Lässt sich die Kaiserschnittrate durch REDUCE wirksam senken?
Weltweit steigende Sectioraten erfordern ein Umdenken: Wie kann die Sectiorate in Ländern gesenkt werden, in denen sie zu hoch ist? Die WHO empfiehlt eine Sectiorate, die zwischen 10 und 15 % liegt, da bei höheren und niedrigeren Raten sowohl die maternale Morbidität als auch die Mortalität steigt. Zahlreiche Ansätze zur Senkung der Sectiorate zeigten in den vergangenen Jahren keinen Erfolg. In Irland wird bei einer Sectiorate von 37 % hierzu derzeit ein weiterer Ansatz erarbeitet: REDUCE.
Was will REDUCE?
REDUCE beschreibt ein evidenzbasiertes Interventionsprogramm, durch das die Sectiorate in Irland um 7 % gesenkt werden soll. Ergebnisse einer Evidenzsynthese aus 101 systematischen Übersichtsarbeiten zeigten verschiedene Interventionen während Schwangerschaft und Geburt auf, mit denen die Sectiorate gesenkt werden kann. Diese wurden im Rahmen von Fokusgruppengesprächen mit schwangeren Frauen, deren Partnern sowie Klinikmitarbeiter:innen diskutiert und anschließend die Umsetzbarkeit mit leitenden Hebammen und Ärzt:innen für den irischen Kontext erarbeitet.
REDUCE sieht vor:
- Beratungsgespräch während der Schwangerschaft für die Unterstützung einer vaginalen Geburt mit einer Hebamme oder einer/m Arzt:in
- Zusätzliche Information während der Schwangerschaft zu den Vorteilen einer vaginalen Geburt gegenüber einer erneuten Sectio für schwangere Frauen und deren Partner
- Monatliche Rückmeldung zur Sectiorate an die Kliniken
- Durchführung der intermittierenden Auskultation mit Pinard-Stethoskop oder Doppler bei Low-Risk-Gebärenden
- Kontinuierliche Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt
- Unterstützung während der Geburt in Form von Hypnose, Akupressur, gemütlicher Gebärumgebung und gedimmtem Licht
- Durchführung der äußeren Wendung bei einem Kind in Beckenendlage
- Vermeidung einer Geburtseinleitung bei <41 Schwangerschaftswochen.
Ist die Senkung der Sectiorate um 7 % realistisch?
Um REDUCE noch effektiver zu machen, wurden im Rahmen einer qualitativen Studie ergänzend Hebammen (n=28) zu ihrer Einschätzung zu REDUCE befragt: Hat REDUCE tatsächlich das Potenzial, zur Senkung der Sectiorate um 7 % in Irland beizutragen? Was könnte am derzeitigen System noch verbessert werden, um die Sectiorate effektiv zu senken? Welche Faktoren haben aus Hebammensicht das Potenzial, die Kaiserschnittrate zu senken? Fokusgruppeninterviews wurden durchgeführt und thematisch analysiert.
Fünf Themen wurden aufgezeigt: Geburtseinleitung, Aufklärung, Prüfung der Praxis, klinische Praxis sowie Zusammenarbeit zwischen Geburtshelfer:in und Hebamme.
Aufgrund ihrer klinischen Erfahrungen sehen Hebammen einen starken Zusammenhang zwischen der Durchführung von Geburtseinleitungen und einer Steigerung der Sectiorate. Sie benennen im Zusammenhang zu einer Geburtseinleitung Alternativen, beispielsweise die Eipollösung. Die befragten Hebammen kritisieren, dass Geburtseinleitungen nicht mehr nur durch erfahrene Einzelpersonen zu einzelnen Zeitpunkten, sondern durch mehr Personal jederzeit durchgeführt werden können. Sie geben zu bedenken, dass dies zu einer Steigerung der Anzahl durchgeführter Geburtseinleitungen beigetragen hat. Aus Sicht der Hebammen sollte eine Geburtseinleitung nur durch erfahrene Geburtshelfer:innen durchgeführt werden.
Aus Sicht der Hebammen ist die Weitergabe von Informationen zur vaginalen Geburt nach einem vorausgegangenen Kaiserschnitt eine Möglichkeit zur Senkung der Sectiorate, auch wenn die Effektivität dieser Intervention in vorausgehenden Studien nicht aufgezeigt werden konnte. Sie empfehlen zudem, Schwangeren ein Hebammengespräch zu ermöglichen und sie mehr in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Die Autor:innen konnten REDUCE aufgrund der Einschätzungen der Hebammen weiter modifizieren. Sie schlussfolgern, dass REDUCE nun unter der irischen Bevölkerung getestet werden sollte.
Quelle: Corrigan, S., Howard, V., Gallagher, L., Smith, V., Hannon, K., Carroll, M., & Begley, C. (2022). Midwives' views of an evidence-based intervention to reduce caesarean section rates in Ireland. Women and birth: journal of the Australian College of Midwives, 35(6), 536–546. https://doi.org/10.1016/j.wombi.2022.01.002 ∙ Beate Ramsayer/DHZ