Sprich drüber!

  • Katja Baumgarten: „Es lohnt sich, auch bei größtem Zeitmangel und Arbeitsüberlastung den Stillbeginn sorgfältig und kompromisslos zu beschützen.“

  • Das diesjährige Motto der Weltstillwoche klingt so einfach: „Stillen – sprich drüber!" Aber ist zum Stillen nicht schon alles gesagt? Ein Themenschwerpunkt über das Stillen für Hebammen – Eulen nach Athen tragen? Spricht man mit Kolleginnen über das Stillen, wirkt es häufig, als hätten sie sich das Thema „am Hosenboden abgesessen". Sind Homöopathie, Akupunktur oder andere Heilmethoden und Spezialisierungen gegenüber diesen „Basics" originärer Hebammenarbeit attraktiver, um sich professionell zu entwickeln und Kompetenz zu signalisieren? Leider gibt es noch immer Mütter, die leidvolle Stillerfahrungen machen, an deren Ende das Aufgeben steht. Dass das Stillen „nicht geklappt" hat, erscheint angesichts hoch entwickelter Muttermilchersatznahrung „nicht so schlimm". Der Dämpfer für die Mutter-Kind-Bindung bei Stillkrisen, durch unbefriedigenden und besorgten Austausch zwischen der Wöchnerin und ihrem Neugeborenen, ist dabei auf längere Sicht wahrscheinlich gar nicht so harmlos für beide. Es lohnt sich, auch bei größtem Zeitmangel und Arbeitsüberlastung den Stillbeginn sorgfältig und kompromisslos zu beschützen, damit es gar nicht erst zu Krisen kommt.

    Die Forschung liefert immer wieder Belege dafür, wie außerordentlich der „Schutzfaktor Stillen" für den Säugling und seine Mutter ist. Muttermilch ist nach wie vor unersetzlich, trotz aller Versuche, sie industriell zu imitieren – selbst mit Genmanipulation. Die jüngsten Entdeckungen möglicher Wirkungsweisen der einzigartigen Mehrfachzucker in der menschlichen Muttermilch lassen ahnen, welches noch unerforschte Potenzial in diesem Lebensmittel steckt. Eine Metaanalyse, die im Juni in der amerikanischen Fachzeitschrift „Pediatrics" veröffentlicht wurde, belegt den beeindruckenden Schutzeffekt des Stillens gegen den Plötzlichen Kindstod (SIDS): Säuglinge, die mindestens zwei Monate ausschließlich gestillt worden waren, hatten in dieser Analyse von 18 Studien ein um 73 Prozent geringeres Risiko.

    Ein Grund mehr, übers Stillen zu sprechen! Die gekonnte Förderung des Stillbeginns gehört zu den wirksamsten Maßnahmen der SIDS-Prävention, statt Eltern von gesunden Säuglingen mit übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen zu ängstigen und Unsicherheit zu schüren. Strenge Warnungen beispielsweise, das Kind nicht im eigenen Bett schlafen zu lassen, stören eher die unkomplizierte Stillbeziehung in der Nacht und die Leichtigkeit zwischen Eltern und Kind in ihrem Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Skurril mutet die aktuelle Diskussion in den USA an, von der die Tageszeitung Die Welt Anfang August berichtete. Die Stillpuppe „Breast Milk Baby" eines spanisches Spielzeugherstellers sorgt für Kontroversen: Die kleinen Mädchen würden zu früh „sexualisiert", der Hersteller sei „pädophil und pervers". Das schlichte Motto der Weltstillwoche ist klug gewählt.