Can-do-Babys

  • Birgit Heimbach hat sich in Bremen die Ausstellung über das Werk des Künstlers Volker März angeschaut. Er meint: »Störenfriede helfen, täglich neues Gleichgewicht zu schaffen – auf Augenhöhe mit Kindern, die immer wissen, was sie wollen.«

  • Bis in die 1940er Jahren hieß es übereinstimmend, dass Säuglinge als »Can´t-do-Babys« eigentlich nichts könnten. Anscheinend war jahrzehntelange Forschung nötig, bis immer klarer wurde, dass wir es im Gegenteil mit »Can-do-Babys« zu tun haben. Die amerikanische Journalistin Susan Quinn formulierte 1982 mit diesen beiden Begriffen die Sichtweisen der Fachleute auf Säuglinge. Da war auch der Begriff des kompetenten Säuglings, den zehn Jahre zuvor der amerikanische Psychologe Lawrence Joseph Stone erdacht hatte, schon in die Öffentlichkeit gedrungen. Immer mehr Fähigkeiten des kleinen Homo sapiens werden seitdem entdeckt, etwa in der Kommunikation. Er fixiert Gesichter und fordert zum Zwiegespräch auf. Ein Baby kann gut hören, saugt Worte begierig auf, vor allem die der Muttersprache, die es bereits aus der Pränatalzeit kennt. Es ahmt im Dialog Mundbewegungen nach und lautiert Sprachmelodien.

    Der in diesem Jahr noch vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama geehrte, kürzlich verstorbene Pädiater Berry Brazelton betonte, dass man Eltern nicht komplett für die Entwicklung ihres Babys verantwortlich machen könne. Es habe selbst einen starken Einfluss auf seine Zukunft. Das entlastet die Eltern. Wenngleich Kinder natürlich auch kompetente Eltern als Gegenüber benötigen.Der Dialog zwischen Groß und Klein ist beiderseits störanfällig. Ein Kind, das sich schlecht regulieren kann und unstillbar schreit, kann bald als Störenfried empfunden werden. Erst kürzlich wurde für das exzessive Schreien von Säuglingen eindeutiger Behandlungsbedarf signalisiert, indem es in die internationale Klassifizierung von Krankheiten in der frühen Kindheit aufgenommen wurde. Viele Stimmen behaupten, dass junge Eltern in unserer hochzivilisierten Gesellschaft immer weniger die Bedürfnisse eines Neugeborenen erkennen und die urmenschliche Fähigkeit verloren haben, das universelle Baby-Esperanto zu verstehen, wozu das Schreien als wichtige Ausdrucksform gehöre. Dadurch könne es beim Kind zum inneren Coping kommen: Durch dauerende Frustration lerne es, dass es nicht verstanden werde, und würde seine Erwartungen an Mitmenschen verändern. Frühkindliche Entwicklungsstörungen wären die Folge.

    In dieser Ausgabe werden einige Ansätze der vielen neuen Therapie-Angebote vorgestellt, wie Missverständnisse zwischen Eltern und Säugling vermieden werden können. Mitunter mangelt es auch einfach nur an Zeit und Muße.Die vielen Debatten über Erziehungs-, Familien- und Psychokrisen seien jedenfalls oft einseitig und dramatisierend, entwarnt Prof. Dr. Martin Dornes vom Institut für Sozialforschung in Frankfurt. Eltern seien mit Sicherheit nicht perfekt, aber in der Regel gut genug. Er empfiehlt ihnen unspektakulär: Gelassenheit.

    Von Zuständen kollektiver Gelassenheit und Sorgenfreiheit träumt der Künstler Volker März – am liebsten auf Planeten von Kindern, Affen und Störenfrieden (siehe Kultur, Seite 84ff.).

    In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine sorglose, gemütliche Weihnachtszeit – mit Zeit für eigene Träume.