Nie das richtige Alter?

  • Tara Franke, Hebamme und Redakteurin der DHZ: »Das Alter der Mutter haben wir schlicht nicht zu beurteilen.«

  • Die Gebärfähigkeit der Frau ist eine enorme gesellschaftliche Macht – eigentlich. Dabei birgt für Frauen das Kinderkriegen ein Dilemma: Sie haben eigentlich nie das richtige Alter. Mit Männern geht die Gesellschaft deutlich entspannter um, obwohl deren Alter ebensolche negativen gesundheitlichen Folgen für das Kind haben kann wie das der Mutter.

    Die Erwartungen von Gesellschaft und Medizin setzen Frauen dagegen ziemlich enge Grenzen: Das »optimale« Fortpflanzungsfenster wäre demnach etwa zwischen Anfang zwanzig und Anfang dreißig – zehn Jahre! Bekommen sehr junge Frauen Kinder, kann es sich wohl nur um einen Unfall handeln – der mit korrekter Verhütung hätte vermieden werden können. Bis zum ersten Kind sollten Frauen am besten einen Beruf erlernt, eine unbefristete Stelle und dazu den richtigen, festen, fruchtbaren Partner mit Kinderwunsch haben. Nach langer Pilleneinnahme sollten sie dann möglichst sofort schwanger werden und bis Mitte dreißig die gewünschte Kinderzahl in optimalem Abstand bekommen haben. Nicht alle schaffen das oder wollen das so.

    Frauen ab fünfunddreißig gelten im Mutterpass bereits als Risikoschwangere – dabei ist Mitte dreißig ein Alter, das mir (als Fünfzigjährige) mit höchster körperlicher Kraft und Gesundheit in Erinnerung ist. Die »Spätgebärende« ab vierzig wird noch skeptischer beäugt. Für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch ist in Deutschland bereits Anfang vierzig die Deadline für medizinische Hilfe. Und eine Frau, die mit fünfzig noch ein Kind bekommt, wird wahlweise bemitleidet oder für egoistisch gehalten, je nachdem, ob das Kind versehentlich entstand oder gewünscht war.

    Dazu suggeriert eine eher risikofixierte Mutterschaftsvorsorge, die ältere werdende Mutter unterwerfe sich und ihr Kind großen gesundheitlichen Risiken. Umso wichtiger, dass in der Beratung klar zwischen statistischen Risiken, einem individuellen Risiko und einer akuten Pathologie unterschieden wird – und dass, wenn notwendig, korrekt und einfühlsam darüber aufgeklärt wird. Dabei sollten auch die vielen Ressourcen älterer Mütter Erwähnung finden.

    In diesem Land hat jeder Mensch die grundgesetzlich verbriefte Freiheit, über das eigene Leben zu entscheiden. Auch das Kinderkriegen gehört dazu. Hebammen und GeburtshelferInnen obliegt die Pflicht, sie alle bestmöglich zu begleiten, vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren und nach höchster Kunst zu behandeln. Das Alter der Mutter haben wir schlicht nicht zu beurteilen.

    Kurt Starke, Sexualforscher der DDR äußerte sich 2019 dazu: »Es ist bedenklich, dass ständig geschrieben und erzählt wird, wie anstrengend und schrecklich Elternschaft ist. Zugleich werden die perfekten Eltern als Ideal und Pflicht dargestellt. Reiner Horror. Es gibt keine perfekten Eltern.«