Rückhalt in der Krise

  • Katja Baumgarten: „Warum bleibt das Rooming-in für kranke Neugeborene die Ausnahme?“

  • Beim hochinteressanten internationalen Symposium „Familienzentrierte Neonatologie", das Anfang vergangenen Jahres auf Initiative der beiden Neonatologinnen Dr. Eva Mildenberger und Dr. Gabriele Kewitz in Berlin stattfand, waren Kinderkrankenschwestern in großer Zahl sowie NeonatologInnen, GynäkologInnen und Krankenschwestern vertreten – doch trotz ausdrücklicher Einladung war keine einzige Hebamme anwesend. Kein Wunder, dass der Ruf nach der „Doula" bei jeder Gelegenheit wie ein „Zauberwort" zu hören war. Sechs Wochen später bei der BHD/GfG-Tagung „Werde wachse und gedeihe liebes Kind" in Idstein, auf der das Thema „Familientherapie" großen Raum einnahm, war der Saal dagegen voll von Hebammen neben den vielen TherapeutInnen.

    Mich hat der unterschiedliche „Geist" dieser zwei Tagungen damals sehr beschäftigt. Wo bleibt das innovative Engagement der Hebammen für die Schwächsten unserer Schutzbefohlenen von Anfang an und über die Betreuung im Kreißsaal hinaus? Für die kranken oder zu früh zur Welt gekommenen Neugeborenen, die verlegt werden müssen und ihre Mütter, die häufig durch einen Kaiserschnitt ans Bett gefesselt sind und ihrem Kind tagelang fehlen. Mich wundert, dass ein Modell wie die 2003 eröffnete Mutter-Kind-Station für Frühgeborene oder kranke Neugeborene der Charité Campus Benjamin Franklin eine absolute Ausnahme und nicht die Regel in deutschen Perinatalzentren ist. Müssen nicht bei der Weiterentwicklung solcher Modelle, die eine zeitgemäße humane Geburtshilfe mit sich bringen sollte, auch die Hebammen ein unüberhörbares Wort mitreden? Hapert es an der Zusammenarbeit mit den anderen Professionen, wie beispielsweise den Medizinern, so dass das Potenzial der Hebammen in diesem Bereich so wenig ausgeschöpft wird? Fortbildungen und Zusatzqualifikationen mit familientherapeutischem Ansatz boomen, eine hochkarätig besetzte Fortbildung des BHD zum Thema Hebammenbegleitung bei Pränataldiagnostik kam mangels Interesse aber nie zustande! Dass sich Hebammen als kompetente Begleiterinnen für die Familie in Krisensituationen anbieten, stärkend als ruhender Pol bei der Wanderung durch die Institutionen beziehungsweise zwischen den Spezialisten – beispielsweise bei auffälligem Befund nach Pränataldiagnostik oder nach einer Frühgeburt – ist nach wie vor eine Seltenheit.

    Das Titelthema „(Hoch-)Risikogeburtshilfe" dokumentiert, wie die Geburtshilfe in Perinatalzentren den Einsatz der Hebammen im Kreißsaal bis an ihre Grenzen fordert. Es weist auch auf die Notwendigkeit für unseren Berufsstand hin, auf die Weiterentwicklung der Geburtsmedizin in der Aus- und Weiterbildung professionell zu reagieren. Der wachsende berufliche Druck und die schwindende Sicherheit von Arbeitsplätzen in unserem Gesundheitssystem dürfte allerdings für viele Hebammen gegenwärtig die existenziellste Sorge darstellen.