Schmerzforschung für alle Geschlechter!
In der Schmerzforschung müssen die Bedürfnisse und biologischen Voraussetzungen von Frauen stärker berücksichtigt werden. Das erklärte Schmerzforscherin Daniela Rosenberger von der Universitätsklinik in Münster anlässlich des im Oktober stattfindenden Kongresses der Deutschen Schmerzgesellschaft und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in Mannheim. »Lange wurden Frauen von Arzneimittelstudien ausgeschlossen, und das obwohl sie häufiger von Schmerzerkrankungen betroffen sind als Männer«, sagte sie. Manche Schmerzmittel wirkten bei Frauen anders, was zu Unverträglichkeiten oder Fehldosierungen führen könne. »Der weibliche Körper nimmt Medizin anders auf, verteilt sie anders und baut sie auch anders ab als der männliche Organismus«, erläuterte die Anästhesiologin
Die unterschiedliche Wirksamkeit sei etwa beim gängigen Schmerzmittel Paracetamol nachweisbar. Auch hormonelle Unterschiede könnten sich auf die Schmerzwahrnehmung auswirken: Beim Mann dämpfe das Testosteron die Schmerzempfindlichkeit, während nach Studien Progesteron und Östrogen bei Frauen den Schmerz eher förderten. Auf diesem Gebiet gebe es noch erheblichen Forschungsbedarf.
Viele Diagnosen orientierten sich eher an Merkmalen, wie sie bei Männern in typischer Weise auftreten. Das gelte etwa für die Anzeichen von Herzinfarkt, der oft mit starken Schmerzen hinter dem Brustkorb samt Ausstrahlung in den linken Arm assoziiert wird. Weniger bekannt sei allgemein, dass sich bei Frauen ein Herzinfarkt auch mit Übelkeit und Oberbauchschmerzen ankündigen könne.
Rosenberger wünscht sich eine Schmerzforschung in Universitäten und Pharmaunternehmen, die alle Geschlechter einschließt und individuelle Risikoprofile wie den allgemeinen Gesundheitszustand, Alter, Gewicht und Vorerkrankungen umfasst. »Die Standardfrage nach dem individuellen Schmerzempfinden auf einer Skala von null bis zehn greift viel zu kurz.«
Nach Angaben der beiden Fachgesellschaften leiden Millionen Menschen in Deutschland an andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen. Zehn Jahre vergingen im Schnitt, bis die richtige Diagnose gefunden werde. Die Folgen können gravierend sein, wie Rosenberger betonte. Viele Betroffene sind demnach in ihrer Bewegung eingeschränkt, schlafen schlecht, können ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen oder geraten in soziale Isolation.
Quelle: aerzteblatt.de, 19.9.23 · DHZ