Stuhlinkontinenz häufiger nach DR III und IV
Geburtshilfliche Verletzungen des Analsphinkters können kurz- und langfristige Probleme verursachen. Im Jahr 2020 waren in Schweden 4,5 % aller Erstgebärenden und 1,0 % aller Mehrgebärenden von einer Geburtsverletzung dritten oder vierten Grades und somit einer Verletzung des Analsphinkters betroffen. Die Datenlage zu den Folgen einer oder zweier aufeinanderfolgender Verletzungen des Analsphinkters ist widersprüchlich.
Das Ziel einer in Schweden durchgeführten Kohortenstudie bestand darin, die Folgen und den Schweregrad einer Stuhlinkontinenz bei Frauen mit zwei vorherigen Geburten zwei Jahrzehnte später zu evaluieren. Dabei wurde verglichen, ob ein oder zwei Verletzungen des Analsphinkters im Vergleich zu keiner Verletzung Einfluss auf dessen Funktion oder andere Erkrankungen des Beckenbodens hatten.
Zu dieser Frage wurde in Schweden eine registerbasierte Kohortenstudie durchgeführt. Aus einer Kohorte von 64.687 Frauen mit zwei vaginalen Geburten zwischen 1992 und 1998 wurden 11.000 Frauen per Zufallsstichprobe gezogen. Anhand verschiedener Berechnungen entstand eine Studienkohorte von 6.760 Frauen. Daraus wurde jeweils eine gleich große Gruppe von Frauen mit einer (n=357) oder zwei Analsphinkterverletzungen (n=324) gebildet, wobei DR III und DR IV zusammengefasst wurden.
Unterschieden wurde zwischen Anal- und Stuhlinkontinenz: Eine Analinkontinenz wurde entweder als Stuhlinkontinenz oder isolierte Gasinkontinenz definiert. Eine Stuhlinkontinenz wurde als unwillkürlicher Austritt von festem oder flüssigem Stuhl mit oder ohne begleitendes Gas definiert.
Unterschieden wurde bei der Häufigkeit des Stuhl- und Gasaustritts ein Auftreten von weniger als einmal im Monat und mehrmals im Monat auftrat. Daten des Jahres 2015 des medizinischen Geburtenregisters und Informationen aus einem postalischen und webbasierten Fragebogen wurden verknüpft und anschließend evaluiert.
Die Ergebnisse zeigten, dass eine Stuhlinkontinenz bei Frauen mit und ohne Verletzung des Analsphinkters auftrat. Bei Frauen ohne geburtshilfliche Verletzungen des Analsphinkters waren 3,3 % betroffen, bei Frauen mit einer geburtshilflichen Verletzung des Analsphinkters 10,4 %, bei Frauen mit zwei geburtshilflichen Verletzungen des Analsphinkters 16,5 %.
Die Stuhlinkontinenz wurde von 28,2 % der Frauen ohne geburtshilfliche Verletzungen des Analsphinkters als störend erlebt, wohingegen 43,9 % der Frauen mit einer und 46,0 % der Frauen mit zwei geburtshilflichen Verletzungen des Analsphinkters dies zum Ausdruck brachten.
Der Austritt von flüssigem Stuhl betraf dabei 10,8 % der Frauen ohne, 21,7 % der Frauen mit einer und 34,9 % der Frauen mit zwei geburtshilflichen Verletzungen des Analsphinkters. Eine Beeinträchtigung des täglichen Lebens durch das Auftreten einer Stuhlinkontinenz wurde von 8,6 % der Frauen ohne, von 19,7 % der Frauen mit einer und 29,6 % der Frauen mit zwei Analsphinkterverletzungen beschrieben.
Eine oder zwei geburtshilfliche Verletzungen des Analsphinkters hatten keinen signifikanten Einfluss auf andere Erkrankungen des Beckenbodens.
Die Autor:innen schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass bei Frauen nach einer und zwei geburtshilflichen Verletzungen des Analsphinkters häufiger eine Analinkontinenz auftrat als bei Frauen ohne eine Geburtsverletzung dritten oder vierten Grades bei zwei aufeinanderfolgenden Geburten. Sie resümiren zudem, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Analinkontinenz erhöht ist, wenn mehrere Verletzungen des Schließmuskels auftreten.
Sie erachten ihre Ergebnisse wichtig für die klinische Praxis und im Hinblick auf gesundheitspolitische Entscheidungen.
Quelle: Nilsson, I. E. K., Åkervall, S., Molin, M., Milsom, I., & Gyhagen, M. (2023). Severity and impact of accidental bowel leakage two decades after no, one, or two sphincter injuries. American journal of obstetrics and gynecology, 228(4), 447.e1–447.e19. https://doi.org/10.1016/j.ajog.2022.11.1312 ∙ Beate Ramsayer/DHZ