. Durchgeführt wurde zu diesem Themenkomplex kürzlich ein Expert:innen-Review in Großbritannien.

     

    Risikofaktoren identifizieren

     

    Eine Identifikation von Risikofaktoren ermöglicht es, die geburtshilfliche Praxis zu verändern, um die Rate perinealer Traumata zu reduzieren. Als Risikofaktoren für ein erhöhtes Auftreten von DR II° zählen: erhöhtes kindliches Geburtsgewicht, vaginal-operative Geburt, protrahierte Austrittsphase, mütterliche Geburtsposition sowie höheres mütterliches Alter.

    Als Risikofaktoren für ein gehäuftes Auftreten von geburtshilflichen Verletzungen des Analsphinkters zählen: Einleitung der Geburt, Oxytocinsubstitution sub partu, erhöhtes kindliches Geburtsgewicht, Fehleinstellung des kindlichen Köpfchens, mediane Episiotomie sowie eine vaginal-operative Geburt.

     

    Präventive Maßnahmen unter der Geburt

     

    Präventive Massnahmen sind verfügbar. Hierzu zählen eine Dammmassage im dritten Schwangerschaftstrimester, Abwägungen hinsichtlich der Durchführung einer Episiotomie sowie die Verwendung warmer Dammkompressen während der Austrittsphase. Diskutiert wird die Hands-on-Methode unter Verwendung des »finnischen Dammschutzes«.

    Gebärende sollten vor der Geburt im dritten Schwangerschaftstrimester eine Dammmassage durchführen, um die Muskelelastizität zu erhöhen und die Dehnung des Dammes zu fördern. Die Durchführung einer Episiotomie sollte bei vaginalen Spontangeburten restriktiv und nicht routinemäßig erfolgen.

    Bei Durchführung einer vaginal-operativen Geburt sollte eine mediolaterale oder laterale Episiotomie durchgeführt werden, da dadurch das Auftreten einer Analsphinkterverletzung um 43–68 % gesenkt werden konnte. Ebenfalls sollten warme Dammkompressen während der Geburt angewendet werden, um geburtshilfliche Verletzungen so weit wie möglich zu vermeiden.

     

    Finnischer Dammschutz

     

    Der »finnische Dammschutz« wird empfohlen als derzeit effektivste Hands-on-Methode zur Vermeidung von Verletzungen des mütterlichen Analsphinkters. Die beiden Abbildungen zeigen die Hände der Hebamme, die zunächst die Durchtrittsgeschwindigkeit des kindlichen Köpfchens und anschließend den mütterlichen Damm bei der Geburt der kindlichen Schulter stützen. Dies kann in Absprache auch mit einer weiteren Person gemeinsam durchgeführt werden.

    Begründet wird die Empfehlung zur Durchführung des finnischen Dammschutzes damit, dass damit 40 % der Spannungen am mütterlichen Dammgewebe reduziert und somit die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Analsphinkter-Muskulatur effektiv gesenkt werden kann.

     

    Auf einen Blick

     

    Die Autor:innen fassen als effektives Maßnahmenpaket zur Vermeidung von Analsphinkter-Verletzungen in Zusammenhang mit der vaginalen Geburt zusammen:

    • Informationsweitergabe zu Maßnahmen während der Schwangerschaft zur Vermeidung perinealer Traumata.
    • Ist eine Episiotomie erforderlich, sollte diese im 60-Grad-Winkel durchgeführt werden.
    • Die Durchführung der Hands-on-Methode sollte dokumentiert werden: Bei Spontangeburten sollte die Hands-on-Methode verwendet werden, außer die Frau verweigert die Durchführung oder die Durchführung ist nicht möglich (beispielsweise bei einer Wassergeburt).
    • Bei vaginal-operativen Geburten sollte immer ein Dammschutz angewendet werden.
    • Nach der Geburt sollte das Perineum sorgfältig untersucht werden. Ein rektale Untersuchung sollte durchgeführt werden, auch dann, wenn das Perineum intakt erscheint.

    Quelle: Okeahialem, N. A., Sultan, A. H. & Thakar, R. (2023). The prevention of perineal trauma during vaginal birth. Am J Obstet Gynecol. https://doi.org/10.1016/j.ajog.2022.06.021 ∙ Beate Ramsayer/DHZ

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 01.11.2023