Stehen Umbrüche an?

  • Katja Baumgarten: „Auch bei uns muss es akademische Zugänge im Bereich Hebammenkunde geben.“

  • Ich würde meiner Tochter verbieten, heutzutage Hebamme zu werden!", sagt mir eine Kollegin. „Kann man es seiner Tochter noch raten, diesen Beruf zu ergreifen?", fragt eine andere, angesichts bedrückender Veränderungen im Gesundheitswesen. „Ich würde gleich Medizin studieren", meint jemand anderes. „Wir brauchen die Hebammen, um wieder zurück zu einer gesunden interventionsarmen Geburtshilfe zu finden", sagt ein Chefarzt aus Hamburg heute am Telefon zu mir. Schwingt nicht immer auch der Hauch einer Utopie in engagierter Geburtshilfe mit, der Wunsch nach einer besseren Zukunft? Welcher Beruf enthält heute sonst dieses Potenzial von Hoffnung?

    Als meine Tochter Anfang des Jahres ihre Hebammenausbildung begann, war ich irgendwie versöhnt, ihren guten Start aus der Ferne mitzuerleben: Mit wie viel Freude und ungebrochenem Interesse sie von den ersten Monaten erzählt, vom ersten Einsatz im Kreißsaal, wie sie Hebammen und Hebammenlehrerinnen zur Seite hat, die ihren Schülerinnen die Sicherheit geben, dass sie hinter ihnen stehen. Das Gegenteil habe ich vor 29 Jahren erlebt: Es war die einzige Zeit in meinem Leben, in der mich trotz meines optimistischen Naturells das düstere Gefühl einer abgrundtiefen Sinnlosigkeit ergriff, dem ich nur eisernes Durchhalten entgegensetzen konnte. Nachträglich erkenne ich meinen damaligen Zustand als ernste Depression. Ich konnte kaum standhalten in einem Medizinbetrieb, in dem man als unterstes und schwächstes Glied in der Hierarchie die Unzufriedenheit fast aller abfedern musste – und die war beträchtlich. Dass es gute Beispiele gelungener Ausbildung und reflektierter Lehrmethoden gibt, heißt nicht, dass es nicht vielerorts noch allerhand Verbesserungsbedarf gäbe. Peggy Borchert, jahrelang im Bundeshebammenschülerinnenrat aktiv, hat viele Schülerinnen mit unglücklichen Ausbildungserfahrungen unterstützt. In ihrem Beitrag klingt eine Portion berechtigter Ungeduld an, zu wenig verändere sich – in vielem, was sie heute beschreibt, erkenne ich mich aus meiner Schülerinnenzeit von damals wieder.

    Veränderungen für die Hebammenausbildung stehen an – noch sieht es nicht danach aus, dass Deutschland mit der grundständigen Hebammenausbildung seinen Nachbarländern bald in die konsequente Akademisierung folgen wird. Immerhin wurden hierzulande soeben neue Curricula entwickelt, die internationalen Standards entsprechen und der Ausbildung innerhalb Deutschlands zu mehr Einheitlichkeit verhelfen könnten. Auch bei uns muss es akademische Zugänge im Bereich Hebammenkunde geben, um dem Beruf Entwicklungspotenzial und Anschluss an die internationale Forschung zu ermöglichen – die Kooperationen von Hochschulen mit Hebammenschulen, wie sie gegenwärtig entstehen, ist ein guter Kompromiss. Dem bislang hohen Praxisanteil unserer Ausbildung sollte künftig eher mehr Wert beigemessen werden, statt dass er gekürzt wird, um sich internationalen Anforderungen anzupassen!