SARS-CoV-2 in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

Das Virus bleibt

Das Corona-Virus ist inzwischen endemisch, allgemeine Schutzmaßnahmen sind ausgelaufen. Doch eine COVID-19-Infektion in der Schwangerschaft kann für Mutter und Kind schwere Folgen haben. Daher gelten für positiv getestete Mütter in der Geburtshilfe weiterhin erhöhte Hygieneregeln und Isolationspflicht. Ein Überblick zur aktuellen Datenlage und zur Leitlinie SARS-CoV-2 in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Prof. Dr. Ulrich Pecks | Mira Pflanz | Lilly Bukowski
  • »Die Geburtshilfe wurde unfreiwillig Profi im korrekten Umsetzen der Hygieneregeln und der weiterhin möglichst empathischen Betreuung.«

Menschen mit akuter SARS-CoV-2-Infektion weisen überwiegend milde Symptome des oberen Respirationstraktes auf, mit oder ohne Fieber. Ab der zweiten Krankheitswoche können pulmonale Symptome hinzutreten. Es kann dann zu einer interstitiellen Pneumonie kommen, die durch ein Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) kompliziert werden kann. Darüber hinaus können auch weitere Organsysteme betroffen sein, was sich in einem breiten Spektrum zum Teil schwerwiegender extrapulmonaler Manifestationen äußert (Griffin, 2022). Zugrunde liegende Pathomechanismen beinhalten:

  • Zytolyse, das heißt direkte Schädigung der Wirtszellen
  • überschießende Immunantwort, die zu einer lebensgefährlichen Konzentration von Zytokinen führen kann (Schulte-Schrepping et al., 2020)
  • organspezifische Entzündungsreaktionen
  • eine Endothelschädigung, die mit Dysregulation des Renin-Angiotensin Systems einhergehen kann und zum Beispiel thrombo-embolische Komplikationen nach sich zieht (Ackermann et al., 2020; Teuwen, Geldhof, Pasut, & Carmeliet, 2020).

    Hinweise des Robert-Koch-Instituts

    Wichtige Hinweise für das Testen, die Melde- und Isolationspflicht sowie das Entlassmanagement finden sich auf der Webseite des RKI mit regelmäßiger Aktualisierung:
    https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html
    https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Empfehlung_Meldung.html
    https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Entlassmanagement.html

     

 

Entzündung in der Plazenta

 

Neue Beobachtungen berichten von organspezifischen Entzündungsreaktionen auch in der Plazenta: Eine SARS-CoV-2-Plazentitis ist ein spezifischer histopathologischer Befund mit einer Trias, also dem gleichzeitigen Auftreten von massiven perivillösen Fibrin-Ablagerungen, Trophoblastnekrosen und einer chronischen histiozytären Intervillositis. Diese Trias wurde bei Totgeburten nach SARS-CoV-2-Infektion häufig als eine Veränderung der Plazenta beschrieben.

Beunruhigend dabei ist, dass die SARS-CoV-2-Plazentitis nicht mit dem Schweregrad der COVID-19-Infektion zusammenhängt, sich also auch bei asymptomatisch infizierten Frauen manifestieren kann. Es wird geschätzt, dass eine solche Plazentitis bei etwa 7 % aller Infizierten vorkommt (Lin et al., 2023). Vermutlich ist diese Zahl aber überschätzt. Unklar ist, ob das Gestationsalter zum Zeitpunkt der Infektion eine Rolle spielt. Die Häufigkeit des Nachweises des Virus in der Plazenta selbst bei asymptomatischen Patientinnen lässt vermuten, dass eine hämatogene Streuung des Virus deutlich häufiger vorkommt, als mit 1 % ursprünglich vermutet (Wang et al., 2020). Ob eine Immunität vor einer solchen Plazentitis schützt – sei es durch durchgemachte Infektion oder durch eine Impfung, ist unklar, aber wahrscheinlich.

 

Folgen für eine Schwangerschaft bei Infektion

 

Schwangere haben per se ein höheres Risiko für die Entwicklung einer schweren COVID-19 als nichtschwangere Frauen im gleichen Alter (Khan et al., 2021). Das Risiko steigt von der Frühschwangerschaft bis um 30 Schwangerschaftswochen (SSW) (Pecks, Mand, et al., 2022). Wenn sich bei besonders schwerem Verlauf die Erkrankung auf die Sauerstoffsättigung auswirkt, ist eine Entbindung zu erwägen, manchmal sogar unvermeidlich, um Schaden von Mutter und Kind abzuwenden.

Während bis Mitte 2021 und vor der generellen Impfempfehlung für Schwangere durch die STIKO etwa 4 % der betroffenen Schwangeren in Deutschland so schwer erkrankten, dass eine Intensivbehandlung notwendig wurde, konnten mit Beginn der Omicron-Phase im Januar 2022 analog zu anderen Risikogruppen kaum noch nennenswerte schwere Verläufe beobachtet werden. Dies lag zum einen an der niedrigeren Virulenz, zum anderen konnte aber auch ein Effekt der Impfung zumindest in Bezug auf die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten nachgewiesen werden (Pecks, Agel, et al., 2022; Pecks, Mand, et al., 2022).

Neben den Auswirkungen auf die mütterliche Gesundheit bestehen auch Risiken für das Ungeborene. Eine Infektion in der Schwangerschaft erhöht zum Beispiel selbst dann das Risiko einer Frühgeburt, wenn die akute Phase gut überstanden ist (Iannaccone et al., 2023; Piekos et al., 2022; Seif et al., 2023). Das Risiko für Totgeburten und Präeklampsie scheint in etwa verdoppelt (Conde-Agudelo & Romero, 2022; Lyu et al., 2023). Eine Impfung gegen COVID-19 schützt auch vor solchen ungünstigen Ereignissen (Kontovazainitis, Katsaras, Gialamprinou, & Mitsiakos, 2023; Takla et al., 2021).

 

Folgen für das Neugeborene

 

Die Folgen für das Neugeborene bei einer Infektion in der Schwangerschaft sind stark abhängig vom Verlauf der mütterlichen Erkrankung. Die meisten Kinder kommen unbeeinträchtigt auf die Welt. Infiziert sich die Mutter um den Zeitpunkt der Geburt, wurde eine Infektion des Neugeborenen bei etwa einem von 20 Kindern nachgewiesen und blieb meist ohne Konsequenz im Kurzzeit-Outcome (Mand et al., 2021; Pecks, Agel, et al., 2022).

Bei besonders schweren Erkrankungsverläufen mit hypoxischen Phasen bei der Mutter kann die Kindesentwicklung jedoch stark beeinträchtigt werden. Berichtet wurde in Extremfällen vom Fruchttod oder auch von schwersten Hirnveränderungen beim Feten (Düppers et al., 2021). Hinzu kommen Sekundär-Phänomene, zum Beispiel durch eine Frühgeburt als Folge der SARS-CoV-2-Infektion.

 

Long- und Post-COVID

 

Bei den meisten COVID-19-Patient:innen bestehen einige Tagen bis Wochen nach der akuten Infektion keine Symptome mehr. Bei manchen Menschen treten jedoch körperliche, kognitive und psychologische Symptomen auf, manchmal auch nach einer anfänglichen Erholung. Dazu gehören Müdigkeit, Bewegungsunverträglichkeit, Unwohlsein, Dyspnoe, orthostatische Dysregulation und neurokognitive Dysfunktion. Diese Folgeerscheinungen können sich über längere Zeit hinziehen, werden als stark beeinträchtigend empfunden und wirken sich negativ auf den Alltag und die Lebensqualität aus. Das Fortbestehen oder Wiederauftreten solcher Symptome wird ab 4 Wochen nach einer akuten Infektion als Long-COVID und ab 12 Wochen als Post-COVID-Zustand bezeichnet (Koczulla et al., 2022; Puchner et al., 2019).

Die Häufigkeit des Post-COVID-Syndroms variiert je nach untersuchter Patient:innenpopulation und den verwendeten diagnostischen Instrumenten. In Selbst-Report-Untersuchungen wird häufiger ein Post-COVID angegeben. Allerdings suchen nur rund 6 % der Menschen nach akuter SARS-CoV-2-Infektion eine hausärztliche oder fachärztliche Betreuung auf (Koczulla et al., 2022).

Somatische oder psychosomatische Beschwerden in der Anamnese beziehungsweise eine hohe psychosoziale Belastung begünstigen die Manifestation eines Long- oder Post-COVID-Syndroms. Darüber hinaus wird die in Studien ermittelte Häufigkeit durch das Studiendesign beeinflusst, etwa durch die Rekrutierungsstrategie, die eingesetzten Fragebögen, die Geschlechterverteilung und die Kriterien der Genesung (Koczulla et al., 2022). Auffallend ist, dass Männer zwar tendenziell häufiger an COVID-19 erkranken als Frauen und auch eher schwerwiegendere Verläufe haben (Gomez et al., 2021; Grasselli et al., 2020). Die Diagnose Long-COVID wird jedoch häufiger bei Frauen gestellt, trotz milderer Verläufe der akuten Erkrankung (Bai et al., 2022).

Derzeit sind noch keine epidemiologischen Zahlen vorhanden, die die Anzahl der von Long-COVID betroffenen schwangeren Frauen erläutern. Ein Faktor, der die Diagnose von Long-COVID bei schwangeren und postpartalen Frauen erschwert, sind die ähnlichen Beschwerden, die sowohl von Patientinnen mit Long-COVID als auch von Schwangeren berichtet werden, wie Fatigue und/oder Dyspnoe.

 

Das CRONOS-Register

 

Zu Beginn der Pandemie waren wir in Deutschland auf Daten aus dem Ausland angewiesen. Leider ist die Gesundheits- und Forschungs-Struktur in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wie Schweden oder Großbritannien nicht auf die Sammlung populationsbasierter Daten angelegt. Dies erschwert eine Bewertung der Gefahrenlage und der Konsequenz einer Infektion in bestimmten Bevölkerungsgruppen.

Die COVID-19 related Obstetric and Neonatal Outcome Study (CRONOS), die von der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) initiiert wurde, sollte diese Datenlücke schließen. Das Projekt, das keine finanzielle Förderung von der Bundesrepublik erhielt, wurde anfänglich ausschließlich ehrenamtlich von in den Kliniken tätigen Ärzt:innen sowie einem engagierten Studienteam der DGPM gestützt. Es hat sich als Erfolgsprojekt etabliert und für Erkenntnis und Sicherheit in der Pandemie gesorgt. In einem multizentrischen Verbund mit 130 Kliniken wurde angestrebt, alle schwangeren Frauen mit positivem SARS-CoV-2-Befund einzuschließen. Die Studie zielte auf eine vollständige Rekrutierung ab, da in Deutschland 98 % der Schwangeren spätestens zum Zeitpunkt der Geburt in einer Klinik vorstellig werden.

Die teilnehmenden Kliniken betreuten 2021 etwa 250.000 Geburten, also rund 30 % aller Geburten in Deutschland. Informationen zu CRONOS wurden auf der Webseite www.dgpm-online.org und im Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS 00021208) veröffentlicht. Ein Ethikvotum vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, liegt vor (UKSH Kiel, AZ: D 451/20), dem sich die jeweiligen lokalen Ethikkommissionen angeschlossen haben. Eine elektronische Case Report Form (eCRF) wurde auf castoredc.com (Amsterdam, Niederlande) für CRONOS entwickelt. Diese umfasst 13 Abfragekategorien mit insgesamt 252 Fragen zu SARS-CoV-2-Testung, COVID-19-Symptomen, allgemeiner und geburtshilflicher Anamnese, Komorbiditäten, Untersuchungsergebnissen in der Klinik, Behandlung und Verlauf der Erkrankung sowie Geburt, perinatalem Outcome und Wochenbettverlauf. Ein zentrales Monitoring wurde durch die Studienleitung im UKSH Kiel etabliert. Eine Bewertung der Daten erfolgt wöchentlich. Bei wichtigen Ereignissen wurde Kontakt zur eingebenden Klinik aufgenommen, um die Dateneingabe zu verifizieren.

Ein Update des eCRF erfolgte am 15. Dezember 2020 mit ergänzenden Fragen, zum Beispiel zu Impfungen gegen COVID-19 (Pecks, Agel, et al., 2022). Das CRONOS-Register wurde im März 2023 geschlossen. Bis Mai 2022 wurden mehr als 8.000 infizierte Frauen in das Register aufgenommen.

Aktuell werden die Effekte der Pandemie untersucht. Mit ergänzenden Programmen wie CRONOS+, CRONOS-Satellites und Post-CRONOS sollen auch die Auswirkung einer Impfung, Langzeitwirkungen sowie das Erleben der Frau in der Pandemie untersucht werden. Dies lässt viele weitere Erkenntnisse erwarten, die zukünftig für bessere Einschätzungen in ähnlichen Szenarien zur Verfügung stehen.

 

Leitlinie für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

 

Die Ergebnisse aus CRONOS und anderen internationalen wissenschaftlichen Berichten wurden verwendet, um Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der Pandemie und der Erkrankung abzuleiten. Diese flossen zunächst in regelmäßige Updates ein, wurden auf Webseiten und in Journalen veröffentlicht. Im Mai 2021 bildeten die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) ein Konsortium aus Ärzt:innen, Hebammen und Patientinnenvertretung, um eine Leitlinie zu erstellen (Pecks et al., 2023).

Wichtige Handlungsempfehlungen der AWMF-Leitlinie SARS-CoV-2 in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zielen auf den Umgang in der Pandemie aus infektionspräventiver Sicht ab, berücksichtigen aber auch die Behandlung der akut Infizierten.

Mit dem Ablauf der allgemeinen Pandemiemaßnahmen wie dem generellen Screening in Krankenhäusern werden infizierte Frauen ohne oder nur mit milden Symptomen nicht mehr erkannt. Bei schwerer Erkrankten hilft ein diagnostischer Test, die Situation richtig einzuschätzen. Daher soll ein diagnostischer Test erfolgen, wenn aufgrund von Anamnese, Symptomen oder Befunden und unabhängig vom Impfstatus ein klinischer Verdacht besteht, der mit einer SARS-CoV-2-Infektion vereinbar ist.

Die akute Bedrohung liegt in der respiratorischen Dekompensation, die rasch erfolgen kann. Daher soll bei betroffenen Schwangeren eine Messung der Vitalparameter und Sauerstoffsättigung erfolgen und die Indikation zur Überführung auf eine Intensivstation regelmäßig überprüft werden. Ziel bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz bei COVID-19 ist, eine adäquate Oxygenierung sicherzustellen. Es soll eine Sauerstoffsättigung ≥ 94 % angestrebt werden.

Darüber hinaus sollte von den üblichen geburtshilflichen Standards nicht abgewichen werden. Eine SARS-CoV-2-Infektion oder COVID-19-Erkrankung allein stellt zum Beispiel keine Entbindungsindikation dar. Bleibt die Frau nach der Infektion schwanger, sollte erwogen werden, sie zum Beispiel mit Hinblick auf das erhöhte Risiko einer Frühgeburt oder Präeklampsie enger zu überwachen. Die Betreuung von Schwangeren setzt eine gute interprofessionelle Kommunikation voraus. Dies gilt insbesondere bei der Geburt. Alle möglicherweise beteiligten Fachdisziplinen und Professionen (ärztlich, pflegerisch, Hebammen, Geburtshilfe, Anästhesie, Pädiatrie) sollten frühzeitig informiert werden, um im Notfall eigene Schutzmaßnahmen umsetzen zu können.

Nach der Geburt soll auch bei positiv getesteten oder erkrankten Müttern das Stillen unterstützt werden. Die junge Mutter sollte zu speziellen Hygienemaßnahmen angeleitet werden, beispielsweise Handhygiene. Auch das Bonden ist unbedingt zu fördern. Da die COVID-19-Erkrankung auch Thromboembolien auslösen kann, sollte bei Frauen im Wochenbett eine Antikoagulation erwogen werden. Hierzu bietet die Leitlinie umfangreiche Orientierung, ob, wann und wie lange dies erforderlich sein kann.

 

Hausinterne Hygienestandards aktualisieren

 

Das Virus wird uns vermutlich nicht verlassen. Allerdings sind die Auswirkungen einer Infektion aktuell so gering, dass am 7. April 2023 alle Maßnahmen zum Schutz vor einer Ausbreitung ausliefen. Für die Zukunft bleibt, dass positiv getestete Fälle weiterhin entsprechend Infektionsschutzgesetz (IfSG) an die Gesundheitsämter gemeldet werden. Selbst wenn also im öffentlichen Rahmen keinerlei Einschränkungen mehr vorliegen, sollten die geburtshilflichen Teams weiterhin mit positiv getesteten Frauen rechnen und die vorgesehenen Umgangsregeln einhalten können.

Zu den ersten Empfehlungen im Umgang mit SARS-CoV-2 gehörten die Abstandsregel und das regelmäßige Lüften. Während letzteres leicht und schnell umzusetzen ist, stellte ersteres die Geburtshilfe vor einige Herausforderungen. Händeschütteln, Umarmungen, Gespräche mit mehr als zwei Personen auf engem Raum – all das sollte eingeschränkt werden auf einen Mindestabstand von 1,5 Metern. Dass sich dies nicht mit der Geburtsbetreuung verträgt, versteht sich von selbst. Nicht nur in Notsituationen ist dieser Abstand innerhalb von Sekunden passé, auch in der normalen alltäglichen Betreuung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen sind körperliche und emotionale Nähe unabdingbar. Untersuchungen wie Leopold-Handgriffe, Sonografien, Blutentnahmen, das Wehen-Austasten, Massagen, die vaginale Befunderhebung, der Dammschutz und nicht zuletzt die Stillhilfe: Geburtshilfliches Handwerk und ganzheitliche Betreuung gehen nicht auf Distanz. Der Umgang mit der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) senkt das Ansteckungsrisiko. Innerhalb der letzten drei Jahre wurde die Geburtshilfe unfreiwillig Profi im korrekten Umsetzen der Hygieneregeln und der weiterhin möglichst empathisch gehaltenen Betreuung der Frauen und ihrer Familien.

Falls im kommenden Herbst erneut Erkrankungsfälle auftreten, sollten die hausinternen Hygienestandards im Umgang mit SARS-CoV-2 aktualisiert werden. Meist beziehen sie sich auf die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) und den regelmäßigen Updates des RKI zum Coronavirus.

Bei Frauen mit Symptomen oder einem positiven Test (Anti-Gen-Schnelltest oder PCR-Test) aus den letzten Tagen sollte bei Aufnahme in der Klinik ein PCR-Test erfolgen. Bei einem Ausgangswert der Viruslast > 1 Mio cop/ml oder einem ct-Wert < 30 gilt für die Betroffene eine Isolierung oder Quarantäne. Bei einem Wert von VL< 1 Mio cop/ml oder einem ct-Wert ab 30 gilt die Person zwar als positiv, jedoch sollte abgeklärt werden, ob sich die Infektion bereits im Rückgang befindet.

 

Geburtshilfe unter erschwerten Bedingungen

 

Positiv getestete oder symptomatische Verdachtspersonen müssen zunächst möglichst in Einzelisolierung untergebracht werden. Im Team der Geburtshilfe soll das betreuende Personal wenig wechseln und versuchen, die Anzahl der Kontaktpersonen in Grenzen zu halten.

Was das Umsetzen anbelangt, sind ein gutes Teamgefüge und eine gute personelle Besetzung gefragt. Im Idealfall ist eine Hebamme pro Schicht nur für die Gebärende mit dem positiven Testergebnis zuständig, um einen häufigen Betreuungswechsel zu vermeiden und damit die anderen Frauen im Kreißsaal möglichst nicht in Kontakt mit dem Virus kommen. Bei der bekannten Personalnot und dem aktuellen Hebammenmangel in Deutschland ist es fraglich, wie weit diese Empfehlung im normalen Kreißsaalalltag umzusetzen ist. Definitiv sorgen Isolations-Geburten für einen erhöhten Arbeitsaufwand.

Gerade bei einer intensiven Geburtsbetreuung ist das Arbeiten in der Schutzausrüstung eine hohe Belastung für das Personal. Die Schutzbrillen drücken auf die Schläfen, rutschen und sind dazu noch oft beschlagen und nehmen einem die Sicht. Mehrere Stunden unter körperlicher Anstrengung und ohne Pause mit FFP-2- oder FFP-3-Maske zu arbeiten, kostet viel Kraft und Nerven. Unter den luftundurchlässigen Plastikkitteln läuft bereits nach kurzer Zeit hemmungslos der Schweiß. Den Isolationskreißsaal zwischendurch zu verlassen, ist bei pathologischen Geburtsverläufen nicht einfach möglich, da oft schnelles Handeln von Nöten ist und das korrekte Anziehen der Schutzkleidung Zeit in Anspruch nimmt. Und wenn eine Begleitperson – mitunter selbst in Quarantäne – nicht am Geburtsgeschehen teilnehmen kann, braucht die Gebärende deutlich mehr Betreuung. Hebammen müssen zusätzlich zur fachlichen Tätigkeit die Aufgaben der nicht abwesenden Vertrauensperson übernehmen.

 

Handlungs­empfehlungen in Geburtskliniken

 

Aktuell sind kaum noch Beschränkungen für Besucher:innen in der Klinik oder für Begleitpersonen unter der Geburt vorhanden. Zu Beginn der Pandemie reduzierten viele Kliniken diese Möglichkeiten auf wenige Besuchsstunden und maximal eine Person pro Tag. Inzwischen sind die Regelungen soweit gelockert, dass ein oder gar mehrere Besucher:innen auf den peripheren Stationen kein Problem darstellen. Kompliziert bleibt es aber weiterhin, wenn eine positiv getestete Schwangere zur Geburt erscheint. Hier gibt es nur wenig klare Handlungsempfehlungen und die Kliniken oder das anwesende Personal muss entscheiden, wie mit dieser Situation umzugehen ist. Einige Kliniken vertreten die klare Aussage, dass in diesem Falle keine Begleitperson unter der Geburt erlaubt ist, andere lassen frisch genesene oder ausreichend immunisierte Begleitpersonen mit Schutzausrüstung zu. Hier sollten die Begleitumstände und das Setting beachtet werden (Pecks et al., 2023).

Bonden und Stillen ist bei positiv getesteten Müttern unter dem Einhalten der Basishygiene zu unterstützen (Stillkommission, 2021). Gesunde Neugeborene müssen nicht von ihren Eltern separiert werden, dürfen im Haut-zu-Haut-Kontakt liegen und gemeinsam mit ihren Eltern nach Hause entlassen werden. Sollte ein Kind auf einer Neugeborenen-Intensivstation liegen, dürfte in den meisten Fällen der Besuch durch eine infektiöse Person untersagt sein, auch wenn dies ein Elternteil ist. Teilweise können weitere Angehörige die ersten Tage überbrücken und dem Kind die abgepumpte Milch geben oder auch das Bonden übernehmen (Pecks et al., 2023).

 

Fazit

 

Es kann davon ausgegangen werden, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 endemisch persistiert und sich weiterentwickelt. Die derzeit zirkulierenden Varianten scheinen nicht mit einem erhöhten Erkrankungswert verbunden zu sein. Daher stellte die WHO auf der 15. Sitzung des »International Health Regulations Emergency Committee regarding the coronavirus 2019 disease (COVID-19) pandemic« am 4. Mai 2023 fest, dass durch COVID-19 keine öffentliche Bedrohung durch ungewöhnliche oder unerwartete Ereignisse bestehe (Statement on the fifteenth meeting of the IHR, 2005, Emergency Committee on the COVID-19 pandemic/who.int).

In Deutschland sind am 7. April 2023 alle bundesweiten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ausgelaufen. Mit schweren Verlaufsformen von COVID-19 muss in Einzelfällen weiterhin gerechnet werden. Bei Schwangeren ist eine frühzeitige Einschätzung des Gesundheitszustands bei COVID-19 erforderlich, um rechtzeitig ein interprofessionelles Team einzubeziehen. Das Management zielt insbesondere auf die Aufrechterhaltung der Sauerstoffsättigung über 94 % ab. Eine Thromboseprophylaxe sollte bei stationär behandelten Frauen erfolgen. Die Isolation von SARS-CoV-2-Infizierten Patientinnen und die Einhaltung von Hygienemaßnahmen sowie die Meldepflicht erkrankter Personen bleiben weiterhin bestehen.

Rubrik: Ausgabe 09/2023

Vom: 28.08.2023