Britische Studie

Weniger Geburtsschmerz durch Genvariante

  • Etwa eine von hundert Frauen hat eine Genvariante, die eine weitgehend schmerzfreie Geburt ermöglicht.

  • Es ist heute ungewöhnlich, dass Frauen bei der Geburt keine schmerzlindernde Therapie benötigen. Dies kann neben kulturellen, sozialen und persönlichen auch genetische Gründe haben. In der Vergangenheit wurden bereits Mutationen, etwa im SCN9A-Gen, beschrieben, die Frauen eine schmerzlose Geburt ermöglichen. Britische ForscherInnen haben nun systematisch nach weiteren Genvarianten gesucht.

    Michael Lee von der Universität Cambridge und MitarbeiterInnen haben zunächst Frauen nach ihrem Schmerzmittelbedarf unter der Geburt gefragt. Bei 158 Erstgebärenden, die versicherten, dass die Geburt für sie relativ schmerzfrei war, wurden zunächst psycho­logische und physiologische Tests durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass die Frauen frei von emotionalen und kognitiven Störungen waren, die sie zu Falschaussagen verleiten könnten. Die neurologischen Tests ergaben, dass die Schmerzschwellen für Hitze, Kälte und mechanische Reize erhöht waren.

    Dies sprach für eine genetische Ursache, der die ForscherInnen auf den Grund gingen. Bei 4 der 158 schmerzarmen Frauen entdeckten sie das Allel „rs140124801“ auf dem Gen KCNG4. Dieses enthält den genetischen Code für die Produktion eines Proteins, das Teil eines Kanals für Kaliumionen ist, der sich auf der Membran von Nervenzellen befindet. Da die Weiterleitung von Nervensignalen auf der Membran erfolgt, könnte die Genvariante die Schmerzempfindung beeinflussen.

    Diese Vermutung bestätigte sich in genetischen Experimenten an Mäusen. Die Genvariante erhöhte dort die Schwelle für die Öffnung des Kaliumkanals. Diese Befunde erklären plausibel, warum Frauen mit dieser Genvariante eine leichtere Geburt erleben. Die Schwelle, bei denen Geburtswehen für sie schmerzhaft sind, ist vermutlich erhöht.

    Die neuen Erkenntnisse könnten für die Entwicklung von Medikamenten genutzt werden, die durch Blockade des Kanals allen anderen Frauen zu einer schmerzfreien Geburt verhelfen könnten.

    Quelle: Lee MC et al.: Human Labor Pain Is Influenced by the Voltage-Gated Potassium Channel KV6.4 Subunit. Cell Reports 2020. DOI: 10.1016/j.celrep.2020.107941 · aerzteblatt.de, 12.8.2020 · DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 14.08.2020