Unter Hochdruck

  • Peggy Seehafer, Hebamme, Anthropologin und Redakteurin: »Hypertonus, HELLP und Präeklampsie sind leise Krankheiten. Auch Schwangere bemerken das Problem erst, wenn die Symptome augenscheinlich sind.«

  • Schon vor über 5.000 Jahren wurde die Eklampsie beschrieben. Doch erst 1897 wurde der hohe Blutdruck als Auslöser entdeckt. Den Zusammenhang zwischen Präeklampsie und Proteinurie hatte man bereits 1840 gefunden. Man vermutete eine Vergiftung aufgrund von Abbauprodukten der Plazenta. Ab den 1970er Jahren kamen mit dem größeren Wissen über das Immunsystem neue Forschungen auf. Sie führten in den folgenden Jahrzehnten zu immer neuen Definitionen. Die älteren Kolleginnen erinnern sich noch: Von Toxikosen zu hypertensiven und nicht hypertensiven Gestosen und der Pfropfgestose, ging es über EPH-Gestose (Edema, Proteinurie und Hypertonus) zur Nottingham-Definition, weiter zum SIH (schwangerschaftsinduzierten Hypertonus) mit Steigerung zur Präeklampsie und Eklampsie, heute als frühe und späte Präeklampsie bezeichnet.

    Irgendwann zwischendurch tauchte das HELLP-Syndrom auf: Haemolysis, Elevated Liver enzymes, Low Platelet count. Und derzeit ist alles HES: hypertensive Erkrankung in der Schwangerschaft, egal ob präexistent oder schwangerschaftsinduziert. Als Erklärung dafür wird die Komplexität des Krankheitsbildes angeführt.

    Ich blicke zurück auf Jahre mit immer neuen Begrifflichkeiten, aber ohne Fortschritt in der Behandlung der betroffenen Frauen. Hypertonus, HELLP und Präeklampsie sind leise Krankheiten. Auch Schwangere bemerken das Problem erst dann, wenn die Symptome bereits augenscheinlich sind. Welche Möglichkeiten haben Hebammen, rechtzeitig die ersten Warnsig­nale wahrzunehmen? Wie können sie dazu beitragen, dass diese Frauen so früh wie möglich die beste verfügbare Diagnostik und Therapie erhalten? Die werdenden Eltern fühlen sich von den plötzlich einsetzenden, dramatischen Verläufen traumatisiert. Wie könnten sie angstfrei vorbereitet werden und von wem?

    In Deutschland wird laut Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) nur bei 2,85 % aller Frauen Gestose als Geburtsrisiko angegeben. Ein Verdacht auf Präeklampsie als Indikation für eine Doppler-Sonografie liegt bei 7,46 % aller Schwangeren vor. Das Verstehen der Krankheit ist bis heute nicht abgeschlossen. Entsprechend fehlen noch immer angemessene Therapien.

    Die einzige kausale Therapie ist bis heute die Beendigung der Schwangerschaft. Das führt in der Abwägung der mütterlichen gegen die fetale Gesundheit nicht selten zu iatrogenen Frühgeburten, mit weitreichenden Belastungen für die Kinder. Aber nicht jede Schwangerschaft muss sofort beendet werden. Unter genauer Diagnostik kann das Zeitfenster für eine Geburt in einigen Fällen risikoarm in spätere Schwangerschaftswochen verschoben werden.

    Bisher ist nicht geklärt, ob Präeklampsien nicht vielleicht schon vor der Schwangerschaft in den Frauen angelegt sind und dann erst aufbrechen. Wir wissen allerdings, dass sie nach der Geburt nicht spurlos verschwinden.