Qualitative Studie aus Großbritannien

Weiterstillen trotz Stillschwierigkeiten?

  • Wenn Stillen als nicht vollkommener und stets variabler Prozess verstanden wurde, empfanden Teilnehmerinnen einer britischen Studie dies als Entlastung, trotz verschiedener Herausforderungen weiterzustillen.

  • In Großbritannien stillen weniger als 23 % der Mütter und somit weniger als ein Viertel aller Frauen sechs Wochen nach der Geburt ihr Kind ausschließlich. Im Alter von sechs Monaten wird noch 1 % aller Kinder ausschließlich gestillt. Somit ist Abstillen eine häufige Maßnahme, jedoch bleiben die Gründe hierfür meist vage und umfassen psychologische, soziale oder physiologische Ursachen.

    Dabei stillen nicht alle Frauen nach dem Auftreten von Stillschwierigkeiten ab. Das Ziel einer qualitativen Studie aus Großbritannien bestand darin, Erfahrungen von Frauen zu beschreiben, die sich für ein Weiterstillen entschieden, obwohl Stillschwierigkeiten auftraten.

    Durchgeführt wurden acht halbstrukturierte Interviews unter Frauen mit Stillschwierigkeiten, die sich dazu entschieden hatten, trotzdem weiter zu stillen. Die Daten wurden mit Hilfe der interpretativen phänomenologischen Analyse evaluiert. Zwei Hauptthemen wurden identifiziert: »Radikale Akzeptanz des Unvollkommenen« sowie »Entschlossenheit und Beharrlichkeit«.

     

    Radikale Akzeptanz des Unvollkommenen

     

    Drei Unterthemen beschreiben die radikale Akzeptanz des Unvollkommenen: »Tag für Tag neu leben«, »Stillen braucht eine Gemeinschaft« sowie »Herausfinden, was für mich funktioniert«.

    Wurde Stillen als unvollkommener und variabler Prozess verstanden, empfanden dies einige Teilnehmerinnen als hilfreichen Gedanken, trotz verschiedener Herausforderungen weiterzustillen. Hilfreich dabei wurden persönliche und soziale Ressourcen erlebt, die individuell stimmig mit der Situation waren. Die »radikale Akzeptanz« wurde von einer Teilnehmerin umschrieben: »Schau auf dich selbst und deine Situation und darauf, wie es tatsächlich ist, ohne zu urteilen«.

    Eine andere Teilnehmerin teilte Ihre Perspektive: »Es gilt zu verstehen, dass die derzeitige Situation existiert, weil eine lange Kettenreaktion schwieriger Situationen vorausgegangen ist«. Der Gedanke, Tag für Tag neu zu stillen, half Frauen dabei, mit der radikalen Akzeptanz des Unvollkommenen umzugehen: Die Reise durch die Stillzeit wurde nicht linear erlebt, sondern mit täglichen Herausforderungen. Die Erfahrungen, diese gemeistert zu haben, gab Kraft für den nächsten Schritt und das Durchhalten.

     

    Entschlossenheit und Beharrlichkeit

     

    Entschlossenheit und Beharrlichkeit enthält zwei Unterthemen: »Einnehmen einer eigensinnigen Haltung« sowie »lebenslange Erfolge im Vergleich zu vorübergehenden Herausforderungen«.

    Eine Teilnehmerin berichtet von der Herausforderung, zum Thema Stillen widersprüchliche Empfehlungen zu erhalten: »Ich erlebe es als sehr herausfordernd, wie beispielsweise heute morgen in der Kinderklinik. Eine Person sagt dir das eine und dann kommst du eine Woche später und eine andere Person sagt dir das andere. Das kann sehr schwierig sein, weil du denkst du tust das Richtige und dann war es offensichtlich doch nicht das Richtige ...« Aufgeschlossenheit, Optimismus und Selbstwertgefühl waren dabei Persönlichkeitsmerkmale, die die Frauen an sich selbst entdeckten. Wurden diese gepaart mit Eigensinn und Entschlossenheit, führte beides zu einem erfolgreichen Stillen trotz Stillschwierigkeiten.

     

    Empfehlungen für Hebammen und Mütter

     

    Die Autor:innen empfehlen Hebammen und medizinischem Fachpersonal, während der Routinebetreuung eine emotionale Beratung durchzuführen, um darüber die Selbstwirksamkeit des Stillens zu fördern. Zudem die Befürwortung des Stillens durch den Vater zu fördern. Sie empfehlen Müttern während der Stillphase Selbstvertrauen, Geduld, Flexibilität sowie Mitgefühl mit sich selbst. Wichtig sei es, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.

    Quelle: Hacking, M., Jackson, L., Fallon, V., Harrold, J. A., Davie, P., Silverio, S. A., & Slade, P. (2024). An interpretive phenomenological analysis of the experiences of mothers who continue to breastfeed despite facing difficulties. Women and birth : journal of the Australian College of Midwives, 37(2), 387–393. https://doi.org/10.1016/j.wombi.2023.12.001 ∙ Beate Ramsayer/DHZ

    Rubrik: 1. Lebensjahr

    Erscheinungsdatum: 06.03.2024