Metaanalyse

Spätes Abklemmen der Nabelschnur senkt Sterberisiko von Frühgeborenen

  • Die verzögerte Abnabelung könnte das Sterberisiko bei Frühgeborenen um 32 % verringern mit einer Number Needed to Treat (NNT) von 40 Kindern.

  • Eine späte Durchtrennung der Nabelschnur, die den Säugling bis zum Einsetzen der Lungenatmung mit Sauerstoff versorgt, kann bei Frühgeborenen die Überlebenschancen deutlich verbessern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Metaanalyse in The Lancet. Nach den Ergebnissen  in Lancet erzielt ein Intervall von mindesten zwei Minuten post partum die besten Ergebnisse. Für ein Ausstreichen der Nabelschnur konnte dagegen keine signifikante Schutzwirkung belegt werden.

    In den vergangenen Jahren sind mehr als 100 klinische Studien zu einer verzögerten Abnabelung und/oder dem Ausstreichen der Nabelschnur durchgeführt worden. Deren Ergebnisse wurden bereits in früheren Metaanalysen zusammengefasst. Die Ergebnisse waren jedoch nicht eindeutig, und die Empfehlungen der Fachgesellschaften deshalb zurückhaltend. Die meisten raten zu einem kurzen Intervall von 30 bis 60 Sekunden, zumal die späte Trennung vom Kreislauf der Mutter intensivmedizinische Maßnahmen behindern kann.

    Ein Team um Anna Lene Seidler von der Universität Sydney hat deshalb noch einmal die Ergebnisse der klinischen Studien zusammengefasst. Es beschränkte sich dabei auf Studien, deren Autor:innen die Rohdaten zu den einzelnen Patient:innen zur Verfügung stellten. Dies ermöglichte genauere Analysen in den Untergruppen und in einer Netzwerk-Metaanalyse den direkten Vergleich der verschiedenen Strategien.

    Die erste Metaanalyse umfasste Daten aus 21 randomisiert-kontrollierten Studien aus Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen, in denen das verzögerte Abklemmen der Nabelschnur mit dem sofortigen Abklemmen bei 3.292 Frühgeborenen verglichen wurde.

    In den Gruppen mit verzögertem Abklemmen lag die Verzögerung zwischen 30 Sekunden und mehr als 180 Sekunden und sogar bis zu 5 Minuten in einigen Studien. Das sofortige Abklemmen erfolgte dagegen in den meisten Fällen innerhalb von 10 Sekunden. Insgesamt 61 % der Kinder waren per Kaiserschnitt geboren worden.

    Wie Seidler ermittelte, starben 98 von 1.622 Frühgeborenen (6,0 %), bei denen das Abklemmen der Nabelschnur nach der Geburt hinausgezögert wurde, gegenüber 134 von 1.641 Frühgeborenen (8,2 %) mit sofortiger Durchtrennung der Nabelschnur. Die adjustierte Odds Ratio von 0,68 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,51 bis 0,91 signifikant.

    Die verzögerte Abnabelung könnte demnach das Sterberisiko bei Frühgeborenen um 32 % verringern mit einer Number Needed to Treat (NNT) von 40 Kindern, auf die nach der Metaanalyse eines käme, dem durch das verzögerte Abklemmen der Nabelschnur das Leben gerettet werden würde.

    Für das Ausstreichen der Nabelschnur war dagegen kein sicherer Vorteil gegenüber dem alleinigen sofortigen Abklemmen zu erkennen (Odds Ratio 0,73), wobei ein weites 95-%-Konfidenzintervall von 0,44 bis 1,20 offen lässt, ob bei einer größeren Teilnehmer:innenzahl nicht doch eine signifikante Schutzwirkung gefunden worden wäre.

    Eine mögliche Komplikation des späten Abklemmens der Nabelschnur kann eine Unterkühlung des Neugeborenen sein. Gefährdet wären hier vor allem Frühgeborene, die vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren wurden.

    In dieser Gruppe kam es nach den Berechnungen von Seidler nach dem späten Abklemmen der Nabelschnur bei 509 von 994 Kindern (51,2 %) zu einer Hypothermie gegenüber 449 von 1.001 Kindern (44,9 %), die sofort abgenabelt wurden. Der durchschnittliche Temperaturunterschied zwischen den beiden Gruppen betrug zwar nur 0,13 °C, dennoch sollte bei einer verzögerten Abnabelung darauf geachtet werden, dass die Kinder warm gehalten werden, rät Seidler.

    Quelle: Seidler, A. L., Aberoumand, M., Hunter, K. E., Barba, A., Libesman, S., Williams, J. G., Shrestha, N., Aagerup, J., Sotiropoulos, J. X., Montgomery, A. A., Gyte, G. M. L., Duley, L., Askie, L. M., & iCOMP Collaborators (2023). Deferred cord clamping, cord milking, and immediate cord clamping at preterm birth: a systematic review and individual participant data meta-analysis. Lancet (London, England), S0140-6736(23)02468-6. Advance online publication. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(23)02468-6  · aerzteblatt.de, 17.11.23 · DHZ

     

    Rubrik: Geburt

    Erscheinungsdatum: 20.11.2023