Woher kommt der Heißhunger in der Schwangerschaft?

Forscher:innen vergleichen den Heißhunger in der Schwangerschaft mit dem Substanzverlangen oder „Craving“ von Drogenabhängigen.
Der unwiderstehliche Appetit auf Süßes und Saures, den viele Frauen während der Schwangerschaft entwickeln, könnte neuronale Ursachen haben. Bei Mäusen, wo es ähnliche Phänomene gibt, kommt es laut einer Studie während der Schwangerschaft zu einem Umbau neuronaler Schaltkreise im Nucleus accumbens, dem Glücks- und Suchtzentrum im Gehirn.
Schwangere beschreiben den Heißhunger als so unwiderstehlich, dass Forscher:innen ihn mit dem Substanzverlangen oder »Craving« von Drogenabhängigen vergleichen. Nach den von einem Team um Marc Claret von der Universität Barcelona vorgestellten Studienergebnissen könnten sie damit durchaus richtig liegen.
Die Forscher:innen haben die Gehirne von trächtigen Mäusen untersucht, bei denen es ebenfalls zu einer ungezügelten Nahrungsaufnahme kommt. Sie fanden Veränderungen im mesolimbischen System, auch Belohnungssystem genannt, das für das »Craving« bei Drogenabhängigen verantwortlich ist. Der zentrale Neurotransmitter ist Dopamin und die entsprechenden Nerven ziehen zum Nucleus accumbens, der bestimmte Verhaltensweisen durch Glücksgefühle belohnt.
Bei den Mäusen kommt es während der Tragzeit zu einer vermehrten Bildung von Dopamin D2-Rezeptoren, was eine Signalverstärkung zur Folge hat. Die Mäuse reagieren dann intensiver auf Nahrungsangebote. Appetit und Nahrungszufuhr steigen.
Dies mag in der Schwangerschaft den Zweck haben, die Versorgung des Kindes sicherzustellen. Im Fall eines unbegrenzten Angebots verleitet es aber auch Mäuse zu einer ungezügelten Nahrungsaufnahme. Dies hat nicht nur Folgen für die trächtigen Mäuse, die stark an Gewicht zulegen und nach der Tragzeit ihr ursprüngliches Gewicht nicht wieder erreichen. Die unangemessene Kalorienzufuhr schadet auch dem Nachwuchs. Vor allem bei den männlichen Nachkommen kommt es zu einer gestörten Glukosetoleranz, einem erhöhten Körpergewicht und zu einer erhöhten Anfälligkeit für die Entwicklung von Essstörungen und angstähnlichem Verhalten im Erwachsenenalter, warnen die Forschenden.
Quelle: Claret, M. et al. (2022). Food craving-like episodes during pregnancy are mediated by accumbal dopaminergic circuits. Nature metabolism, doi: 10.1038/s42255-022-00557-1 ∙ aerzteblatt.de, 6.4.2022 ∙ DHZ