Dokumentieren mit Lust

Dokument: Im Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache findet sich dazu folgende Definition: „Beweis“, eigentlich „wodurch man etwas lehren, woraus man etwas schließen kann“, zu Lateinisch docere „lehren, unterrichten, nachweisen“. Dass die Dokumentation als Beweisgrundlage gilt, ist Hebammen sehr bewusst. Zum einen für die Abrechnung ihrer Leistungen, zum anderen, um sich für den Fall eines Rechtsstreits abzusichern. Es scheint jedoch schwierig, allein aus dieser Sichtweise heraus die Motivation für schriftliche Aufzeichnungen zu gewinnen, die nicht nur zähneknirschend als notwendiges Übel empfunden werden. Aus der genannten Definition ergeben sich zusätzlich ganz andere sehr wertvolle Aspekte für Hebammen, die wir oftmals nicht so vordergründig im Blick haben: Die Dokumentation ermöglicht die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln, um übergeordnete Zusammenhänge zu erkennen, Rückschlüsse zu ziehen, eigene Fehler zu verstehen sowie Hebammenwissen zu bewahren, aufzubauen und weiterzugeben.

Unsere Vision ist eine lustvoll durchgeführte Dokumentation, die alle Aspekte umfasst und dabei die betreuten Frauen nicht aus den Augen verliert, die eine Form findet, in der alles Wesentliche zeiteffizient notiert werden kann. Empfinden wir es nicht oft so, dass die Zeit, die wir am Schreibtisch sitzen, uns für die Betreuung der Frau fehlt? Hier gilt es, vielleicht noch einmal über die eigene Art der Dokumentation nachzudenken und neue Wege zu suchen.

Daneben stellt sich noch eine andere Frage: Kann ich der Gebärenden das Gefühl geben, sich fallen lassen zu können, ihr einen Rahmen der Intimität geben, wenn sie weiß, dass ich alles notiere, was sie tut, sagt oder ausscheidet – ähnlich wie in einem Laborversuch? Inwiefern schränkt es die Hemmungslosigkeit der Schwangeren ein, wenn die Hebamme ihre Aufzeichnungen im Beisein der Frau anfertigt? Muss zwangsläufig für die Gebärende das Gefühl entstehen, ein „Tier im Zoo“ zu sein – und die Hebamme ist forschende Beobachterin? Die innere Haltung der Hebamme gegenüber der Dokumentation und dem Geburtsprozess spielt dabei eine Rolle, insbesondere dann, wenn wir Dinge dokumentieren, die rein der juristischen Absicherung dienen. Mit einer offenen Einstellung können die Niederschriften frauenzentriert angefertigt werden: So, dass sich die Gebärende nicht ausspioniert fühlt, sondern beobachtet im positiven Sinne – damit sie und ihr Kind im Mittelpunkt stehen! So können aus den Notizen wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, nicht nur für lernende Hebammen in der Ausbildung, sondern auch für berufserfahrene Kolleginnen, die ihre eigene Arbeit mit etwas Abstand reflektieren. Dokumentieren wir in diesem Sinne – und machen wir sichtbar und zugänglich, woraus Hebammenkunst besteht!