Familienhebamme in Amt und Würde

  • Birgit Heimbach, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Jede Familienhebamme strickt sich ihre eigene Widerstands kraft.«

  • Familienhebammen kenne ich seit meiner Ausbildung in Hannover. Wir Schülerinnen der Landesfrauenklinik machten bei ihnen Externate, ich 1986. So lernte ich die engagierte Familienhebamme Margret Landig kennen. Wir stiegen durchaus mal über Berge von Müllsäcken, um an die Klingel einer Wohnungstür zu gelangen – Margret Landig stets in Pumps und einer Kombination aus Rock und Blazer. Ihre Eleganz wolle sie sich erhalten, als Kontrapunkt zu dem, was sie täglich sah.

    Äußerlich unbeeindruckt hörte sie auf einem heruntergekommenen Sofa überforderten Frauen zu, die ihr Leben kaum in den Griff bekamen. Sie zeigte ihnen herzlich den Umgang mit ihren Kindern und hat so manche Familie vor dem ultimativen Desaster bewahrt.

    Die Idee der Familienhebammen entstand bereits 1978 ebenfalls in Hannover an der Medizinischen Hochschule, federführend betreut von dem Soziologen Prof. Dr. Jürgen Collatz. Als ich Ende der 1980er Jahre Soziologie studierte, lernte ich Collatz kennen. Es gefiel mir sehr, was er auf die Beine stellte. In der Feldphase arbeiteten 25 Hebammen mit ihm zusammen. Margret Landig gehörte schließlich zu einer der ersten dauerhaft arbeitenden Familienhebammen.

    Inzwischen betreue ich als Redakteurin zum zweiten Mal das Schwerpunktthema Familienhebammen und bin immer noch beeindruckt, was sie tagtäglich an wertvoller Arbeit leisten. In diesem Heft erläutert Anne Knospe ihre Arbeit in Marzahn-Hellersdorf am Ostberliner Stadtrand. Auch sie beschreibt diese spezielle Umgebung ihrer Arbeitseinsätze: »Neben den Müllcontainern stehen Rattenfallen, die Eingangstür ist zerkratzt und bespuckt. Das Klingelschild fasst 30 Namen, wüste Beschimpfungen sind an den Rand gekritzelt.« Wohlwollen, Humor und Geduld seien enorm wichtig für ihre Arbeit. Jede Familienhebamme strickt sich ihre eigene Widerstandskraft.

    2007 schrieb ich noch in der DHZ, dass Familienhebammen in der Öffentlichkeit gar nicht so bekannt seien. Im selben Jahr wurde jedoch das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) eingerichtet: für einen besseren Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung. Die Familienhebammen wurden ein wichtiger Bestandteil. Die frühere Familienministerin Dr. Ursula von der Leyen hatte die Berufsgruppe quasi für sich entdeckt und bei der Prävention eingeplant. Der Deutsche Hebammenverband, damals noch Bund Deutscher Hebammen e.V., reagierte mit einem Expertinnen-Treffen. Die Hebamme und Diplompädagogin Barbara Staschek schrieb eine Expertise. Heute ist Ulrike von Haldenwang, die bis 2013 Familienhebamme in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg war, Expertin für die Frühen Hilfen beim DHV. Ich habe mit ihr ein Interview geführt, in dem der Erfolg der Familienhebammen deutlich wird – und die Verbesserungsmöglichkeiten im System.