Hebammengeleitete Geburtshilfe in Gefahr

  • Katja Baumgarten: „Man fragt sich, warum Hebammengeburtshilfe nicht flächendeckend überall dort angeboten wird, wo es Entbindungsabteilungen gibt.“

  • Zum Jahresende fällt der Blick in die Zukunft beunruhigender aus, als es einem zum Fest der Geburt lieb ist. Einige meiner Kolleginnen haben die freiberufliche Geburtshilfe aufgegeben, weil sie sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Eine Kollegin aus Süddeutschland erzählt mir, dass sie ihre gut laufende Hebammenpraxis, die sie seit 15 Jahren führt, Ende Dezember schließen muss. Etwa 150 Frauen werden dort jährlich betreut – darüber hinaus an die 40 Haus- und Praxisgeburten. Nun trägt sich die Praxis nicht mehr: Die Fixkosten sind zu hoch, die Vergütung zu niedrig – Mitarbeiterinnen kann sie nicht mehr finanzieren. Sie fährt künftig direkt zu den Frauen nach Hause. Hausgeburtshilfe bietet sie zum Glück weiterhin an: Aber mit dem Verschwinden ihrer Praxis wird ihr Angebot in der alltäglichen Wahrnehmung unsichtbarer.

    Ermutigend war es, als Hebammen sich in den 1990er Jahren eigene professionelle Arbeitsorte schufen und damit auch in der Öffentlichkeit präsent wurden. Viele Menschen hatten gedacht, dass es gar keine Hebammen mehr gäbe. Dass Hebammen als eigenverantwortliche Berufsgruppe wahrgenommen werden, die für die gesunde Schwangere umfassend tätig ist – und zwar auch mit Geburtshilfe, gerät heute wieder ins Abseits. Unterdessen ist zwar durch die medienwirksamen Hebammenproteste in der Bevölkerung bekannt, mit welchen wirtschaftlichen Schwierigkeiten freiberufliche Hebammen zu kämpfen haben, kurzfristig verbessert hat sich nichts. Im Gegenteil: Die Entwicklung der steigenden Kosten geht unbeirrt weiter. Können die Kolleginnen diese Durststrecke überstehen, bis es zufriedenstellende, würdige Lösungen gibt? Die hebammengeleitete Geburtshilfe ist in Gefahr. Die Konzepte für die Klinik, die bereits vor zehn Jahren erarbeitet und seit 2003 in die Tat umgesetzt wurden, sind vielversprechend, die Forschungsergebnisse überzeugend. Doch fragt man sich, warum Hebammengeburtshilfe nicht unterdessen flächendeckend überall dort angeboten wird, wo es Entbindungsabteilungen gibt. Stattdessen gibt es erst 14 hebammengeleitete Kreißsäle gegenüber fast 1.000 herkömmlichen Kreißsälen.

    Nicht nur wirtschaftliche Probleme bedrohen die Freiberuflerinnen. Auch in juristischer Hinsicht zieht sich die Schlinge zu. Wenn man den Erfahrungsbericht der Hebamme Mena Van Damme liest, die in einen existenzvernichtenden Rechtsstreit verwickelt wurde, gerinnt einem das Blut in den Adern. Mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun. Es hätte jede so treffen können – auch einen selbst. Kann man aus all dem Rückschlüsse ziehen, welche Achtung unser Berufsstand in unserer Gesellschaft genießt? Ich wünsche Mena Van Damme die Solidarität, die sie braucht, damit sich ihr Schicksal noch wenden lässt. Allen Hebammen, die mit Sorge ihre Bilanz zum Jahresende ziehen, wünsche ich akut rettende Lösungen. Und unserem Berufsstand künftig wieder stabilen Boden unter den Füßen, gerade was das Kerngeschäft unserer Profession, die Geburtshilfe angeht – egal wo.