Sozio-Anthropologische Studie aus der Schweiz

WhatsApp in der Wochenbettbetreuung

  • Sofortnachrichtendienste können vielversprechend in der Wochenbettbetreuung als Ergänzung zu Hausbesuchen eingesetzt werden.

  • Digitale Medien nehmen seit Jahren zunehmend Einfluss auf die Hebammenarbeit rund um die Geburt. So können zeitnah Informationen weitergegeben und Beratungen durchgeführt werden. Gleichzeitig kann ihr Einsatz dazu führen, dass eine direkte Begegnung und ein direktes Gespräch zwischen Hebamme und Frau verhindert wird. In einer Schweizer Studie wurde nun untersucht, wie Hebammen während der Wochenbettszeit über Sofortnachrichtendienste wie WhatsApp mit den von ihnen betreuten Frauen mit Migrationshintergrund kommunizieren.

    Durchgeführt wurde eine sozio-anthropologische Studie zwischen Dezember 2018 und Januar 2020 in der französischsprachigen Schweiz. Eingeschlossen wurden Sozialarbeiter:innen (n=16) und Hebammen (n=14) als Betreuungspersonen während der Wochenbettszeit sowie Frauen mit Migrationshintergrund (n=21). Alle betreuenden Personen benutzten Sofortnachrichtendienste als Teil ihrer Betreuung. Die Daten wurden anhand semi-strukturierter Interviews gewonnen.

     

    WhatsApp ist längst Teil der Betreuung

     

    Das durchschnittliche Alter der Betreuungspersonen lag bei 44 Jahren bei einer durchschnittlichen Berufserfahrung von 18 Jahren. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmerinnen lag bei 30 Jahren bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer in der Schweiz von zwei Jahren. Die Auswertung der Daten zeigte, dass Hebammen Sofortnachrichtendienste als normalen Teil ihrer Wochenbettsbesuche für verschiedene Bereiche nutzten. Ein Aspekt dabei war die Organisation der Treffen. So berichtet eine Hebamme: »Die Frau informiert mich, nachdem sie ihr Kind geboren hat und wann sie nach Hause kommt.« Eine andere Hebamme gibt betreuten Frauen ihre Handynummer, damit diese sich bei Fragen zwischen den Wochenbettbesuchen melden kann: »Ich gebe meine Nummer allen Frauen, damit sie mich bei Fragen immer kontaktieren kann.«

    Die befragten Hebammen berichten, dass die meisten Anfragen die Gesundheit, Ernährungsfragen- und Praktiken sowie das Schrei- und Schlafverhalten des Neugeborenen betreffen. Manchmal ergänzen Mütter ihre Anfrage durch Zusendung eines Bildes. So berichtet eine Hebamme: »Es kann eine Frage oder ein Bild sein, zu dem sie meine Meinung hören möchte. Ich bekomme ein Bild des kindlichen Popos, ein Bild von trockener kindlicher Haut, Milchkrusten oder ähnlichem. (…). Dann häufig die Frage: Ist das normal?«
    Eine weitere Hebamme ergänzt, dass die Anfragen die Gesundheit der Frau betreffen können und Sofortnachrichtendienste auch genutzt werden, obwohl um einen Anruf gebeten wurde: »Ich bekomme Bilder von Blutgerinnseln auf einem Handtuch obwohl ich den Frauen sage:  Bitte anrufen, wenn ein Blutgerinnsel auftritt.« Die Hebamme stuft den Einsatz von Sofortnachrichtendiensten trotzdem als hilfreich ein, weil es ihr ohne Zusendung der Bilder nicht möglich gewesen wäre, den Sorgen und Ängste der Frau zwischen den Besuchen zu begegnen. Eine weitere Hebamme sieht den Vorteil einer erhöhten Betreuungskontinuität: »Auch wenn ich sage, dass ich erst in ein paar Tagen wieder komme, kann ich sagen, bitte einfach eine Nachricht schicken. So bin ich fast immer erreichbar und kann auch einem möglichen Gefühl mütterlicher Einsamkeit entgegenwirken.«

     

    Risiko der ungleichen Betreuung

     

    Problematisch kann die Beratung sein, wenn komplexe Anfragen über Sofortnachrichtendienste gestellt werden. So berichtet eine Hebamme von der Anfrage: »Er schreit seit einer halben Stunde, was kann ich tun? In solch einem Fall kann man nicht einfach über eine Textnachricht oder ein Telefonat antworten, jedoch treten solche Anfragen immer wieder auf.« Eine weitere Hebamme berichtet in diesem Zusammenhang von einer weiteren komplexen Anfrage: »Sie hat Milch gespuckt. Ja, das kann einfach ein unbedenkliches Spucken sein, jedoch auch andere Hintergründe haben, was ein Nachfragen erfordert.« Problematisch und ausnutzend kann der Einsatz von Sofortnachrichtendiensten von Betreuungspersonen wahrgenommen werden, wenn Frauen die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zu häufig verwenden und sehr viele Nachrichten senden. Hebammen benennen auch, dass manche Frauen Sofortnachrichtendienste gar nicht nutzen, was zu einer ungleichen Betreuung führen kann, weil hier die Kontaktaufnahme zwischen den Hausbesuchen seltener erfolgt.

    Die Autor:innen schlussfolgern, dass Sofortnachrichtendienste vielversprechend in der Wochenbettbetreuung als Ergänzung zu Hausbesuchen eingesetzt werden können.  Frauen und Hebammen kommunizieren häufiger und regelmäßiger zwischen den Hausbesuchen seit der Einführung von Sofortnachrichten. Eine rasche Reaktion der Hebamme ist möglich, wenn Frauen Bilder und Fragen senden. Einsamkeitsgefühle können durch regelmäßige Kontaktaufnahme während der Wochenbettszeit gemildert werden. Limitierend ist die Beratung bei komplexen Themen, die eine individuelle Betrachtung verschiedener Faktoren erfordert. Aus ihrer Sicht trägt die Verwendung von Sofortnachrichtendiensten zur Betreuungskontinuität und frauenzentrierten Betreuung im Wochenbett bei.


    Quelle: Perrenoud P, Chautems C, Kaech C:  »Whatsapping« the continuity of postpartum care in Switzerland: A socio-anthropological study. Women Birth 2021. Doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.wombi.2021.06.009 ∙ DHZ

    Rubrik: Medizin & Wissenschaft

    Erscheinungsdatum: 26.08.2021

    Literatur

    «»